Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kriegszeitung — 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29017#0205
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 27 - 6. Jttli 1919

Derrtsche

Preis 1 § Pfennig

Mrrftrrerte Woekien ArrKyabe

vc»rn

Serlrnrr Kokcrl Anxeryer

klus grotzer Zeit.

von elnem alten preußischen Gffizier.
OOI.V.

Was nun?

m Spiegelsaale zu Versailles vollzog
sich am 28. Iuni 1919, nachmittags
3 Uhr, der historische Akt der Unterzeich-
nung des gewalttätigsten und ungerechte-
sten Friedens, den die Weltgeschichte
kennt. Gegenüber den 34 alliierten und
assoziierten Völkerschasten war es sür die
Vertreter des einsamenDeutschland gewiß-
lich keine Schande, die Unterschrist unter
dieses Dokument der Schmach setzen zu
müssen, sagt doch schon die Zahl der
Gegner des überwältigten dentschen chel-
den der Gegenwart und Zukunft, wie un-
gleich der Kampf war, wie wenig ehren-
voll der Stsg selbst dann gewesen wäre,
wenn er ohne Äie Unterstützuna durch die
deutsche Revolution gewonnen worden
wäre, und um wie viel mehr die Ehre
uus deutscher Seite verdlieb, weil der
deutsche Widerstand trotz dieses Völker-
aufgebotes der Welt nur durch diese
innere Erschütterung gebrochen wurde. —
Was die Reichsminister chermann Mül-
ler und vr. Bell dort unterzeichneten,
müssen wir von nun an zu ersüllen be-
müht sein, obgleich der Feind ebensogut
wie wir selbst davon überzeugt sein wird,
daß dies einfach unerfüllbar ist. Den
cherren Müller und Bell wird man die
Unterzeichnung nicht weiter nachtragen
können, denn nicht in der erzwungenen
Unterschrift lag die Schmach für das
deutsche Vaterland, sondern in dem Wüh-
len und Treiben, das uns ohnmächtig
machte und dem Feinde erlaubte, dem
Cntwaffneten die Pistole auf die Brust
tzu setzen.

Der Fnhalt des Friedensvertrages
brachte es wohl mit sich, daß bei üem
offiziellen Abschluß dieses furckMvrsten
aller Kriege auch der übliche ^mstand
fehlte, mit dem man durch Höflichkeits-
formsn dem geschlagenen Gegner den
schweren Schritt sonst leicht zu machen
verfucht. Man saß nicht an gemein-
samer Tafel. Wie Schuldige ihren Rich-
tern, so wurden die deutschen Vertreter
der gemischten Gesellschaft der Delegier-
ten aller Zonen vorgeführt. Sie muß-
ten sich nach Unterschrift vor den anderen
entfernen, nachdem sie noch einmal dar-
>auf aufmerkfam gemacht worden waren,
daß die Bedingungen in loyaler Weise

eingehalten werden müßten. Kein Hände-
druck der bisherigen Gegner bescheinigte
den Abschluß des Friedens, legte Zeugnis
ab für das Ende des tödlichen Grolles,
der fünf Iahre hindurch Menschenopser
ohnegleichen gefordert hatte. Und es
war gut so! Der „Friedensschluß" zwang

so wenigstens keine der Parteien zur
Heuchelei. Die deutschen Vertreter waren
nicht gezwungen, einen Handschlag zu
tun, der einem Meineid gleichkam, und
daß die Franzosen sich der wahren Stim-
mung des überwundenen Gegners klar
waren, das bewies das unmittelbar nach
der FriedensunterZeichnung trotz Völker-
bund wieder laut betätigte Verlangen
nach einem Schutzbündnis mit England

und Amerika, einem Bündnis gegen den
deutschen Riesen, den man üoch vollstän-
dig kampsunfühig gemacht zu haben sich
rühmt. Diese Furcht vor uns sollte in
dieser schweren Stunde unser Stolz sein
und uns lehren, daß wir nicht ohn-
mächtig sind, weil wir noch einen

üerartigen Respekt einzuflößen ver-
mögen, daß der „Sieger" sich vor
uns fürchtet. — Jm übrigen aber
stehen wir vor der ernsten Frage, ob wir
auf dem rechten Wege sind, uns aus dem
Abgrund herauszuarbeiten, in den uns
die Ereignisse der letzten Wochen schlen-
derten.

Sparkakisnnis und häßllche Selbstsncht

haben in den letzten vierzehn Tagen diese

Frage verneint. Vom Feinde mit den
schwersten Bedingungen belastet, sieht sich
die junge Republik von innen her durch
vollftändiges Versagen deutscher Mannes-
kraft und Manneswürde bedroht. Am
Rande der pekuniüren Leistungsfähigkeit
angelangt, wird sie durch immer gestei-
gerte Anforderungen ganzer Volksklassen
in die Enge getrieben. Sparsamkeit und
Fleiß sind die Tugenden, die uns retten
könnten, Arbeitsunlust und Verschwen-
dung sind die Pflanzen, die wie Unkraut
immer weitsr um sich greifen und selbst
den deutschen Beamtenstand bedrohen,
um den uns srüher die Welt beneidete
und auf dessen Einsicht und Gediegenheit
wir mit Recht stolz waren. — Bis in die
grüne Schuljugend ist das Unkraut un-
deutschen Denkens und Empfindens ge-
drungen, wie uns beispielsweise dis
Schüler in Frankfurt a. M. zeigen, wenn
sie in ihrer vollen Unreife sich berufen
glauben, dagegen ein Tadelsvotum ab-
fassen zu können, daß einem Manne wie
Kapitänleutnant v. Mücke, dessen Taten
früher genügt haben würden, um Kna-
ben zu Helden zu machen, von ihren Di-
rektoren gestattet worden sei, in seinen
Vorträgen politische Anspielungen zu
machen. Dieses Wichtigtun der kleinen
Gernegroße wäre zu anderen Zeiten ko-
misch-lächerlich, zeigt aber unter den
heutigen Derhältnissen, daß wir bis ins
Knabenalter Hinunter erkrankt sind. Aus
dieser Erkrankung, „versetzte Freiheit"
möchten wir sie nennen, muß ein kluger
Arzt uns bald erlösen, sonst haben wir
selbst den schwersten Schritt der schweren
Zeit, die Unterzeichnung des Friedens-
vertrages, umsonst getan.

kommunisten und Lparkakisken

begannen am 18. Iuni wieder hervorzu-
treten, nachdem eine längere Pause ein
Nachlassen der Bewegung hatte erhoffen
lassen. Än Weimar Hätte ein Putsch
in der Nacht zum 18. Juni nahezu den
Reichspräsidenten Ebert und den dama-
ligen Ministerpräsidenten Scheidemann
in die gegnerischen Hände geliefert. Ein
Kampf rechtzeitig zum Bahnhof zurückge-
rufener Maerkerscher Truppen mit den
Putschiften, die durch einen Feldwebel
geführt wurden und sich wie üblich durch
befreite Sträflinge verstärkt hatten,
machte dem Putschversuch ein Ende. —
Jn dem unruhigen Staate Braun-
schweig machte sich zu gleicher Zeit
eine neue Spannung bemerkbar. In der
Stadt selbst waren^. wts man wußte.

Hermann Müllec, Speztalausnahme

cler neue Leitec unsecec klußenpolitik.
 
Annotationen