10 Bhyr.
wünschen Sic diese, so werde ich sie Ihne» hinstellen taffen." !
„'Also meinetwegen", sagte der Gast, ein junger blondhaariger j
und blauäugiger Officier mit einem netten Erstlingsschnurr-
bärtchcn. Der kleine, dralle Officier war offenbar kein persischer
Krieger, denn er trug nicht das allgemeine persische Truppen- j
üb,Zeichen der dreifachen Kegclkrone; auch waren blond- ^
haarige Männer in Babylon die größte Seltenheit. Unterdessen
hatten zwei jüdische Knaben, welche als Zeitungsrücker sun-
girtcn, und nebenbei mit den Gästen einen kleinen Hausir-
handcl in Haar- und Bartbürsten, Salbenflüschchen ec. trieben,
den Zeitungsständer vor den Gast getragen. Der Zeitungs-
ständer war eine Säule, auf drei Füßen ruhend und eine riesige
drehbare Gabel tragend, in welcher die virea I lHm große Thon-
tafel ruhte. Der junge Frenide that noch einen Zug aus
seiner Weinschale und schickte sich eben an, die schwarzen Keil-
schristzcichen auf der lichtbraun gebrannten Zeitungstafcl zu lesen,
als ein Officier von der Leibwache des Königs cintrat. Gegen
die erlesenen Tausend von den Zehntausend der Unsterblichen
war Jeder doppelt höflich, vollends gegen die Osficicre dieser
Leibwache, weßhalb denn der Kellner sein tiefstes babylonisches
Compliment machte und nach dem Begehr des Herrn Lieutenants
fragte. „Ist die heutige Morgennummcr der „Babylonischen
Allgemeinen" noch da?" „O ja, zu dienen, Herr Garde-
lieutenant; die eine Seite liest zwar ein fremder Officier, aber
die andere Seite ist noch frei. Soll ich einen Sessel hinzu-
rücken?" „Ja, und stelle mir eine Doppelschale Rothen auf
den Ständer." Dabei trat der Gekommene zur Zeitung und
begrüßte den fremden Kameraden. Dieser dankte und stellte
sich vor: „Lieutenant Bhyr, Mitglied der Masjageten-Gesandt-
schaft." „Ah, freut mich", sagte der Andere. Ich bin Lieutenant
Dakid von der königlichen Leibwache." Und dabei zog er aus
einem Beutel an seinem prachtvollen Gürtel ein Thontäfelchen,
nämlich eine babylonische Visitkarte, ans ivelcher in weißer
Schrift auf violettem Glasurgrunde Name und Stand in Keil-
schrift zu lesen ivar. Bhyr dankte. „Nun, ivas finden Sie
in der Zeitung Neues?" fragte Dakid. „Nicht viel, ich lese
die Keilschrift noch sehr schlecht, sie ivcicht zu sehr von unseren
Runen ab. Ich habe eben mit Mühe die ersten Zeilen eines
Gedichtes im Feuilleton zusammenbuchstabirt." „Meines Ge-
dichtes", sagte leise, aber mit vergnügtem Lächeln Dakid
und fuhr laut fort: „Wenn Sie erlauben, so lese ich Ihnen
die Kleinigkeit vor." „Na, ich habe für Liebesgedichte sonst
gerade keine besondere Vorliebe; aber immerhin, ich kann ja
auch von der babylonischen Lyrik etwas profitiren."
Dakid lächelte abermals und las:
„Leise zicht's durch mein Gemiith; —
Laß mich, o Jstar,*) lauschen —
„Pflücke die Rose, eh' sie verblüht!"
Hör-' ich's vom Euphrat rauschen.
Das Basier rauscht, das Basier schwoll
Empor am Thurm des Bal:
Es wird das Herz so unruhvoll
Der Tochter des Gandaral.
Die babylonische Liebesgöttin.
Ich kann den Blick nicht von Euch wenden.
Und greise traurig nach der Leier
Hier im Garten der Semiramis mit bange» Händen,
Schweigend in der Abenddämmcning Schleier.
Mein Herz, ich will dich fragen:
Was blasen die Trompeten „Leibgarde heraus?"
Ach Bal, erhör mein Klagen:
Bring in des Liebsten Harem bald mich auS de?
BatcrS HanS.
„Nun, gefällt Ihnen das Gedicht?" fragte Dakid, nach-
dem er geendigt, den jungen Fremden.
„Hm, es muthet mich so bekannt an, es sind geradezu
classische Züge in der Dichtung."
„O, sehr schmeichelhaft", sagte Dakid, sich verneigend. „Ich
bin nämlich der Verfasser des kleinen Gedichtes."
„Ach, was Sic sagen, der Verfasser! Nun ja. Sie haben
die Gedanken wirklich recht passend zusainmengefaßt. Zielt !
das Ganze nach einem ivirklichen Herzen, oder ist cs nur so... j
wie sagt man doch aus babylonisch „Fixe Idee"?"
