Jägers Annele
her und schlug die Bauern auf dem Plan von Sonthofen völlig
aufs Haupt. —
YI. Was auf der Burg und auf dein Politterhose geschah, und
vom selige» Ende des Annele.
Auf der Burg waren der Bischof und sein Neffe von
den Bauern heftig bedrängt worden. Der Junker hat aber
die Burg tapfer gehalten. Den Hanns, der um der Miriam
willen den Tratzbcrger beharrlich aufs Korn nahm, den traf
des Junkers Kugel selber. Der Bursch stürzte todtgeschossen
kopfüber iu den Abgrund außer dem Wallgang, lind das
frech und ketzerisch Paar, der Doktor Pvlitter und seine Sproßiu,
die waren immerdar bei der Belagerung zugegen und feuerten
zum Sturme an. Der Junker hat mir's später selbst erzählt,
wie daß die Miriam mit einer Flinte des Öfteren auf ihn
gezielt, ihn aber nit erreicht.
Als die Bedrängniß am Höchsten, da ließen die in der
Burg Feuerzeichen steigen, ob ihnen aus dem Thale etwan
Hilfe würde. Und das war die Zeit, da die Tyroler kamen
und der Dorn den Balthes erschossen hatte. Nun eilte der
Dorn, dieweilen seine größere Macht den Bundschuh aus Hinde-
lang warf, mit der übrigen Mannschaft zur Burg hinan und
bracht' Entsatz. Da entkamen aber der Doktor Politter und
die Miriam noch durch den dicken Tann und erreichten das
Thal. Der Fürstbischof aber, wie die Bauern von der Burg
durch des Dorn Leute vertrieben waren, zog aus mit dem
Junker und hinüber zum Politterhof, um das schlimme Paar
zu fahnden. Es hatte dasselbe seinen Hof schon erreicht und
verschloß Thor und Thür. Ehe nun die Bischöflichen in's
Haus einbrachen, geschah ein Pulverschlag, der es aus seinen
Grundvesten cmporhob, und mit großer Flamm' und Rauchsäul'
flog alles iu die Luft. Schier wären Etliche der Unsrigen zu
Schaden gekommen, aber Gott verhütet' es. Und als man
später den Schutt weggeräumt, da lag der Doktor mit seinem
Kinde tobt unter'm Gemäuer. Die Gottlosen hatten wohl
schon lang dies; Grauen vorbereitet und iu ihrem Stolze solcher-
gestalt sich selbst den jähen Tod gegeben.
Ich komm' an's End'.
Das Annele überlebte den Balthes, den ich mit des Bischofs
Erlaubnis; ehrlich bestattete, nit lang. Bald nach jenen Tagen
kam ein Siechthum iu ihre Brust. In der Aue an der Ostrach,
am Fuß des Burgberges, liegt ein Friedhof rings um ein
Feldkirchlein. Da begrübt man Die, so auf der Burg starben.
Da haben wir das gute Annele zur ewigen Ruh' gebettet, drei
Jahr' nach selber schlimmen Zeit. Die Maid ist gottselig in
den Armen ihres Vaters, des Jägers, entschlafen. Zum Thal
herunter gab des Junkers Gemahlin dem Mägdlein das Grab-
gcleit. Wieder war die lustsame Sommerszeit. Die junge
Fluechensteinerin, so der Junker heimgeführt, hatte das kranke
Annele gar lieb gewonnen und auch der Tratzbergcr trauerte
von Herzen. Er hatt' seit jenen Schreckenstagen von mancher
bösen Art gelassen.
Der alte Göhl lebte noch einige Monde nach des Balthes'
Tod und starb reumüthig. Ihm Gott genad'.
Unser gnädigster Herr, der Bischof, verblieb den Hiude-
langern immerdar wohlgeneigt. Das Haus des Göhl, so durch
der Bauern Schadenfeuer arg gelitten, stellt' er wieder her und
wohnte drinnen noch in vier Sommern und pflog bei uns
des fröhlichen Gejaidcs. Obiit in paoe anno domini 1530.
Viel junge Leben sah ich vom Tode abgepflücket während
meiner Psarrführung. Vor Allen des Annele jammert mich.
Als ich das Mägdlein todt daliegen sah unter den Rosmariuen
und Gelbveigclein, da weint' ich, wie die Leut' ringsherum
all, so recht von Herzen. Aber wir getrösteten uns, weil sie
nun ein Engel ward. Getröste mich auch noch heut, daß des
Annele reine Seel' mit inständiger Fürbitt' dem armen Balthes
doch noch des Himmels Freuden wird errungen haben, denn
mehr in Jrrsal als in Bosheit lebt' und sündigt' und starb er.
Noch immer ist's nit besser worden mit den Bedrängten
und Armen im Reiche. Todt hat man sie geschlagen; iu
Thüringen den Münzer mit viel tausend Gesellen und in Schwaben
auch viel Tausend. Doch, was zum Kampf sie trieb, die
Noth, der Druck, das Unrecht, dauert noch bis heut. Und
dennoch hoff' ich: Einstmalen wird das Recht der Armen siegen.
Aber nicht durch Satan, der bei dem wilden Volk des Bund-
schuh hausete und Verderben säcte, sondern durch den barmherzigen
Gott, der das menschliche Geschlecht nur langsam seine wunder-
baren Wege führet. Amen!"
W c n tl!
Bettler (der ein Brillen-Futteral gefunden): „Da schau' —
wenn ich jetzt nur die Brille dazu hätt' und nicht gut sehen könnt'
— dann wär' mir geholfen!"
