liquienschreinen. Vor allem die im 12. Jahrhundert führende Kunst des Maasgebietes
strahlte nach allen Richtungen lange und intensiv aus und wurde auch in Sachsen für
Metall- und Emailarbeiten wirksam112). Am Rahmenwerk maasländischer Goldarbei-
ten, vor allem der Schrein-Stirnseiten, läßt sich die reiche parallele Abfolge von Fries-
bändern beobachten, die auch die Gurte und Rippen in Fedderwarden - malerisch an-
verwandelt - schmücken: Halbkreispalmette, Zellenschmelzbesatz mit Edelsteinen,
Zacken- mit Nietenband, die Ranken. Auch die farbig gegliederten Rippen sind an den
Schreinen, beispielsweise dem Kölner Königsschrein, in den Arkadenbögen zu
finden. Die Ähnlichkeit zwischen dem Fedderwarder Gurt- und Rippendekor sowie
der geschichteten Abfolge von Ornamenten im Gewölbe des Chorjochs der Kirche
in Weener-Stapelmoor (Leer) erklärt sich möglicherweise aus dieser gemeinsamen 82, 110
Quelle.
Die Vermittlung der Ornamentformen geschah sicherlich durch Musterbücher, die für
jeden mittelalterlichen Maler - nicht nur für den Figuristen, sondern auch den Kir-
chenmaler-eine selbstverständliche Schaffensgrundlage bildeten. Vor diesem Hinter-
grund werden auch für Fedderwarden die mannigfaltigen Übereinstimmungen und
Übertragungen von Formen über weite Entfernungen verständlich, desgleichen die
Beharrlichkeit ihrer Verwendung über lange Zeiträume113). Demus weist allerdings
darauf hin, daß die von den Malern des Westens verwendeten Musterbücher nicht mit
den byzantinischen Malerbüchern zu vergleichen sind, die systematische Sammlungen
von Vorschriften und Vorbildern enthalten114). Jene lieferten nur „gestaltlichen Roh-
stoff“, sind sozusagen Notizbücher, die lediglich Anregungen zur eigenschöpferi-
schen Ausgestaltung der Wände boten; auf der Grundlage desselben „Simile“ waren
unterschiedliche Interpretationen durchaus möglich. Nicht zuletzt deshalb bleibt der
Versuch, die Herkunft der einzelnen Ornamentformen in Fedderwarden exakt zu er-
mitteln, meist im Ansatz stecken. Hier gilt, worauf Kubach115) - speziell bezogen auf
die Bemühungen R. Hamanns116), Einzelformen der Spätromanik „abzuleiten“ -,
hingewiesen hat: daß dabei oft Unbekanntes durch anderes Unbekanntes erklärt wer-
de. In Fedderwarden lassen die Befunde immerhin mit einiger Sicherheit erkennen,
daß im wesentlichen importiertes Formengut Anwendung fand. Schon aus grund-
sätzlichen Erwägungen scheint es unmöglich, daß der überaus qualitätvolle Orna-
mentdekor auf provinzielle Überlieferung zurückzuführen sein sollte, wenn auch
zugestandenermaßen unsere Kenntnis der ostfriesischen bzw. nordwestdeutschen
Küstenkunst noch sehr eingeschränkt ist: Funde von zeitgleichen und - wenn die Vor-
untersuchungen nicht täuschen - in manchem verwandten figuralen und ornamentalen
Kirchenausmalungen in Wangerland-Minsen (Friesland) und Wiefelstede (Ammer-
land) in allerjüngster Zeit lassen vorsichtig werden.
In Fedderwarden ist der Ornamentdekor sehr flächig aufgefaßt und mutet in manchem
altertümlich an. Binnenzeichnung wurde - soweit erkennbar geblieben ist - offenbar
nur sporadisch aufgetragen. Keinesfalls handelt es sich jedoch um eine primitive Or-
namentik; vielmehr scheinen rückgebildete Formen von den Künstlern appliziert
worden zu sein. Die auffällige Geometrisierung der Motive, die für das gesamte orna-
mentale Ausmalungsprogramm so überaus charakteristisch ist, darf allerdings als ein
für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zeittypisches Phänomen erkannt werden,
das sich allgemein in der Abkehr von organisch-vegetabilen Ornamentbildungen äu-
ßert. In der Literatur wurde des öfteren versucht, diesen Stilwandel begrifflich zu fi-
xieren. Swarzenski spricht davon, die Ornamente seien „magerer, anorganischer und
mathematisch rationaler“ geworden117). Dorothea Kluge meint, das Ornament habe
an „Lebenskraft“ verloren, sei „dünnblütiger“ geworden118). Den Kern dieses Phä-
nomens traf aber wohl Haseloff mit: „Ertöten des pflanzlichen Charakters“119).
