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ziehen. Um den vermeintlichen Zorn der Gottheit zu be-
ſchwichtigen, brachte man ſogar Menſchenopfer, Kindesopfer
dar (Molochdienſt).

Einzelne erleuchtete Philoſophen des Altertums (Keno-
phanes, Plato, Ariſtoteles) wurden durch ihr eigenes Denken
angeregt, zu fragen, wie die Welt entſtanden ſei, wer dem
unermeßlichen Sternenheere ſeine Bahnen vorgeſchrieben, wer
für alles Maß, Ordnung und Geſetz beſtimmt habe. Die
wechſelvollen Geſchicke der Menſchen, der einzelnen und der
Völker, ſowie das geiſtige Regen im Menſchen, das ihn be-
fähigt, Erhabenes zu denken, Zartes zu empfinden, vor allem
das ſittliche Gefühl, das auch im ſchlechteſten Menſchen vor-
handen iſt, mußte auf einen zielbewußten Urheber aller Dinge
hinweiſen.

Aber auch dieſer geiſtig bedeutſame Fortſchritt hat die
Menſchheit in ihrem ſittlichen Gehalt nicht gefördert, den
Perſönlichkeitswert des Menſchen nicht erkennen laſſen.

Erſt die göttlich geoffenbarte Lehre Iſraels, wie ſie in
der Heiligen Schrift enthalten iſt, verkündete der Menſchheit
den einzigen und heiligen Gott und die rechte Art ſeiner
Verehrung.

In unſerer Thora, von den Propheten und Pſalmen-
dichtern, von den bibliſchen und talmudiſchen Weiſen wird
immer die wahre Religioſität der falſchen gegenübergeſtellt.
Die wahre Religioſität muß ſich darin bewähren, daß ſie
1. uns aufklärt — uns von allen abergläubiſchen Vor-
ſtellungen, von aller Furcht vor dunklen, unbekannten
Mächten befreit; 2. uns beglückt, — im Unglücke uns Tröſtung
und Ermutigung gewährt, im Glücke uns vor Übermut, Un-
beſonnenheit, Üppigkeit bewahrt, uns von unreinen, un-
würdigen Genüſſen zu den reinen, dauernden hinlenkt;
3. uns heiligt — uns zu einem ſittlich tadelloſen, gerechten,
menſchenfreundlichen Leben anleitet, uns in unſerer Tatkraft
ſtärkt und zur Ausnutzung unſerer Kräfte anregt.

„Das Judentum hat zum Ziel die praktiſche Verwirklichung
ſittlicher Zwecke.“ *
 
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