I. Über das Weſen der Religion.
Es hat wohl niemals Menſchen gegeben, die nicht irgend-
eine Ahnung von einem göttlichen Weſen und irgendeine
Art von Gottesverehrung gehabt haben. Die erſten Anfänge
zeigen ſich in einem dem Menſchen angeborenen Drange, alles
um ſich her zu beſeelen. So vieles Dunkle, Geheimnisvolle
in der Natur und in den Geſchicken der Menſchen ließ ſie
ahnen, daß eine höhere Macht über allem waltet. Ganz be-
ſonders waren es die Schreckniſſe der Natur — Gewitter,
Orkane, Erdbeben — und zumal der Anblick des Todes,
welche die Geängſtigten ihre eigene Ohnmacht und ihre Ab-
hängigkeit von einem allgewaltigen Weſen empfinden ließen.
„Es gibt keinen Menfchen, der nicht den Glauben an eine
Gottheit beſäße. Und wollte ſich jemand aus Eigendünkel und
Überhebung von dieſem Glauben an die Gottheit freimachen, ſo
verfällt er dem blinden, ziel- und regelloſen Aberglauben.“ (Kant.)
Bei den kultivierten Völkern erkannte man wohl auch
in den freundlichen Naturerſcheinungen wie in allem
Freudigen, das man erfuhr, das ſegenvolle Walten der Gottheit.
Aber man erkannte nicht hinter den geſchaffenen Dingen
den Schöpfer aller Dinge, man verehrte alles als Gottheit,
was ſich den Sinnen als mächtig darſtellte (Polytheismus).
Die ſcheinbare Gegenſätzlichkeit in dem Walten der Gottheit
verleitete zu dem Glauben an einen guten und an einen
böſen Gott (Dualismus. Dagegen kämpft Jeſ. 45,6. 7) Durch
eine ſolche (heidniſche) Götterverehrung wurden die Zwecke
wahrer Religioſität nicht erreicht. Sie war weit eher ge-
eignet, zu grober Sinnlichkeit und zu roher Gewalttätigkeit
hinzuleiten, als zur Sittlichkeit und — — zu er-
Feilchenfeld, Lehrbuch der Religion.
Es hat wohl niemals Menſchen gegeben, die nicht irgend-
eine Ahnung von einem göttlichen Weſen und irgendeine
Art von Gottesverehrung gehabt haben. Die erſten Anfänge
zeigen ſich in einem dem Menſchen angeborenen Drange, alles
um ſich her zu beſeelen. So vieles Dunkle, Geheimnisvolle
in der Natur und in den Geſchicken der Menſchen ließ ſie
ahnen, daß eine höhere Macht über allem waltet. Ganz be-
ſonders waren es die Schreckniſſe der Natur — Gewitter,
Orkane, Erdbeben — und zumal der Anblick des Todes,
welche die Geängſtigten ihre eigene Ohnmacht und ihre Ab-
hängigkeit von einem allgewaltigen Weſen empfinden ließen.
„Es gibt keinen Menfchen, der nicht den Glauben an eine
Gottheit beſäße. Und wollte ſich jemand aus Eigendünkel und
Überhebung von dieſem Glauben an die Gottheit freimachen, ſo
verfällt er dem blinden, ziel- und regelloſen Aberglauben.“ (Kant.)
Bei den kultivierten Völkern erkannte man wohl auch
in den freundlichen Naturerſcheinungen wie in allem
Freudigen, das man erfuhr, das ſegenvolle Walten der Gottheit.
Aber man erkannte nicht hinter den geſchaffenen Dingen
den Schöpfer aller Dinge, man verehrte alles als Gottheit,
was ſich den Sinnen als mächtig darſtellte (Polytheismus).
Die ſcheinbare Gegenſätzlichkeit in dem Walten der Gottheit
verleitete zu dem Glauben an einen guten und an einen
böſen Gott (Dualismus. Dagegen kämpft Jeſ. 45,6. 7) Durch
eine ſolche (heidniſche) Götterverehrung wurden die Zwecke
wahrer Religioſität nicht erreicht. Sie war weit eher ge-
eignet, zu grober Sinnlichkeit und zu roher Gewalttätigkeit
hinzuleiten, als zur Sittlichkeit und — — zu er-
Feilchenfeld, Lehrbuch der Religion.