19*
her und schlug die Bauern auf dem Plan von Sonthofen völlig
aufs Haupt. —
YI. Was auf der Burg und auf dein Politterhose geschah, und
vom selige» Ende des Annele.
Auf der Burg waren der Bischof und sein Neffe von
den Bauern heftig bedrängt worden. Der Junker hat aber
die Burg tapfer gehalten. Den Hanns, der um der Miriam
willen den Tratzbcrger beharrlich aufs Korn nahm, den traf
des Junkers Kugel selber. Der Bursch stürzte todtgeschossen
kopfüber iu den Abgrund außer dem Wallgang, lind das
frech und ketzerisch Paar, der Doktor Pvlitter und seine Sproßiu,
die waren immerdar bei der Belagerung zugegen und feuerten
zum Sturme an. Der Junker hat mir's später selbst erzählt,
wie daß die Miriam mit einer Flinte des Öfteren auf ihn
gezielt, ihn aber nit erreicht.
Als die Bedrängniß am Höchsten, da ließen die in der
Burg Feuerzeichen steigen, ob ihnen aus dem Thale etwan
Hilfe würde. Und das war die Zeit, da die Tyroler kamen
und der Dorn den Balthes erschossen hatte. Nun eilte der
Dorn, dieweilen seine größere Macht den Bundschuh aus Hinde-
lang warf, mit der übrigen Mannschaft zur Burg hinan und
bracht' Entsatz. Da entkamen aber der Doktor Politter und
die Miriam noch durch den dicken Tann und erreichten das
Thal. Der Fürstbischof aber, wie die Bauern von der Burg
durch des Dorn Leute vertrieben waren, zog aus mit dem
Junker und hinüber zum Politterhof, um das schlimme Paar
zu fahnden. Es hatte dasselbe seinen Hof schon erreicht und
verschloß Thor und Thür. Ehe nun die Bischöflichen in's
Haus einbrachen, geschah ein Pulverschlag, der es aus seinen
Grundvesten cmporhob, und mit großer Flamm' und Rauchsäul'
flog alles iu die Luft. Schier wären Etliche der Unsrigen zu
Schaden gekommen, aber Gott verhütet' es. Und als man
später den Schutt weggeräumt, da lag der Doktor mit seinem
Kinde tobt unter'm Gemäuer. Die Gottlosen hatten wohl
schon lang dies; Grauen vorbereitet und iu ihrem Stolze solcher-
gestalt sich selbst den jähen Tod gegeben.
Ich komm' an's End'.
Das Annele überlebte den Balthes, den ich mit des Bischofs
Erlaubnis; ehrlich bestattete, nit lang. Bald nach jenen Tagen
kam ein Siechthum iu ihre Brust. In der Aue an der Ostrach,
am Fuß des Burgberges, liegt ein Friedhof rings um ein
Feldkirchlein. Da begrübt man Die, so auf der Burg starben.
Da haben wir das gute Annele zur ewigen Ruh' gebettet, drei
Jahr' nach selber schlimmen Zeit. Die Maid ist gottselig in
den Armen ihres Vaters, des Jägers, entschlafen. Zum Thal
herunter gab des Junkers Gemahlin dem Mägdlein das Grab-
gcleit. Wieder war die lustsame Sommerszeit. Die junge
Fluechensteinerin, so der Junker heimgeführt, hatte das kranke
Annele gar lieb gewonnen und auch der Tratzbergcr trauerte
von Herzen. Er hatt' seit jenen Schreckenstagen von mancher
bösen Art gelassen.
Der alte Göhl lebte noch einige Monde nach des Balthes'
Tod und starb reumüthig. Ihm Gott genad'.
Unser gnädigster Herr, der Bischof, verblieb den Hiude-
langern immerdar wohlgeneigt. Das Haus des Göhl, so durch
der Bauern Schadenfeuer arg gelitten, stellt' er wieder her und
wohnte drinnen noch in vier Sommern und pflog bei uns
des fröhlichen Gejaidcs. Obiit in paoe anno domini 1530.
Viel junge Leben sah ich vom Tode abgepflücket während
meiner Psarrführung. Vor Allen des Annele jammert mich.
Als ich das Mägdlein todt daliegen sah unter den Rosmariuen
und Gelbveigclein, da weint' ich, wie die Leut' ringsherum
all, so recht von Herzen. Aber wir getrösteten uns, weil sie
nun ein Engel ward. Getröste mich auch noch heut, daß des
Annele reine Seel' mit inständiger Fürbitt' dem armen Balthes
doch noch des Himmels Freuden wird errungen haben, denn
mehr in Jrrsal als in Bosheit lebt' und sündigt' und starb er.
Noch immer ist's nit besser worden mit den Bedrängten
und Armen im Reiche. Todt hat man sie geschlagen; iu
Thüringen den Münzer mit viel tausend Gesellen und in Schwaben
auch viel Tausend. Doch, was zum Kampf sie trieb, die
Noth, der Druck, das Unrecht, dauert noch bis heut. Und
dennoch hoff' ich: Einstmalen wird das Recht der Armen siegen.
Aber nicht durch Satan, der bei dem wilden Volk des Bund-
schuh hausete und Verderben säcte, sondern durch den barmherzigen
Gott, der das menschliche Geschlecht nur langsam seine wunder-
baren Wege führet. Amen!"
W c n tl!
Bettler (der ein Brillen-Futteral gefunden): „Da schau' —
wenn ich jetzt nur die Brille dazu hätt' und nicht gut sehen könnt'
— dann wär' mir geholfen!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1998, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg