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Deutsche Kriegszeitung — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29017#0117
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Nr. 16 - 20. April 1919

PreislZ Pfennlg

JUuftrrerte BZochen-AuSgabe

H e 17 cr rr S g e g e b e n r? c, rri

Seeltnee Kokolt-An?eiyee

klus grojzer Zeit

von einem alten preuftjschen Gffizier.

06XI.IV.

Schwere kämpfe in Bayern.

^ie oergangene Woche war zwar im
^ allgemeinen nicht weniger stünnisch
als die oorhergegangene, sie zeigte aber,
daß der gesunde Menschenverstand in
Deutschland doch noch die Oberhand
hat und sich Räterepubliken nach
russischern Muster nicht gesallen läßt.
Zum Teil ist dies ohne Zweifel dem Um-
stande zu danken gewesen, daß die alte
Münchener Regierung sich keineswegs
geduldi-g in ihr Schicksnl fügte und auf
den Voüschlag, abzudanken, nicht hinein-
fiel, zum größerenTeil aber wohl derTat-
sache, daß die Münchener Räteregierung
von einer Torheit in die andere verfiel
und sich damit selbst ihre Stellung unter-
grub. — Anfänglich schien der Anhang
der Räteregierung zu wachsen. Augsburg,
Schweinfurt, chof und Ansbach schlossen
sich ihr bereits am 7. Llpril an, aber die
Bevölkerung Niederbayerns und der
Oberpfalz war bei der Ausrufung der
Räterepublik nicht befragt worden, und
die Garnisonen in Niederbayern blieben
passiv, während die hartköpfigen Bauern-
räte Mittelfrankens erklärten, die Regie-
rung chosfmann mit allen ihnen zu Ge-
bote stehenden Mitteln unterstützen zu
wollen. Auch die Arbeiter- und Solda-
tenräte Nürnbergs verhielten sich ableh-
nend.

Jn München spitzte sich ein Gegensatz
zwischen den Kommunisten und dem revo-
lutionären Zentralrat immer mehr zu.
Der letztere bedröhte zwar ganz in kom- '
munistischem Sinne Ofsiziere, Studenten
nnd Bürger mit saforti-ger Festnahme und
Aburteilung durch „Revölutionsgerichte",
mußte es aber erleben, daß seine eigenen
Beoollmächtigten auf dem Oberwiesem
feld von Kommunisten als Geiseln ver-
hastet wurden. Der Anarchist Mühsam
wurde sogar von Kommunisten vcrprü-
gelt. Daß aber das 2. Jnsanterie-Regi-
rnent der Räterepublik seinen Schutz aus-
sagte, war sür diese ein bedrohliches An-
zeichen.

Der revolutionäre Zentralrat hielt es
denn auch sür angebracht, Beruhigungs-
pillen zu verteilen, indem er erklärte, die
Sparkassenguthaden würden nicht ange-
tastet und Plünderer mit dem Tode be-
strast werden. Mit derselben Strafe be-
drohte er alle „Gegenrevolutionäre".

Aber weder die Pillen noch die Drohun-
gen wirkten. Die drei bürgerlichen Par-
teien Bayerns erklärten im „Erlanger
Tageblatt", daß sie nach Ausrufung der
Räterepublik nunmehr die Lostrennung
der drei fränkischen Provinzen und der
Oberpsalz von Bayern betreiben würden,
und dieBauernschaftOberbayerns, Schwa-

bens und des Allgäu stellte sich geschlossen
hinter das Ministerium choffmann. Über
München und Augsburg wurde, bis zum
Nücktritt der Räteregierung, die Lebens-
mittelsperre verhängt.

Der bayerische Landtag

wurde unterdessen in Bamberg erösfnct,
und der Militärminister Schneppcnhorst
erklürte im Namen der Regicrung choff-

mann, daß die bisherige Militärpolitik
unverändert weiterbetrieben werde und
auswärtige chilfe zur Wiederherstellung
der Ordnung nicht ersorderlich sei. —
Konnte sich nun die kommunistische Re-
gierung an einem zustimmenden Tele-
gramm ihrer bolschewisti'chen Vrüder in
Moskau erfreuen, so erhielt sie anderer-

seits eine Absage von seiten der ihnen
doch etwas nähergelegenen Regierungen
Württembergs, Badens und Hessens, die
nur eine Regierung Hossmann als zu
Recht bestehend anerkennen wollten.

Die Tciederlage der Räleherrschaft in
Würzburg

war der erste schwere Schlag für die Räte-
republik. Dort hatten in der Nacht zum

9. April Kommunisten rn d Spcwtakisten
durch Überrumpelung Geiseln aus allen
Bevölkerungskreisen aufgehoben, und die
Festung Marienberg besetzt. Mit Unter-
stützung der Regierungstruppen nahmen
jedoch Soldaten, Bürger, Studenten und
Arbeiter am 9. vormittags die Kaserne
des 9. Jnfanterie-Regiments durch Über-
rumpelung und mittags die Residenz, das
chauptquartier der Kommunisten, unld den
chauptbahnhos nach Beschießung. Jn der
Residenz fand man den chauptauswiegler
vcrsteckt. Die Feste Marienberg w«r von
den Spartakisten tampflos geräumt wor-
den, und in der Artilleriekaserne hatten
die Artilleristen den aus München gekom-
menen Soldatenrat Sauber, der sie für
die Kommunisten gewinnen wollte, kur-
zerhand sestgenommen.

Das Lhaos in TNünchen

wurde derweilen immer größer. Jn der
Nacht zum 10. wählten die Kommunisten
einen neuen Zentralrat und setzten den
Kommunistenführer 1>r. Levine, der da-
mit nicht einverstanden war, ab. Sie oer-
hasteten sodann Gewerkschastsführer als
Geiseln und entwasfneten die Schutzleute.
Gleichzeittg proklamierten sie einen Gene-
ralstreik und waren bemüht, sich zu be-
wafsneu.

Die Revolulionsgerichte,

von denen an jedem Regierungssitz in
Stärke von 28 Köpsen sofort eins i<r
Tätigkeit treten sollte, hatten Tag und
Nacht zu wirken. Die Richter, von
denen stets sieben versammelt sein sollten,
mußten aus „volljährigen revolutionüren
Bolksgenossen" bestehen. Die Urteile hat-
ten sosort vollstreckt zu werden. Das
Strafmaß lag in dem freien Ermessen der
Richter in solchen Fällen, die gegen revo-
lutionäre Grundsätze verstießen. Die Ver-
fügung vergaß nicht, den „Richtern" Ta-
gegelder zuzuertennen — und das war
ja wohl eine chauptsache.

Der „Volks'beaustragte sür Militär-
angelegenheiten" versiigte die Bil-
dungeinerRotenArmee,Zu der
nur Angehörige der arbeitenden Klassen
gehören dursten. Die Roten Soldaten
waren durch Handschlag aus strengste
Disziplin zu verpslichten. Unbeding-
ter Gehorsam wurde gsfordert. —
Am 10. begann der Zentralrat mit der
Vewasfnung des Proletariats, erregte
damit aber offenbar bei der Garnison
Anstoß, denn diese stredte, wie gerücht-
weise verlautete, nach ciner Militär-
diktatur. Höchst beunruhigt war dis

Uayerisä)er Ministerpcäsicient Oosfmann. Phor hosfmann

Zum vürgerkrieg in vayern.
 
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