Wenn für Fedderwarden die etwa Krummhörn-Eilsum (Aurich) gegenüber verstärkte
Stilisierung von Motiven - beispielsweise der zur Pilzform verknappten Palmette ohne
Binnenzeichnung - und die ausgiebige Verwendung geometrischer Ornamente festge-
stellt werden kann, ist darin ein strengerer Gestaltungswille zu erkennen, der in Ost-
friesland schließlich seinen Höhepunkt in der abstrakt geometrischen Malerei der rot-
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strahlte nach allen Richtungen lange und intensiv aus und wurde auch in Sachsen für
Metall- und Emailarbeiten wirksam112). Am Rahmenwerk maasländischer Goldarbei-
ten, vor allem der Schrein-Stirnseiten, läßt sich die reiche parallele Abfolge von Fries-
bändern beobachten, die auch die Gurte und Rippen in Fedderwarden - malerisch an-
verwandelt - schmücken: Halbkreispalmette, Zellenschmelzbesatz mit Edelsteinen,
Zacken- mit Nietenband, die Ranken. Auch die farbig gegliederten Rippen sind an den
Schreinen, beispielsweise dem Kölner Königsschrein, in den Arkadenbögen zu
finden. Die Ähnlichkeit zwischen dem Fedderwarder Gurt- und Rippendekor sowie
der geschichteten Abfolge von Ornamenten im Gewölbe des Chorjochs der Kirche
in Weener-Stapelmoor (Leer) erklärt sich möglicherweise aus dieser gemeinsamen 82, 110
Quelle.
Die Vermittlung der Ornamentformen geschah sicherlich durch Musterbücher, die für
jeden mittelalterlichen Maler - nicht nur für den Figuristen, sondern auch den Kir-
chenmaler-eine selbstverständliche Schaffensgrundlage bildeten. Vor diesem Hinter-
grund werden auch für Fedderwarden die mannigfaltigen Übereinstimmungen und
Übertragungen von Formen über weite Entfernungen verständlich, desgleichen die
Beharrlichkeit ihrer Verwendung über lange Zeiträume113). Demus weist allerdings
darauf hin, daß die von den Malern des Westens verwendeten Musterbücher nicht mit
den byzantinischen Malerbüchern zu vergleichen sind, die systematische Sammlungen
von Vorschriften und Vorbildern enthalten114). Jene lieferten nur „gestaltlichen Roh-
stoff“, sind sozusagen Notizbücher, die lediglich Anregungen zur eigenschöpferi-
schen Ausgestaltung der Wände boten; auf der Grundlage desselben „Simile“ waren
unterschiedliche Interpretationen durchaus möglich. Nicht zuletzt deshalb bleibt der
Versuch, die Herkunft der einzelnen Ornamentformen in Fedderwarden exakt zu er-
mitteln, meist im Ansatz stecken. Hier gilt, worauf Kubach115) - speziell bezogen auf
die Bemühungen R. Hamanns116), Einzelformen der Spätromanik „abzuleiten“ -,
hingewiesen hat: daß dabei oft Unbekanntes durch anderes Unbekanntes erklärt wer-
de. In Fedderwarden lassen die Befunde immerhin mit einiger Sicherheit erkennen,
daß im wesentlichen importiertes Formengut Anwendung fand. Schon aus grund-
sätzlichen Erwägungen scheint es unmöglich, daß der überaus qualitätvolle Orna-
mentdekor auf provinzielle Überlieferung zurückzuführen sein sollte, wenn auch
zugestandenermaßen unsere Kenntnis der ostfriesischen bzw. nordwestdeutschen
Küstenkunst noch sehr eingeschränkt ist: Funde von zeitgleichen und - wenn die Vor-
untersuchungen nicht täuschen - in manchem verwandten figuralen und ornamentalen
Kirchenausmalungen in Wangerland-Minsen (Friesland) und Wiefelstede (Ammer-
land) in allerjüngster Zeit lassen vorsichtig werden.
In Fedderwarden ist der Ornamentdekor sehr flächig aufgefaßt und mutet in manchem
altertümlich an. Binnenzeichnung wurde - soweit erkennbar geblieben ist - offenbar
nur sporadisch aufgetragen. Keinesfalls handelt es sich jedoch um eine primitive Or-
namentik; vielmehr scheinen rückgebildete Formen von den Künstlern appliziert
worden zu sein. Die auffällige Geometrisierung der Motive, die für das gesamte orna-
mentale Ausmalungsprogramm so überaus charakteristisch ist, darf allerdings als ein
für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zeittypisches Phänomen erkannt werden,
das sich allgemein in der Abkehr von organisch-vegetabilen Ornamentbildungen äu-
ßert. In der Literatur wurde des öfteren versucht, diesen Stilwandel begrifflich zu fi-
xieren. Swarzenski spricht davon, die Ornamente seien „magerer, anorganischer und
mathematisch rationaler“ geworden117). Dorothea Kluge meint, das Ornament habe
an „Lebenskraft“ verloren, sei „dünnblütiger“ geworden118). Den Kern dieses Phä-
nomens traf aber wohl Haseloff mit: „Ertöten des pflanzlichen Charakters“119).
Wenn für Fedderwarden die etwa Krummhörn-Eilsum (Aurich) gegenüber verstärkte
Stilisierung von Motiven - beispielsweise der zur Pilzform verknappten Palmette ohne
Binnenzeichnung - und die ausgiebige Verwendung geometrischer Ornamente festge-
stellt werden kann, ist darin ein strengerer Gestaltungswille zu erkennen, der in Ost-
friesland schließlich seinen Höhepunkt in der abstrakt geometrischen Malerei der rot-
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