sius (und von St. Cyriacus) gehört ein silbernes Kopfre-
liquiar mit der Inschrift „de capite S. Cosme“39. Eine
weitere auf die Zeit vor ca. 1030 weisende Verbin-
dungslinie zeigt Beziehungen zum Bistumssitz: Bischof
Altfried (851-874) hat nach chronikalischer Überliefe-
rung solche Reliquien der Heiligen aus Rom geholt und
auf Hildesheim und Essen verteilt - schon die Vorgän-
ger des hl. Bischofs Godehard konnten also ohne weite-
res Pfarrkirchen mit Reliquien der beiden heiligen
Ärzte versehen. Waren diese in Niedersachsen weit-
verbreiteten Heiligen40 die ursprünglichen Hauptpa-
trone der Kirche am Kohlmarkt? Denn der hl. Ulrich,
993 kanonisiert, kann nicht der ursprüngliche Schutz-
patron dieser Kirche gewesen sein, wenn die Weihe von
ca. 1030 keine Erstweihe war, was die archäologischen
Forschungen jetzt nachgewiesen haben41.
Die St.-Ulrichs-Pfarrei 1227-1533
Im Jahre 1227 besaß die Fünfstädtestadt Braunschweig
sieben Pfarrkirchen, von denen vier in der Altstadt la-
gen, darunter St. Ulrich. Über die Pfarrer, Altarvikare
und Küster kann hier nicht im einzelnen berichtet wer-
den, ebensowenig wie hier nicht der Platz ist, die reli-
giöse Bedeutung der St.-Ulrichs-Pfarrei zu umrei-
ßen42. Auch auf die Tätigkeit der „Alterleute“ (older-
lude, procuratores) und die Vermögensverhältnisse
dieser sich auf zwei Weichbdde (Altstadt und Sack) er-
streckenden Pfarrei ist hier nur in Zusammenhang mit
baulichen Maßnahmen einzugehen. Die Alterleute, als
die Repräsentanten der Gemeinde erwähnt seit 1287,
waren die Gegenspieler der Interessen des Patrons, bis
1420 des St.-Blasius-Stiftes, danach des Herzogs43. Die
Gemeinde hat sich, vereint mit dem Rat der Gesamt-
stadt Braunschweig gegen die Inkorporation der Pfarr-
stelle so heftig gewehrt, daß die Kanoniker ihr Patro-
natsrecht 1420/1425 an den Herzog gegen die ländliche,
vermögende Kapelle von Stecklenburg (später „Hed-
wigsburg) vertauschten. Der Herzog trat also gemäß
einem Schiedsspruch von 1420, beurkundet 1425, in die
Rechte des Kollegiatstiftes ein44. Ein bürgerliches Ver-
fügungsrecht (etwa ein Pfarrerwahlrecht wie bei
St. Martini) ist damals nicht begründet worden. Den
herzoglichen Patronat suchten die Bürger deshalb
durch Altarstiftungen zu unterlaufen45.
Im Jahre 1494 wurde der Baumeister Wenzel Kock un-
ter Vertrag genommen, um die Kirche neu zu erbauen,
und bis 1510/11 war zumindest ein Teil des „neuen
Gebäudes“ fertiggestellt. Die letzte Altarstiftung ge-
schah 1524; die nächste erhaltene Urkunde von 1533
beschäftigt sich mit der „Tötung“ unziemlicher Ren-
tenbriefe, nämlich solcher, die mit Meßstiftungen ver-
bunden waren. Die „Kastenherren“ der einzelnen
Weichbilde hatten jetzt, in der lutherisch gewordenen
Stadt, die Vermögensrechte der Pfarreien und Kalande
in Verwaltung genommen. Allenfalls die Einkünfte als
solche wurden den in der Stadt sich aufhaltenden Meß-
stipendienberechtigten (aus Bürgerfamilien) noch zu-
gestanden, wie Übersichten ab 1533 über die Nebenal-
täre zu St. Ulrich ergeben46.
Waren die Nebenaltäre in der St.-Ulrichs-Kirche in-
zwischen beseitigt worden? Es scheint so, denn an der
St.-Ulrichs-Kirche wirkten 1528/29 zwinglianische
Prädikanten, also radikale Gegner allem Bildlichen.
Demnach dürfte die zumindest teilweise Wegnahme
von Nebenaltären in Braunschweig im April und im
August 1528 auf jeden Fall auch die St.-Ulrichs-Kirche
getroffen haben. Die Braunschweiger Kirchenordnung
von 1528 wendet sich im Sinne Luthers ausdrücklich
u.a. gegen „winkelmessen“ und „pilermessen“, also
gegen Meßopfer an Nebenaltären und Querschiffsar-
men (wie für St. Ulrich bezeugt) und an den Pfeilern des
Langhauses (in St. Ulrich beiderseits je drei Altäre).
