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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0023
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DIE VERFASSUNG DER STADT

Feuerpolizei), Schule und Recht. Häufige Ände-
rungen und Ergänzungen machten die Nieder-
schrift schnell unübersichtlich und gaben Anlaß für
Neuredaktionen. Sollte ein Paragraph in Zukunft
nicht mehr gelten, wurde er im Stadtbuch durchge-
strichen und vom Stadtschreiber mit dem Vermerk
„non lege“ versehen — ein Hinweis darauf, daß die
Statuten zur allgemeinen Kenntnisnahme jährlich
nach der Neuwahl des Rates öffentlich vorgelesen
wurden123' und nunmehr dieser betreffende Para-
graph davon ausgenommen sein sollte.
Von den mehreren hundert Bestimmungen sol-
len kurz diejenigen erwähnt werden, die das Rat-
haus nennen. Am 10. Dezember 1434 erließen alter
und neuer Rat den Wollenwebern das Verbot, Tuch
zu verkaufen, das nicht ,auf dem Rathaus zwischen
den Säulen’ beschaut worden ist’.124' Ebenfalls der
ältesten Schicht der Statuten gehört die Vorschrift
an, daß die Leineweber ihre Produkte ,auf der Vor-
laube’ von sechs Kaufleuten und zwei vereidigten
Webern begutachten lassen sollen.125' Daß das Rat-
haus nicht nur wirtschaftlichen Zwecken diente,
belegt Paragraph 62 der Statuten: ,Niemand soll
auf dem Rathaus einen Tanz veranstalten ohne Er-
laubnis des Rates, ausgenommen bei Hochzei-
ten’.126'
Wichtige Aspekte der Stadtverfassung sind nur
durch die Statuten bekannt. So etwa die Wehrver-
fassung, die jeden Bürger zum Waffendienst ver-
pflichtete und ihm vorschrieb, die Ausrüstung an
Brustpanzer, Helm und Waffen in den ersten zehn
Tagen der Fastenzeit „up dat hus“ — das Rathaus —
zu bringen und zu beschwören, daß sie sein Eigen
sei. Wer dies unterlasse, verliere sein Braurecht (diese
letzte Bestimmung wurde in späteren Zeiten außer
Kraft gesetzt).127' Die Bewohner der drei Vorstädte,
außerhalb des Mauerrings an den Ausfallstraßen
gelegen und nach den Stadttoren Obertor (im
Osten), Steintor (im Süden) und Westertor be-
nannt, besaßen nicht das volle Bürgerrecht. Sie
wurden „medewoner“ genannt und taten im be-
waffneten Aufgebot als „blote lüde“ ohne Har-
nisch Dienst und wurden von den Vollbürgern in
die Mitte genommen.128' Die nach dem Stadtbrand
von 1424 im Jahre 1436 angelegte vierte Vorstadt,
Neutor oder Benebenstadt genannt, gewährte da-
gegen von Anfang an das volle Bürgerrecht.129' Die
waffendienstpflichtigen Bürger versammelten sich
unter der Leitung eines Anführers in den vier Stadt-
vierteln130', dem Pfarrviertel (benannt nach der
Pfarrkirche St. Cyriakus), dem im Uhrzeigersinn
sich anschließenden Sackviertel, dem Stubenviertel
(dort lagen die Badestuben) und dem Kleinen Vier-
tel. Auch die Schützen waren nach den Stadtvier-
teln organisiert. Diese städtische Miliz, 1397 zum
ersten Mal erwähnt131', wurde vom Rat finanziell
unterstützt und auch zu militärischen Unterneh-
mungen außerhalb der Stadt eingesetzt. Gegen


5 Schematischer Grundriß der Stadt seit dem Beginn des
16. Jahrhunderts.

Ende des 15. Jahrhunderts nahm ihre Bedeutung
ab.132' Natürlich mußten die Bürger auch Schanz-
und Wachtdienste leisten. Das galt selbst noch
1802, als die Stadtbefestigung keinerlei militäri-
schen Charakter mehr trug.133' Einige Söldner, in
der Regel acht bis neun, rundeten das militärische
Aufgebot der Stadt ab. Sie unterstanden in Frie-
denszeiten dem Stadthauptmann.134'
Die Verbesserung der Artillerie veranlaßte die
Stadt, die Verteidigungsanlagen zu verstärken. Zwi-
schen 1506 und 1521 wurde der alte, nahe der Mauer 5
gelegene Wall abgetragen und in beträchtlichem
Abstand neu aufgeschüttet, im wesentlichen durch
polnische Arbeiter. Nunmehr waren auch die Vor-
städte von der Befestigung mit umschlossen. Der
Wall, in späterer Zeit mit Kastanien und Linden be-
pflanzt, prägt seitdem maßgeblich das Bild der
Stadt.135'
Im Zusammenhang mit der Wehrverfassung der
Stadt ist das unterschiedliche Recht der Bewohner
angesprochen worden. Diese Betrachtung soll
nicht abgeschlossen werden, ohne die Juden zu
erwähnen. Ihr Recht war schlechter als das der
übrigen Bevölkerung, sie unterlagen einer Zuzugs-
beschränkung und besonderen Abgaben. In den
Schoßlisten wurden sie getrennt geführt (im An-
schluß an die vier Stadtviertel und vor den drei Vor-
städten). Sie besuchten eine eigene Schule und eine
Synagoge. 1457 erließ der Rat detaillierte rechtliche
Regelungen.136' Die Anzahl der Juden war gering;
sie belief sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts auf ungefähr ein Dutzend Personen. Im 16.
Jahrhundert können sie nur noch vereinzelt nach-
gewiesen werden.137'
Der Anteil der Einwohner ohne volles Bürger-
recht — im wesentlichen die Bewohner der Vor-
städte, daneben Knechte, Tagelöhner und Dienst-

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