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Deutsche Kriegszeitung — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29017#0005
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Jllrrftrierte Woehen-AuSyabe

H o 17 cr ri ^ s e g e b e n r> c» rn

Serlinee Koknl-Anzeiyer

klus grotzer Zett

von einem alten preußischen Gfsiziec.

60XXX.

Im unruhigen Berlin.

^>ach dem berühmten Geschichtschrei-
«/T-ber Chr. Schlosser hat die sranzö-
sische Revolution erwiesen, daß in einer
Reoolution nur Mut und Energie und
völlige Rücksichtslosigkeit zum Ziele süh-
ren. Während nun in Berlin die Spar-
takusleute jedenfalls dieses Programm zu
dem ihrigen gemacht zu haben scheinen
und dadurch auch andere, ihnen inehr
vder weniger nahstehende Gruppen mit
gleicher Energie zu erfüllen oermochten,
yatte die Regierung Ebert immer wieder
versucht, durch möglichstss Entgegen-
kommen und größte Schonung der ihr
feindlichen Bewegungen Blutvergießen
zu vermeiden. Es blieb nicht aus, daß
dieses Bestreben, die Straßen der chaupt-
ftadt von Kämpfen freizuhalten, um bei
dem Feinde nicht den Eindruck zu er-
wecken, als herrschten ungeordnete Ver-
hältnisse, den energischen Gegner ledig-
tich zu neuen Gewalttaten verleiten
mußte, ebenfo wie die schwache Milde
polnischen Übergriffen gegenüber keine
anderen Früchte trug als Kamps und
Blutvergießen, zu dessen Vermeidung
man milde sein zu müssen gegtaubt hatte.

Die Volksmatrosendwision in Berlin

hatte aus dem furchtlosen Vorgehen der
Spartakusleute den Schluß gezogen: daß
man Forderungen einer nachgiebigen Re-
gierung gegenüber durch Drohungen und,
wennnätig,durchWaffengewalterzwingen
könne, und die Folge dieser Überzeu-
'gung war ein blutiges Weihnachtsfest für
die durch die Vorgänge der letzten Zert

/n rrä'c/rL/sn T's^err er-Lc/rer'/r/

c/r'e urr/rsr/er'rzc/r^ Lrozc/rüce.-

Die neuen parteien
und ihre programme

Zugleich ein Wegweiser
durch daö neue Wahlrechi

Don prof. Dr. paul (Llhbacher

/^rer'L 60 /'/errrr/9

ü u ck-i s ri U/u n A e n

Äerlag AugustScherl G. m.b. H. /Berlin

bereits genügend beunruhigte Bevölke-
rung. Den Anstoß zu dem blutigen Zu-
sammenstoß zwischen den Matrosen und
den regierungstreuen Truppen bot, wie
es scheint, die Errichtung der Republika-
nischen Soldatenwehr in Berlin. Die
Matrosen, die bisher nicht die gleichen

ausgezahlt worden sei,während ihnen das
Geld erst bei ihrem Ersatztruppenteil aus-
gehändigt werden sollte. Während nun
der Kommandont Wels im Auftrag der
preußischen Negierung am 24. Dezember
die Matrosendivision aus dem Schloß zu
entfernen bemüht war, kam diese ihm mit

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General ck. 1ns. Zreiherr v. Lüttwitz,

ho, als rangältester Gffizier cker Gacnison verlin ckas 00m Generalleutnant Lequis
nieckergelegte llommancko üdernommen.

Löhnungen erhielten wie die Mitglteder
dieser Wehr, fühlten sich ans-cheinend auch
dadurch zurückgefetzt, daß sie nunmehr
als Sicherheitstrnppe anfgelsst und in üte
Heimatgarnisonen abbefördert werden
sollten. Sie beschlossen daher, der Auf-
forderung, das Schloß zu verlassen, nicht
Falge zu leisten, bevor ihnen der rück-
ständige Sold in chöhe von 80 000 M.

etnem Putsch zuvor und v-ersuchte unter
Führung ihres Konlmandanten, eines
früheren Offiziers namens Dorrenbach,
-die Reichskanzlei und Kommandantur zu
befetzen. Der energische Einspruch der
Volksbeauftragten forgte dafür, daß diese
Besetzung zunächft wieder ausgehoben
wurde. Während fich nun eine Deputa-
tion der Matrofendivision zur Komman-

dantur begab, um vom Kominandanter
Wels die Auszahlung der ausstehender
Löhnung zu verlangen, kam e«
Unter den Linden zu eine'.
verhängnisvollen Schießerei. Dort hatta
eine dienfttuende Gruppe der Matroserl
ein Panzerautomobil angehalten und auf
dieses, als es den Anruf nicht berück-
fichtigte, ein wildes Karnbinerfeuer er-
öffnet. Zn demselben Augenblick bog au«l
der Charlottenstraße ein zweites Panzerf
auto in die Straße ein und griss vonl
Denkmal Friedrichs des Großen aus in
den K'ampf ein. Zwei Matrosen fieleni
und nun brachen Marineleute unter
Todesandrohungen für den Komman-
danten Wels in dessen Zimmer ein, er-i
klärten ihn sowie feinen Adjutanteni
Fischer und Dr. Bongertz für verhaftef
und zwangen die Verhafteten zurv
Aiarsch in den von den Matrosen befetz-
ten Marstall. Da die Regierung erfuhg
üaß das Leben des Komniandanten Wel«
dort ernftlich bedroht sei und die Ma-
trosen auch die Verhafteten nicht, wü
vereinbart worden seirr soll, in Freiheit,
setzten, noch das Schloß räumten, erfolgtf
das Eingreifen einer Division des Gene-
ralkommandos Lequis.

Zn der Nacht war das 1. Garderegi-
ment zu Fuß aus Potsdain nach Berlin
aufgebrochen, wo anch das 3. Garde-
regiment in Bereitschaftszustand verfetzl
war. Unterstützt von Sicherheitswehi
und Republikanischer Soldatenwehr wur-
den in weitem Umkreis zum Schloß unL
Marstall alle Plätze und Straßen abge/
sperrt. Vier Feldgeschütze bedrohten das
Srhloß und den Marstall, und an den
Straßenkreuzungen ftanden Maschinen-
gewehre. Um 7 Uhr morgens wurde von
seiten der Truppen ein Parlamentär zu
den Matrofen gesandt, aber mit Schüssen
empfangen. Dies war das Signal zum
Kanipf. Drei der erwähnten Geschütze
gaben in fchneller Reihensolge etwa
60 gut gezielte Schüsfe ab, während das
vierte Gefchütz wegen des Maschinen-
gewehrfeners der Matrosen nicht in
Tätigkeit treten konnte. — Ein Parla-
mentär der Matrosen erfuchte um 9 Uhr
um eine Kampfpause, um den im Marftall
befindllichen Frauen uud Kindern der
Matrofen den Abzug zu gewährem Nach
einer gewährten Pause von etwa zehn
Minuten entbrannte der Kampf aufs
neue. Auffällig war dabei, daß sich be-
fonders bei deii Abfperrungsmannschaf-
ten hinter den Truppen Leute zusammen-
rotteten, die im Sinne der Spartakus-
 
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