„Meinen Sie vielleicht Ideal?"
„Ja, ja, ich meine, ob Ihr Gedicht nur ein Ideal besingt?" j
„Nein Kamerad, mein Gedicht ist sehr real. Ich liebe; j
aber, wie es Lieutenants häufig geht, nicht ohne Hindernisse." !
„Hm, will der Alte nicht mit der Caution herausrücken?" !
„Warum nicht gar, Kamerad. Bei uns Persern verlangt
niemand eine Caution. Der König läßt jeden Officier für j
seinen Harem nach Belieben sorgen. Aber der alte Gandaral,
der Oberpriestcr des Bel und nebenbei Vater meiner reizenden
Thvasa, will nur einem der obersten Hosbeamten, der seinem
eigenen Range als Archimobed nahe kommt, seine Tochter zur
Frau geben. Der König Kurus selber ist mir zwar wohl-
gesinnt, aber ehe er unter den mehr als tausend Hosbeamten
und ebensovielen Lcibgardeofficieren mich einmal ivieder bemerkt,
vergehen immer einige Wochen. Ja, könnte ich dem Könige
seinen geheimen Herzenswunsch erfüllen, den er das
letztem«! in meiner Gegenwart äußerte, dann tväre mir gleich
geholfen."
„Was ist das für ein Wunsch, wenn ich fragen darf, Herr '
Lieutenant?"
„Ach Gott, ein eigenartiger Wunsch! Sie kennen doch die
vielen Darstellungen babylonischer Fürsten hier, nämlich in den
Königs-Palästen?"
„Ja, ich kenne sic. Die babylonischen Könige sind lauter
kleine, untersetzte, etwas beleibte Gestalten — so wie ich?"
„Ja, wie Sie, iverthester Herr Bhyr. Ach, und Kurus
ist seit dem vielen Ärger mit de» Balspriestern Ivegen seines
Freunde» Daniel ganz mager geworden und nun fürchtet
der König bei den Babyloniern unpopulär zu iverden, lvenn
er als magere Königsgestalt erscheint."
„Ja, ja, er sah mich auch bei unserer letzten Audienz fast
neidisch an, und fragte mich: „Was machen Sie nur, lieber
! Bhyr, daß Sie so jung schon so dick werden?"
„Ja, könnte ich dem Könige ein Mittel angcben, ich avan- j
| eitle gewiß zwei bis drei Chargen außer der Tour, und dem :
| Gandaral würde Kurus auch schon ein ernstes Wort sagen." !
wünschen Sic diese, so werde ich sie Ihne» hinstellen taffen." !
„'Also meinetwegen", sagte der Gast, ein junger blondhaariger j
und blauäugiger Officier mit einem netten Erstlingsschnurr-
bärtchcn. Der kleine, dralle Officier war offenbar kein persischer
Krieger, denn er trug nicht das allgemeine persische Truppen- j
üb,Zeichen der dreifachen Kegclkrone; auch waren blond- ^
haarige Männer in Babylon die größte Seltenheit. Unterdessen
hatten zwei jüdische Knaben, welche als Zeitungsrücker sun-
girtcn, und nebenbei mit den Gästen einen kleinen Hausir-
handcl in Haar- und Bartbürsten, Salbenflüschchen ec. trieben,
den Zeitungsständer vor den Gast getragen. Der Zeitungs-
ständer war eine Säule, auf drei Füßen ruhend und eine riesige
drehbare Gabel tragend, in welcher die virea I lHm große Thon-
tafel ruhte. Der junge Frenide that noch einen Zug aus
seiner Weinschale und schickte sich eben an, die schwarzen Keil-
schristzcichen auf der lichtbraun gebrannten Zeitungstafcl zu lesen,
als ein Officier von der Leibwache des Königs cintrat. Gegen
die erlesenen Tausend von den Zehntausend der Unsterblichen
war Jeder doppelt höflich, vollends gegen die Osficicre dieser
Leibwache, weßhalb denn der Kellner sein tiefstes babylonisches
Compliment machte und nach dem Begehr des Herrn Lieutenants
fragte. „Ist die heutige Morgennummcr der „Babylonischen
Allgemeinen" noch da?" „O ja, zu dienen, Herr Garde-
lieutenant; die eine Seite liest zwar ein fremder Officier, aber
die andere Seite ist noch frei. Soll ich einen Sessel hinzu-
rücken?" „Ja, und stelle mir eine Doppelschale Rothen auf
den Ständer." Dabei trat der Gekommene zur Zeitung und
begrüßte den fremden Kameraden. Dieser dankte und stellte
sich vor: „Lieutenant Bhyr, Mitglied der Masjageten-Gesandt-
schaft." „Ah, freut mich", sagte der Andere. Ich bin Lieutenant
Dakid von der königlichen Leibwache." Und dabei zog er aus
einem Beutel an seinem prachtvollen Gürtel ein Thontäfelchen,
nämlich eine babylonische Visitkarte, ans ivelcher in weißer
Schrift auf violettem Glasurgrunde Name und Stand in Keil-
schrift zu lesen ivar. Bhyr dankte. „Nun, ivas finden Sie
in der Zeitung Neues?" fragte Dakid. „Nicht viel, ich lese
die Keilschrift noch sehr schlecht, sie ivcicht zu sehr von unseren
Runen ab. Ich habe eben mit Mühe die ersten Zeilen eines
Gedichtes im Feuilleton zusammenbuchstabirt." „Meines Ge-
dichtes", sagte leise, aber mit vergnügtem Lächeln Dakid
und fuhr laut fort: „Wenn Sie erlauben, so lese ich Ihnen
die Kleinigkeit vor." „Na, ich habe für Liebesgedichte sonst
gerade keine besondere Vorliebe; aber immerhin, ich kann ja
auch von der babylonischen Lyrik etwas profitiren."
