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Deutsche Kriegszeitung — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29017#0101
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N. . 14 - 6. April 1919

Derrtsche

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Flluftrrerte Wochen-TluKgabe

L) e r° cr rr S y e y e b e n v c» rn

SerlLner^ Kokul An?eiyer

klus grotzer Zett

Von einem alten preuftischen Gfsiziec.

60XI.II.

Die Zuspihung der polnischen Arage.

ie vergangene Woche hat die Frage
Ler Landung polnischer Truppen,
die bei Schluß der Redaktion ihre Lösung
noch nicht gefunden hatte, auf das be-
denklichste gestaltet. Das Verhalten der
deutschen Regierung gegenüber.den For-
derungen Nudants hatte allerdings
einem Teil der nicht ganz durch Haß
gegen das Gebot der Klugheit verblende--
ten Feindespresse zu denken gegeben und
selbst ein Blatt roie die „Times" veran-
laßt, Lloyd-George den Vorwurf zu
machen, daß er sich ohne die geringste
Sachkenntnis von polnischen Parteipoli-
tikern mißbrauchen liehe, aber es schien
-doch, als lasse man von seiten der Alliier-
ten den Franzosen in polnischen Ange-
llegenheiten die Führung, und daß wir
von diesem Gegner lediglich schwerste
ilbergriffe zu erwarten haben, dessen
dürfte sich heute auch wohl der ver-
trauenseligste Deutsche klar geworden
sein. Dem französischen Haß gegenüber
konnte selbst die Warnung eines Blattes,
das als Hetzblatt ersten Ranges in
Frankreich sonst hohes Ansehen genießt,
des Londoner „Daily Expreß", keine
Wirkung ausüben, wenn es in einem
Anflug von gesundem Menschenverstand
erklärte, die Abtretung von Danzig
würde Deutschland den Vorwand geben,
den Friedensvertrag als eine Verletzung
der Wilsonschen Grundsätze zu ver-
werfen. — Alle diese Stimmen waren
nber nur eine vorübergehende Erschei-
nung der Auflehnung gegen die allzu
schroffe Zügelsührung Frankreichs, denn
bereits am 26. März ftiehen die „Times"
und das „Daily Chronicle" mit Pariser
Blättern in dieselbe Trompete und ver-
langten „energisches militärisches Ein-
schreiten zugunsten der Polen und
Tschechoflowaken", wenn auch zunächst
gegen Ungarn und den russischen Bol-
schewismus, so doch indirekt auch gegen
unsere Stellung im Osten, da nun ein-
mal die Landung in Danzig angeblich zu
diesen energischen Maßnahmen gehört.

Ein Ultimatum an Deutschland

ließ denn auch nicht lange aus sich war-
ten. Es wurde am 26. März abends von

dem französischen Vorsitzenden General
Nudant in Spa dem Vorsitzenden der
Deutschen Waffenftillstands - Kommission
überreicht und war durchaus in dem
überhebenden Stil des Siegers abgefaßt.
Es lautete:

^Zn Übereinstimmung mit der Ent-

scheidung des Obersten Kriegsrates der
alliierten und assoziierten Regierungen
wird General Nudant in Ausführung
der Klausel 16 des Waffenstillstandes
vom 11. November 1918 fordern, daß die
Deutschen gestatten, daß die Armee des
Generals Haller, welche ein Teil der
alliierten Armee ist, durch Danzig
in Richtung auf Polen frei

durchmarschiere mit dem Zweck,
dort die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die
Deutschen werden sich weiterhin ver-
pslichten, alle Erleichterungen für die
oorübergehenden Einrichtungen jeder Art
zu geben, die sür die durch diesen Hafen-
platz marschierenden Truppen notwendig

sind. Iede Weigerung, diesen
Forderungen zu entsprechen,
wird als ein Bruch des Waf-
fe nst i l lst a n d e s durch die Deut-
schen angesehen w e r d e n. Jn-
folgedessen bitte ich Sie, von der deut-
schen Negierung die Vollmachten zu
verlangen, die nötig sind, um die Art und
Weise der Ausführung dringendst und

auf Grund gegenseitigen übereinkom-
mens §u regeln."

Eine wohlbegründeke deutsche Weigerun^

war die Antwort auf dieses Ultimatum.
Seit der Annahme der unerhörten
Waffenstillstandsbedingungen durch ein
noch in den Waffen starkes Deutschland
hatte man sich in den Kreisen der Alliier-
ten freilich daran gewöhnt, Deutschland
und seine Regierung als eine „Hunntitä
n68li86adl6" zu betrachten, aber man
hatte vergesfen, daß sich selbft oer Wurm
krümmt, wenn er getreten wird. Jeden-
falls ermannte sich die deutsche Regie«
rung dieser neuen feindlichen Heraus-
forderung gegenüber zu einer Antwort,
die den Alliierten angesichts der Vor«
gänge in Ungarn eine ernste Warnung
sein müßte. — Die Armee Haller, die
man zur Bekämpfung des Bolschewis-
mus nach Polen werfen wollte, hat eine
Kopfstärke von 35 000—45 000 Mann.
Dah ihr Durchmarsch durch Westpreußen
und das Verbleiben ihrer aus Polen be-
stehenden Etappen in dieser Provinz die
jetzt nur mit Mühe in Ordnung zu hal-
tenden Polen zum offenen Aufruhr trei-
ben würde, lag auf der Hand. Es blieb
daher Deutschland, wenn es nicht einen
noch schlimmeren Selbstmord begehen
wollte als am Tage der Annahme
der Waffenstillstandsbedingungen, nichts
weiter übrig, als selbst auf die von den
Alliierten angedrohte Gefahr hin die
Annahme des Ultimatums abzulehnen,
dabei aber üurch einen Gegenvorschlag
ein Einlenken der Alliierten zu ermög-
lichen.

Der Worflaut der deukschen Ankwork

war folgender:

„Gemäß Artikel 16 des Waffenstill-
standsvertrages vom 11. November 1918
hat sich die deutsche Regierung verpflich-
tet, den Alliierten freien Zugang über
Danzig und die Weichsel zur Aufrecht--
erhaltung der Ordnung in den Gebieten
des ehemaligen russischen Reiches zu ge-
währen- Bei Abschluß dieses Vertrages
gingen wir jedenfalls davon aus, daß es
sich nur um freien Durchzug für alliierte
Truppen handeln könne, nicht aber um
polnische. Die deutsche Regierung hat
sich nicht verpslichtet, freien Zugang für
eine polnische Armee über Danzig durch
Westpreußen zu geben. Jn dieser Auf-
fassung sieht die deutsche Regierung sich
bestärü durch die bekannten VorkomM-

konterclclmirclk v. Trotha, Phot. Krah

cler neue Lhef cler klämicalität.
 
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