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Der Dichter und die Muse.

haßt er alles Trinkbare, wenn es nicht Wasser ist,
und doch verliebt er sich rasend in jenes Weib in
einem Augenblicke, da es gerade besonders geistreich,
feurig und entzückend war. Und sie erwiedert seine
glühende Liebe noch glühender. Was sagen Sie zu
dem Conflikt — wie?" —

Die Muse hatte ihren Kopf in die Hände gestützt
und wimmerte leise vor sich hin: „Gräßlich! Gräß-
lich!" — Nicht wahr? Ein geradezu gräßlicher
Conflikt! Weiter. Die Beiden heirathen sich, und der
Mann entdeckt in einer höchst packenden Scene das
schreckliche Schnapsgeheimniß und will sein Weib nun
zur Nüchternheit bekehren. Sie aber will ihn zum
Trinken verführen, und nun beginnt ein fürchterlicher
dreiactiger Kampf." —

„Ach, mein Kopf, mein Kopf!" jammerte die
Muse, — „ich halt's nicht mehr aus. Laufen Sie
doch nicht so im Zimmer umher; Sie machen mich
wahnsinnig!" — „Gut, ich laufe ja nicht mehr im
Zimmer umher. Aber gerade in diesem fürchterlichen
Kampfe zwischen Mann und Weib müssen Sie mir
helfen, Frau Muse. Da müssen hundert feine charak-
teristische und realistische Züge ersonnen werden. Da
muß den Klugen und den Dummen was zu tifteln
und zu deuteln geboten werden. I, gerade dieses
Schnapswerk soll von einer entsetzlichen Originellität
werden, wenn Sie mir nur beistehen wollen, Frau
Muse." —

„Soll ich denn wirklich dazu verdammt sein,
den Männern die Weiber verekeln zu helfen! . . .
Halten Sie doch die Hände still, — ich bin so fürchter-
lich nervös!" — „Ich halte ja schon die Hände still.
Also der großartige Kampf zwischen Mann und Weib
endigt mit einer geradezu unheimlich genialen Kata-
strophe. Ich bitte, geben Sie Acht! Nachdem meine
Heldin sich bisher vergeblich bemüht, ihren Gatten zum
Trinken zu bewegen, macht sie jetzt einen letzten
Phänomenalen Versuch. Sie war reich; sie wirft ihren
Reichthum von sich und ist arm. Das Ehepaar zieht
in eine kleine ärmliche Wohnung, und meine Heldin
übernimmt selbst die Küche. Nun thut sie an alle
Speisen, bei denen es irgend möglich ist, — Schnaps.
Erst ganz wenig, und dann allmählich immer etwas
mehr. An einer piquanten Kalbsbratensauce ißt sich
der Unglückliche den ersten Rausch! Er — ißt sich den
ersten Rausch! Ha, das muß packen!" —

Die Muse war im Sessel zurückgesunken und
hatte die Augen geschlossen; sie stöhnte leise auf. —
Der Dichter trat dicht vor sie und fuhr mit erhobener
Stimme fort: „Nun aber hat auch der Mann be-
griffen, was ihm geschehen ist. Er schwört fürchter-
liche Rache. Heimlich verdünnt er den Schnaps in
der Flasche seines Weibes mit Wasser. Erst ganz
wenig, und dann allmählich immer etwas mehr. Die
Heldin fühlt sich immer unglücklicher und elender, —
fte weiß nicht, was ihr ist. Da Plötzlich in einer der
wirkungsvollsten Scenen, die je über die Bühne ge-
gangen, entdeckt sie Alles. Wüthende Raserei über-
fällt sie, — sie ergreift die noch halb gefüllte Schnaps-
liasche und schmettert sie dem Gatten auf den Schädel,

daß er tobt zusammenbricht. — „Aber hören Sie denn auch, Frau Muse?" —
Die Muse lag wie leblos im Sessel hingestreckt. Der berühmte Dichter er-
griff ihre Hände und schüttelte sie kräftig. Aber es nützte ihm nichts. „Zum
Donnerwetter," rief er zornig, „die Muse ist ohnmächtig, — na, dann muß
es ohne sie auch gehen!"-- Äld-rt «»derich.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der glücklich überstandene Schrecken"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinicke, Emil
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 95.1891, Nr. 2420, S. 207

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