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harte Faltengebung und voluminöse Breitfaltigkeit, ansonsten sind die Skulpturen,
vor allem die Nordener, in enger Anlehnung an den Formenschatz des gotischen Zeit-
stils entschieden fortschrittlicher und eleganter durchgebildet.
Anders bei der bereits erwähnten Apsisausmalung in der Kirche zu Krummhörn-Eil-
161, 162 sum (Aurich), die neben den Fedderwarder Gewölbemalereien als einziges figürliches
Ausmalungsprogramm des 13. Jahrhunderts in Ostfriesland erhalten geblieben ist218).
Obgleich das qualitätvolle Werk, eine Majestas Domini, noch ganz im Banne des ner-
vösen Zackenstils steht, sind an den 12 Aposteln der Erdgeschoßzone trotz der unter-
schiedlichen Gewandbehandlung wesensverwandte Stilelemente mit Fedderwarden
unverkennbar, und zwar in der Ausbildung der Schädel und Hände, der Haar- und
Barttracht sowie der Gesichtszüge. Allerdings sind an diesem Kunstwerk wegen des
lückenhaften und schlechten Erhaltungszustandes nur noch wenige Einzelheiten mit
Sicherheit auszumachen.

Die Kirchenausstattung nach der Reformation
Von der mittelalterlichen Einrichtung und ihren Ausstattungsgegenständen ist in der
Fedderwarder St. Stephanskirche nichts mehr erhalten geblieben. Wie in nahezu allen
ostfriesischen Kirchen dürften sie den Bilderstürmern des Reformationszeitalters zum
Opfer gefallen sein. Über diese Zeit liegen für das Kirchspiel Fedderwarden freilich
nur ganz allgemeine Angaben vor. Aus den Schriftquellen geht hervor, daß es bis zum
Jahre 1630 der kalvinistischen Lehre angehörte219), die alle liturgischen Kunstwerke
sowie die Orgelmusik „als des Papstthums Greuel und Abgötterei“ und des „Teufels
Wind- und Pfeifenstuhl“ schroff ablehnte220). Vermutlich wurde während dieser Pe-
riode des allgemeinen religiösen und bewußtseinsmäßigen Umbruchs auch das chri-
stologische Ausmalungsprogramm übertüncht und damit den Blicken der Gläubigen
entzogen, denn das älteste - bereits von einem lutherischen Prediger geführte - Patri-
monialbuch von 1639, das unter anderem eine genaue Beschreibung der Inneneinrich-
tung enthält, weiß von Wandmalereien nichts mehr zu berichten.
Seit 1641 wurde das während der kalvinistischen Übergangszeit baulich offenbar ver-
nachlässigte und im Inneren sicherlich recht einfach eingerichtete Gotteshaus unter
großen Kosten einer Grundinstandsetzung unterzogen, mit „guten Manneß und
Frauwen Stülen“ (1641) versehen, zu einem protestantischen Predigtraum ausgebaut
und nach und nach mit den wichtigsten Ausstattungsstücken bereichert. Doch lassen
wir die Patrimonialbücher von 1639 und 1802 dazu auszugsweise selbst berichten:
„Mitten durch die Kirche bis ans Chor geht ein breiter Gang, zu dessen beiden Seiten
gleich gebauete, blau angemalte, Bänke mit Zwischenscheidungen von Brettern, mit
Traljen und mit Türen sind. Durch die neue Kirche (im Barock als Flügelbau ergänzt)
führt ein Gang zwischen gleichen, doch nicht so langen, Bänken wie in der großen Kir-
che, mit Ausnahme eines bedeckten Stuhls zur rechten und zur linken Seite am Ein-
gänge in die neue Kirche. Auf das Chor tritt man auf 2 niedrigen Stufen, hat zur Rechten
den offenen Vorsänger-Stuhl und hinter diesem 2 herrschaftliche Stühle, zur Linken
auch 2 Stühle, wovon der hintere der Predigerstuhl ist, und weiter hin an beiden Seiten
der Mauer einen Stuhl für Communicanten. Auch diese Stühle sind den übrigen in der
Kirche gleich. Alle diese Stühle wurden 1786 verbessert, alle gleich gemacht und hell-
blau gefärbt, da vorher einige höhere Traljen hatten und ungleich gefärbt waren.
An der ganzen Südseite bis an den Bogen in die neue Kirche ist eine auf 4 hölzernen
Pfeilern ruhende Emporkirche oder Priechel, welche 1714 erbauet und 1744 rund
umher in kleinen Feldern mit biblischen Geschichten bemalet ist. In gleicher Höhe mit
dieser Priechel ist eine andere an der ganzen westlichen Mauer, welche auf 2 hölzernen
Pfeilern ruhet, 3 lange Bänke ohne Türen hat, und vorn braun bemalet ist. Von Erbau-
ung dieser Priechel findet sich keine Nachricht, gewiß ist sie aber weit älter als die im
Süden; ist wenigstens schon 1639 gewesen. In der Ecke zwischen beiden Priecheln

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