Außer den bekannten theologischen Gründen soll auch
Platzmangel die Ursache der Beseitigung gewesen sein,
„in Sonderheit die besten Oerter in der Kirchen / als
der Platz zwischen Chor und Tauff-Stein / erfüllet und
bebauet gewesen / daß zwey enge gänge auf beyden
Seiten geblieben“ (Rehtmeyer 1707) - eine Situation,
die für die St.-Ulrichs-Kirche zutrifft, wie die Altarstif-
tungen erkennen lassen. Über die Beseitigung der Ne-
benaltäre (und der Sakramentshäuser) in den Jahren
1528/29 oder später fehlen für Braunschweig jegliche
Einzelberichte, auch etwa für die Kirche am Kohl-
markt. Wohl aber taucht 1529 die Forderung auf, die
St.-Ulrichs-Kirche abzubrechen, doch der Rat der Ge-
samtstadt lehnte dies am 23. März 1529 ab. Die Ursache
dieser Stimmung ist nicht hinreichend zu eruieren.
Drohte ein Eingriff des Landesherrn als Patronatsherr
von St.Ulrich? War den Lutherischen das zwingliani-
sche Zentrum lästig? Begann damals schon ein Teil der
lutherisch gesonnenen Gemeindeangehörigen, sich
nach der Brüdernkirche zu orientieren, wo die lutheri-
sche Kirchenobrigkeit jetzt ihren Sitz nahm47?
Die Jahre ab 1533 und der Abbruch 1544
Der katholisch gebliebene Landesherr Herzog Hein-
rich der Jüngere (1514-1568) nahm sich 1533 in auffäl-
liger Weise seiner Patronatskirche St. Ulrich an: Er
schaltete den Hildesheimer Domherrn Burchard von
Oberg als Kommissar ein, suchte das für Braunschweig
links der Oker zuständige Archidiakonat Stockheim
wiederzubeleben und schickte den seit 1507 für die Ge-
samtstadt amtierenden Official Johann Kerckener (De-
chant in Werningerode, Diözese Halberstadt, J 1541)
nach Braunschweig zur Einsetzung eines neuen Pfar-
rers zu St. Ulrich. Ein Notar, ausgerüstet mit allen Do-
kumenten, führte den vom Herzog benannten Pfarrer
Johann Ketterlen vertretungsweise durch den Official
in seine Stelle ein: Er (der Notar) sei also mit ihm (dem
229
liquiar mit der Inschrift „de capite S. Cosme“39. Eine
weitere auf die Zeit vor ca. 1030 weisende Verbin-
dungslinie zeigt Beziehungen zum Bistumssitz: Bischof
Altfried (851-874) hat nach chronikalischer Überliefe-
rung solche Reliquien der Heiligen aus Rom geholt und
auf Hildesheim und Essen verteilt - schon die Vorgän-
ger des hl. Bischofs Godehard konnten also ohne weite-
res Pfarrkirchen mit Reliquien der beiden heiligen
Ärzte versehen. Waren diese in Niedersachsen weit-
verbreiteten Heiligen40 die ursprünglichen Hauptpa-
trone der Kirche am Kohlmarkt? Denn der hl. Ulrich,
993 kanonisiert, kann nicht der ursprüngliche Schutz-
patron dieser Kirche gewesen sein, wenn die Weihe von
ca. 1030 keine Erstweihe war, was die archäologischen
Forschungen jetzt nachgewiesen haben41.
Die St.-Ulrichs-Pfarrei 1227-1533
Im Jahre 1227 besaß die Fünfstädtestadt Braunschweig
sieben Pfarrkirchen, von denen vier in der Altstadt la-
gen, darunter St. Ulrich. Über die Pfarrer, Altarvikare
und Küster kann hier nicht im einzelnen berichtet wer-
den, ebensowenig wie hier nicht der Platz ist, die reli-
giöse Bedeutung der St.-Ulrichs-Pfarrei zu umrei-
ßen42. Auch auf die Tätigkeit der „Alterleute“ (older-
lude, procuratores) und die Vermögensverhältnisse
dieser sich auf zwei Weichbdde (Altstadt und Sack) er-
streckenden Pfarrei ist hier nur in Zusammenhang mit
baulichen Maßnahmen einzugehen. Die Alterleute, als
die Repräsentanten der Gemeinde erwähnt seit 1287,
waren die Gegenspieler der Interessen des Patrons, bis
1420 des St.-Blasius-Stiftes, danach des Herzogs43. Die
Gemeinde hat sich, vereint mit dem Rat der Gesamt-
stadt Braunschweig gegen die Inkorporation der Pfarr-
stelle so heftig gewehrt, daß die Kanoniker ihr Patro-
natsrecht 1420/1425 an den Herzog gegen die ländliche,
vermögende Kapelle von Stecklenburg (später „Hed-
wigsburg) vertauschten. Der Herzog trat also gemäß
einem Schiedsspruch von 1420, beurkundet 1425, in die
Rechte des Kollegiatstiftes ein44. Ein bürgerliches Ver-
fügungsrecht (etwa ein Pfarrerwahlrecht wie bei
St. Martini) ist damals nicht begründet worden. Den
herzoglichen Patronat suchten die Bürger deshalb
durch Altarstiftungen zu unterlaufen45.
