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cus in Berghausen/Hochsauerlandkreis (uml22O)210) kennzeichnen, hier allerdings
besonders augenfällig und noch stärker an die figürliche Ausmalung in Fedderwarden
erinnernd. Bei den Köpfen und den Händen, aber auch in der Gestik - so zum Beispiel
in der Szene „Aarons grünender Stab“ - sind die stilistischen Gemeinsamkeiten ganz
offensichtlich. Auch der Figurentypus, der raumgreifende Schritt, die Art der Klei-
dung sowie die Draperie der Gewänder: „die Linie fließt nicht mehr; sie wird span-
nungsvoll, gräbt sich tief in die Gewänder, umzieht die Gestalten heftig und groß“211)
lassen sich ohne Zwang miteinander vergleichen. Weitgehende Übereinstimmungen
mit jenen Stilmerkmalen (Figurentypus, Art und Draperie der Kleidung, Haar- und
Barttracht, Schädelform und Gesichtszüge) verbinden die figürlichen Malereien in
Fedderwarden ferner mit den Wandmalereien der Pfarrkirche in Neuenbeken/Pader-
born (uml230)212) sowie in Kirchbrak (Anfang des 13. Jahrhunderts)213). Dagegen
muß die Weltgerichtsdarstellung in der Kirche von Brechten/Dortmund (um 1260), 153
ein „Werk des Übergangsstiles“, in dem sich „herkömmliche Formensprache und
neue ikonographische Züge der beginnenden Gotik mischen“214), trotz überraschen-
der ikonographischer Parallelen und der ähnlichen Bewegtheit der Figuren im Ver-
gleich zu den Fedderwarder Gewölbebildern in nahezu allen Belangen stilistisch als
reifere Schöpfung bezeichnet werden.
Die Baugeschichte der Fedderwarder St. Stephanskirche läßt vermuten, daß der Ein-
fluß der westfälischen Vergleichsbeispiele wohl erst mit einem Zeitverschub von 30 bis
50 Jahren (also etwa um 1280) wirksam werden konnte, was sicherlich auf die konser-
vativ-retardierende Grundeinstellung des möglicherweise einheimischen Werkstatt-
leiters zurückzuführen ist. Kulturgeographische Gründe lassen sich für diesen Vor-
gang jedenfalls nicht ausmachen. Die überlieferten schriftlichen und gegenständlichen
Belege bezeugen nämlich in eindrucksvoller Weise, daß der ostfriesische Bereich zu
dieser Zeit keineswegs ein Gebiet wirtschaftlicher und kultureller Abgeschiedenheit,
wohl aber eine Region mit einer ausgeprägten Sonderungshaltung gewesen sein muß.
Vergleichsbeispiele finden sich auch in Ostfriesland selbst, und zwar vor allem in Wer-
ken der Plastik. Nur relikthaft überliefert, harren sie freilich noch der zusammenfas-
senden wissenschaftlichen Bearbeitung und Auswertung. Als erschwerend wirkt sich
ferner aus, daß ein Nachweis von Stilparallelen zwischen Malerei und Plastik aufgrund
der Verschiedenheit des Materials nur bedingt möglich ist. Immerhin reicht die derzei-
tige Kenntnis über die ostfriesischen Skulpturen aus, um die weiträumigen Verflech-
tungen zu erkennen, in die das Kunstschaffen Ostfrieslands bereits im 13. Jahrhundert
eingebunden war. So dürften zum Beispiel die Skulpturen, die einst die St. Andreas-
kirche in Norden/Aurich (um 1240) und die St. Marienkirche in Marienhafe/Aurich 159, 160
(um 1260) zierten, unter dem Einfluß der westfälischen und nordfranzösischen Kathe-
dralplastik entstanden sein - einige Kunsthistoriker gehen sogar davon aus, daß sie in
Frankreich geschulten Bildhauern ihre Entstehung verdanken215). Gustav Andre geht
in seiner grundlegenden Arbeit über die frühgotischen Skulpturen in Norden216)
noch einen Schritt weiter in der Annahme, die für diese Großprojekte berufenen aus-
wärtigen Künstler hätten zweifellos auch im ostfriesischen Umkreis gewirkt217), so
unter anderem bei der figuralen Auszier von Taufbecken (z.B. in Nesse/Aurich, 158
Wangerland-Hohenkirchen/Friesland, Stedesdorf/Friesland, Rastede/Ammerland,
Aurich-Middels und Schortens-Sillenstede/Friesland). An ihren Reliefszenen sowie
den Figuren in den Arkaden der Triumphbogenwand der Sillensteder Kirche zeigen
sich nämlich, bisweilen allerdings ins Handwerklich-Provinzielle rückgebildet, stili-
stisch und in vielen Einzelformen Parallelen zu der ostfriesischen Bauplastik, die sich
zu den Figuren der Fedderwarder Gewölbemalereien - sieht man von der nahezu glei-
chen Stilstufe ab - indes nicht zwingend herstellen lassen, obgleich dies aufgrund der
konzentrisch umlaufenden Skulpturenfriese eigentlich zu erwarten wäre. Eine über-
zeugende Ähnlichkeit will sich auch zu den Nordener und Marienhafener Plastiken
nicht einstellen. Diese zeigen zur figürlichen Ausmalung in Fedderwarden zwar eine
gewisse stilistische Wesensverwandtschaft wie den schlanken Figurentyp, die steife,

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