Dakid lächelte abermals und las:
„Leise zicht's durch mein Gemiith; —
Laß mich, o Jstar,*) lauschen —
„Pflücke die Rose, eh' sie verblüht!"
Hör-' ich's vom Euphrat rauschen.
Das Basier rauscht, das Basier schwoll
Empor am Thurm des Bal:
Es wird das Herz so unruhvoll
Der Tochter des Gandaral.
Die babylonische Liebesgöttin.
Ich kann den Blick nicht von Euch wenden.
Und greise traurig nach der Leier
Hier im Garten der Semiramis mit bange» Händen,
Schweigend in der Abenddämmcning Schleier.
Mein Herz, ich will dich fragen:
Was blasen die Trompeten „Leibgarde heraus?"
Ach Bal, erhör mein Klagen:
Bring in des Liebsten Harem bald mich auS de?
BatcrS HanS.
„Nun, gefällt Ihnen das Gedicht?" fragte Dakid, nach-
dem er geendigt, den jungen Fremden.
„Hm, es muthet mich so bekannt an, es sind geradezu
classische Züge in der Dichtung."
„O, sehr schmeichelhaft", sagte Dakid, sich verneigend. „Ich
bin nämlich der Verfasser des kleinen Gedichtes."
„Ach, was Sic sagen, der Verfasser! Nun ja. Sie haben
die Gedanken wirklich recht passend zusainmengefaßt. Zielt !
das Ganze nach einem ivirklichen Herzen, oder ist cs nur so... j
wie sagt man doch aus babylonisch „Fixe Idee"?"
„Meinen Sie vielleicht Ideal?"
„Ja, ja, ich meine, ob Ihr Gedicht nur ein Ideal besingt?" j
„Nein Kamerad, mein Gedicht ist sehr real. Ich liebe; j
aber, wie es Lieutenants häufig geht, nicht ohne Hindernisse." !
„Hm, will der Alte nicht mit der Caution herausrücken?" !
„Warum nicht gar, Kamerad. Bei uns Persern verlangt
niemand eine Caution. Der König läßt jeden Officier für j
seinen Harem nach Belieben sorgen. Aber der alte Gandaral,
der Oberpriestcr des Bel und nebenbei Vater meiner reizenden
Thvasa, will nur einem der obersten Hosbeamten, der seinem
eigenen Range als Archimobed nahe kommt, seine Tochter zur
Frau geben. Der König Kurus selber ist mir zwar wohl-
gesinnt, aber ehe er unter den mehr als tausend Hosbeamten
und ebensovielen Lcibgardeofficieren mich einmal ivieder bemerkt,
vergehen immer einige Wochen. Ja, könnte ich dem Könige
seinen geheimen Herzenswunsch erfüllen, den er das
letztem«! in meiner Gegenwart äußerte, dann tväre mir gleich
geholfen."
„Was ist das für ein Wunsch, wenn ich fragen darf, Herr '
Lieutenant?"
„Ach Gott, ein eigenartiger Wunsch! Sie kennen doch die
vielen Darstellungen babylonischer Fürsten hier, nämlich in den
Königs-Palästen?"
„Ja, ich kenne sic. Die babylonischen Könige sind lauter
kleine, untersetzte, etwas beleibte Gestalten — so wie ich?"
„Ja, wie Sie, iverthester Herr Bhyr. Ach, und Kurus
ist seit dem vielen Ärger mit de» Balspriestern Ivegen seines
Freunde» Daniel ganz mager geworden und nun fürchtet
der König bei den Babyloniern unpopulär zu iverden, lvenn
er als magere Königsgestalt erscheint."
„Ja, ja, er sah mich auch bei unserer letzten Audienz fast
neidisch an, und fragte mich: „Was machen Sie nur, lieber
! Bhyr, daß Sie so jung schon so dick werden?"
„Ja, könnte ich dem Könige ein Mittel angcben, ich avan- j
| eitle gewiß zwei bis drei Chargen außer der Tour, und dem :
| Gandaral würde Kurus auch schon ein ernstes Wort sagen." !