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L

durch äußere Einflüſſe zur böſen Tat geführt wird: Die
erſten Menſchen ſündigen durch den Anblick der verlockenden
köſtlichen Frucht und durch Verführung. Kain ſündigt, weil
ihn die Bevorzugung ſeines jüngeren Bruders kränkt.

An der Tür (alſo draußen) lagert die Sünde; nach dir iſt

ihr Verlangen, du aber kannſt ſie beherrſchen. 1. M. 4, 7.

Alle Mahnungen und Belehrungen der Bibel haben zur
Vorausſetzung, daß der Menſch ſich vor der Sünde hüten
kann, indem er den Anreiz zu ihr von ſich abwehrt.

4. Wir haben im Vorzuge vor allen anderen Geſchöpfen
einen freien Willen. Während das Tier nur ſeinem
Naturtrieb folgt, können wir Menſchen das Gute und das
Böſe tun oder meiden. Neben der offenbaren Tatſache, daß
wir — ſofern wir nicht durch äußeren Zwang behindert
ſind — nach unſerem eigenen Willen eine Handlung tun
oder unterlaſſen können, ſteht die Gewißheit, daß wir durch
mancherlei Umſtände zu unſeren Handlungen beſtimmt
werden, wie durch eine gewiſſe angeborene Sinnlichkeit, durch
gute und böſe Neigungen und Gewohnheiten, die uns zur
zweiten Natur geworden, ja auch durch unſere Vernünftigkeit,
welche doch von Vernunftgeſetzen abhängig iſt. Aber ſolche
Einflüſſe auf unſer Denken und Tun laſſen doch Raum für
eine freie Beurteilung und Entſchließung. Wir können das
Gewicht unſerer Entſcheidung in die Wagſchale der ver-
ſchiedenen Beweggründe legen. Auch wer in ſeiner Tugend
gefeſtigt iſt, hat immer noch neue Verſuchungen zur Sünde
zu beſtehen.

Siehe ich lege dir heute vor Segen und Fluch G. M.
II, 26). Das Leben und den Tod lege ich dir vor, Segen
und Fluch, wähle das Leben! G. M. 30, 19). Wohl gibt es
bei einzelnen und bei ganzen Völkern gewiſſe ererbte An-
lagen zu Tugenden und zu Laſtern. Unſere ſittliche Aufgabe
iſt es, die böſen Neigungen in uns zu überwinden, die guten
zu nützen und auszubilden. Wir ſind deshalb auch für
unſer Tun und Laſſen verantwortlich.

Die Allmacht und Allwiſſenheit Gottes hebt unſere
Willensfreiheit nicht auf. Gottes Wiſſen iſt ein anderes als
 
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