Im Jahre 1494 wurde der Baumeister Wenzel Kock un-
ter Vertrag genommen, um die Kirche neu zu erbauen,
und bis 1510/11 war zumindest ein Teil des „neuen
Gebäudes“ fertiggestellt. Die letzte Altarstiftung ge-
schah 1524; die nächste erhaltene Urkunde von 1533
beschäftigt sich mit der „Tötung“ unziemlicher Ren-
tenbriefe, nämlich solcher, die mit Meßstiftungen ver-
bunden waren. Die „Kastenherren“ der einzelnen
Weichbilde hatten jetzt, in der lutherisch gewordenen
Stadt, die Vermögensrechte der Pfarreien und Kalande
in Verwaltung genommen. Allenfalls die Einkünfte als
solche wurden den in der Stadt sich aufhaltenden Meß-
stipendienberechtigten (aus Bürgerfamilien) noch zu-
gestanden, wie Übersichten ab 1533 über die Nebenal-
täre zu St. Ulrich ergeben46.
Waren die Nebenaltäre in der St.-Ulrichs-Kirche in-
zwischen beseitigt worden? Es scheint so, denn an der
St.-Ulrichs-Kirche wirkten 1528/29 zwinglianische
Prädikanten, also radikale Gegner allem Bildlichen.
Demnach dürfte die zumindest teilweise Wegnahme
von Nebenaltären in Braunschweig im April und im
August 1528 auf jeden Fall auch die St.-Ulrichs-Kirche
getroffen haben. Die Braunschweiger Kirchenordnung
von 1528 wendet sich im Sinne Luthers ausdrücklich
u.a. gegen „winkelmessen“ und „pilermessen“, also
gegen Meßopfer an Nebenaltären und Querschiffsar-
men (wie für St. Ulrich bezeugt) und an den Pfeilern des
Langhauses (in St. Ulrich beiderseits je drei Altäre).
Außer den bekannten theologischen Gründen soll auch
Platzmangel die Ursache der Beseitigung gewesen sein,
„in Sonderheit die besten Oerter in der Kirchen / als
der Platz zwischen Chor und Tauff-Stein / erfüllet und
bebauet gewesen / daß zwey enge gänge auf beyden
Seiten geblieben“ (Rehtmeyer 1707) - eine Situation,
die für die St.-Ulrichs-Kirche zutrifft, wie die Altarstif-
tungen erkennen lassen. Über die Beseitigung der Ne-
benaltäre (und der Sakramentshäuser) in den Jahren
1528/29 oder später fehlen für Braunschweig jegliche
Einzelberichte, auch etwa für die Kirche am Kohl-
markt. Wohl aber taucht 1529 die Forderung auf, die
St.-Ulrichs-Kirche abzubrechen, doch der Rat der Ge-
samtstadt lehnte dies am 23. März 1529 ab. Die Ursache
dieser Stimmung ist nicht hinreichend zu eruieren.
Drohte ein Eingriff des Landesherrn als Patronatsherr
von St.Ulrich? War den Lutherischen das zwingliani-
sche Zentrum lästig? Begann damals schon ein Teil der
lutherisch gesonnenen Gemeindeangehörigen, sich
nach der Brüdernkirche zu orientieren, wo die lutheri-
sche Kirchenobrigkeit jetzt ihren Sitz nahm47?
Die Jahre ab 1533 und der Abbruch 1544
Der katholisch gebliebene Landesherr Herzog Hein-
rich der Jüngere (1514-1568) nahm sich 1533 in auffäl-
liger Weise seiner Patronatskirche St. Ulrich an: Er
schaltete den Hildesheimer Domherrn Burchard von
Oberg als Kommissar ein, suchte das für Braunschweig
links der Oker zuständige Archidiakonat Stockheim
wiederzubeleben und schickte den seit 1507 für die Ge-
samtstadt amtierenden Official Johann Kerckener (De-
chant in Werningerode, Diözese Halberstadt, J 1541)
nach Braunschweig zur Einsetzung eines neuen Pfar-
rers zu St. Ulrich. Ein Notar, ausgerüstet mit allen Do-
kumenten, führte den vom Herzog benannten Pfarrer
Johann Ketterlen vertretungsweise durch den Official
in seine Stelle ein: Er (der Notar) sei also mit ihm (dem
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