gemalter Kreis umfährt knapp über den Spitzen der Gurtbögen die Domikalgewölbe,
sonst bleiben die Kappen frei94). Das hier entwickelte System erlebte, angereichert
durch Ornamentfriese, nach 1250 in Westfalen, dann auch in Niedersachsen (etwa in
der evangelischen Pfarrkirche von Melle-Oldendorf/Osnabrück)95) eine jahrzehnte-
lange Nachfolge96). Allerdings wird das spartanisch verknappte Marienfelder System
so großartig adaptiert, daß für Fedderwarden - auch ausgehend von seinem kompli-
zierten figuralen Programm - planend ein gründlich geschulter und bewanderter
Künstler angenommen werden darf. Daß dieser ein Zisterziensermönch gewesen sein
könnte, legen auch die im folgenden herauszuarbeitenden künstlerischen Bezüge
nahe. Dabei gilt es allerdings zu beachten, daß die mannigfaltigen Anregungen, die Zi-
sterzienser auf künstlerischem Gebiet in Deutschland vermittelt haben, in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts bereits in den allgemeinen Formenschatz übergegangen
waren. Die neben anderen Einflüssen erkennbare Abhängigkeit der 1230/35 vollende-
98, 99 ten Benediktinerinnen-Klosterkirche auf dem Gertrudenberg in Osnabrück vom
Neubau der Zisterzienserkirche Marienfeld (Konsolenbündel) kann dieses beispiel-
haft verdeutlichen.
Es ist nicht zu verkennen, daß sich in dem überaus heterogenen Formenschatz des
Fedderwardener Dekorationssystems verschiedenste Einflüsse überlagern, was in
dem durch Seefahrt und Handelsbeziehungen nach außen offenen, künstlerisch pro-
vinziellen Gebiet keineswegs verwunderlich ist. Da sich allerdings gerade die Orna-
mentik des 12. und 13. Jahrhunderts als in besonderer Weise internationalisiert dar-
stellt - als eine „lingua franca“ sozusagen97) -, fällt es ganz besonders schwer, die
Herkunft einzelner Formen zu bestimmen. Sie wurden auch nicht neu erfunden, son-
dern mittelmeerischen und - vor allem in der Zeit der Kreuzzüge - auch orientalischen
Kunstwerken entlehnt. Jahrhunderte waren an ihrer endgültigen Ausformung betei-
ligt98).
Dabei müssen gemaltes und plastisch ausgearbeitetes Ornament als einheitlich entwik-
kelt angesehen werden. Man darf nicht vergessen, daß die Zeitgenossen ihre Bauwerke
ganz anders vor Augen hatten99). Bezeichnungen wie die der „Goldenen Pforte“ des
Freiberger Domes geben Aufschluß über verlorene Farbfassungen, über deren Einzel-
heiten - dort Gold für die plastisch erhabenen Teile, Rot für die Rücklagen100) - nur
noch stereomikroskopische Untersuchungen bzw. chemische Analysen genauere
Aussagen vermitteln. Für sie erschien der natürliche Baustoff mit Hilfe der Farbe um-
gestaltet und auf eine höhere Stufe der Natur gehoben; für sie machte es daher keinen
wesentlichen Unterschied, ob ein Ornament körperlich ausgearbeitet oder gemalt ver-
gegenwärtigt wurde. Eine Materie an sich war um so schöner, je farbiger und leuch-
tender sie war101); man denke an die Fedderwardener Polychromie! Dasselbe galt für
Bauglieder, die - wie etwa Gewölberippen - durchaus mit Farbe imitiert werden
konnten.
Auch in Fedderwarden findet sich eine solche malerische Darstellung bzw. Interpreta-
tion konstruktiver Bauelemente, und zwar in der Abkragung der Gewölbe: Die Gurte
und Begleitrippen werden durch eine Konsolkonstruktion mit Kapitell aufgefangen.
7, 8 Dabei sind die sparsam behauenen, wie oben ausgeführt auf Bemalung angelegten Ka-
11-13 pitelle, die die Gurte und ihre flankierenden Rundstäbe auffangen, mit malerischen
22 Mitteln zu einem komplizierten Gebilde angereichert. Rechts und links setzen nun
oberhalb der verkröpften rundplastischen Kämpfer jeweils zwei gemalte Konsolen an,
die die Scheidbögen, Rippen und deren Begleitfriese „tragen“. Dieses Einzelmotiv
könnte den Stütz- und Gewölbesystemen der Zisterzienser entnommen sein, für die
derartige Abkragungen bekanntlich typisch sind102). Es erzeugt in Fedderwarden ein
reich gestaffeltes Bild, das denn auch an Konsolenbündel im Maulbronner Kreuzgang
erinnert, deren Gurtkämpfer tiefer gerückt sind als die der Rippen, aber auch an die
98 Konsolenabkragungen in der westfälischen Klosterkirche Marienfeld.
Man muß bedenken, daß der friesische Raum - zumindest für das 13. Jahrhundert -
wohl nicht als Landschaft mit einer ausgeprägt bodenständigen Kunst bezeichnet wer-
den kann und die Zisterzienserklöster, vor allem Maulbronn, Ebrach, Walkenried und
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sonst bleiben die Kappen frei94). Das hier entwickelte System erlebte, angereichert
durch Ornamentfriese, nach 1250 in Westfalen, dann auch in Niedersachsen (etwa in
der evangelischen Pfarrkirche von Melle-Oldendorf/Osnabrück)95) eine jahrzehnte-
lange Nachfolge96). Allerdings wird das spartanisch verknappte Marienfelder System
so großartig adaptiert, daß für Fedderwarden - auch ausgehend von seinem kompli-
zierten figuralen Programm - planend ein gründlich geschulter und bewanderter
Künstler angenommen werden darf. Daß dieser ein Zisterziensermönch gewesen sein
könnte, legen auch die im folgenden herauszuarbeitenden künstlerischen Bezüge
nahe. Dabei gilt es allerdings zu beachten, daß die mannigfaltigen Anregungen, die Zi-
sterzienser auf künstlerischem Gebiet in Deutschland vermittelt haben, in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts bereits in den allgemeinen Formenschatz übergegangen
waren. Die neben anderen Einflüssen erkennbare Abhängigkeit der 1230/35 vollende-
98, 99 ten Benediktinerinnen-Klosterkirche auf dem Gertrudenberg in Osnabrück vom
Neubau der Zisterzienserkirche Marienfeld (Konsolenbündel) kann dieses beispiel-
haft verdeutlichen.
Es ist nicht zu verkennen, daß sich in dem überaus heterogenen Formenschatz des
Fedderwardener Dekorationssystems verschiedenste Einflüsse überlagern, was in
dem durch Seefahrt und Handelsbeziehungen nach außen offenen, künstlerisch pro-
vinziellen Gebiet keineswegs verwunderlich ist. Da sich allerdings gerade die Orna-
mentik des 12. und 13. Jahrhunderts als in besonderer Weise internationalisiert dar-
stellt - als eine „lingua franca“ sozusagen97) -, fällt es ganz besonders schwer, die
Herkunft einzelner Formen zu bestimmen. Sie wurden auch nicht neu erfunden, son-
dern mittelmeerischen und - vor allem in der Zeit der Kreuzzüge - auch orientalischen
Kunstwerken entlehnt. Jahrhunderte waren an ihrer endgültigen Ausformung betei-
ligt98).
Dabei müssen gemaltes und plastisch ausgearbeitetes Ornament als einheitlich entwik-
kelt angesehen werden. Man darf nicht vergessen, daß die Zeitgenossen ihre Bauwerke
ganz anders vor Augen hatten99). Bezeichnungen wie die der „Goldenen Pforte“ des
Freiberger Domes geben Aufschluß über verlorene Farbfassungen, über deren Einzel-
heiten - dort Gold für die plastisch erhabenen Teile, Rot für die Rücklagen100) - nur
noch stereomikroskopische Untersuchungen bzw. chemische Analysen genauere
Aussagen vermitteln. Für sie erschien der natürliche Baustoff mit Hilfe der Farbe um-
gestaltet und auf eine höhere Stufe der Natur gehoben; für sie machte es daher keinen
wesentlichen Unterschied, ob ein Ornament körperlich ausgearbeitet oder gemalt ver-
gegenwärtigt wurde. Eine Materie an sich war um so schöner, je farbiger und leuch-
tender sie war101); man denke an die Fedderwardener Polychromie! Dasselbe galt für
Bauglieder, die - wie etwa Gewölberippen - durchaus mit Farbe imitiert werden
konnten.
Auch in Fedderwarden findet sich eine solche malerische Darstellung bzw. Interpreta-
tion konstruktiver Bauelemente, und zwar in der Abkragung der Gewölbe: Die Gurte
und Begleitrippen werden durch eine Konsolkonstruktion mit Kapitell aufgefangen.
7, 8 Dabei sind die sparsam behauenen, wie oben ausgeführt auf Bemalung angelegten Ka-
11-13 pitelle, die die Gurte und ihre flankierenden Rundstäbe auffangen, mit malerischen
22 Mitteln zu einem komplizierten Gebilde angereichert. Rechts und links setzen nun
oberhalb der verkröpften rundplastischen Kämpfer jeweils zwei gemalte Konsolen an,
die die Scheidbögen, Rippen und deren Begleitfriese „tragen“. Dieses Einzelmotiv
könnte den Stütz- und Gewölbesystemen der Zisterzienser entnommen sein, für die
derartige Abkragungen bekanntlich typisch sind102). Es erzeugt in Fedderwarden ein
reich gestaffeltes Bild, das denn auch an Konsolenbündel im Maulbronner Kreuzgang
erinnert, deren Gurtkämpfer tiefer gerückt sind als die der Rippen, aber auch an die
98 Konsolenabkragungen in der westfälischen Klosterkirche Marienfeld.
Man muß bedenken, daß der friesische Raum - zumindest für das 13. Jahrhundert -
wohl nicht als Landschaft mit einer ausgeprägt bodenständigen Kunst bezeichnet wer-
den kann und die Zisterzienserklöster, vor allem Maulbronn, Ebrach, Walkenried und
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