Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


HlekmitenmSmtzm

KriGAtNW

D^ugspreis für Mannschasten der Divifion
20 Pfennig monatlich. für Offiziere 50 Pfg.
Durch die Post S0 Pfg. ohne Iuftellgebühr

u

der8LandMv.

Erscheiut wöchentlich » Man bestellt bei der
8. Landwehr-Division. 2lrmee-Abt. Gaede
Herausgegeben von der 8. Landw.-Dioision

Nr. 25

Sonntag, den 7. Mai

1dl«

llsmersclrcbsn.

Von Alexander von Gleichen-Rußwurm. *)

Wenn irgend ein wahres Licht unter den
vielen trügerischen Jrrlichtern erscheint, die
auf dem Morast menschlichen Elends ihren
Tanz aufführen, wenn irgend eine Leuchte
nicht trügt, die sich über den Wassern der
neuen Sintflut erhebt, so ist es die Hoffnung,
daß wir ein uraltes Jdeal verjüngt und
glänzend sehen, daß wir daran glauben und
uns daran aufrichten können.

Jm Frieden waren fast alle Jdeale matt
geworden, hatten ihre Leuchtkraft verloren,
Zuchtmeister Krieg hat viele Hindernisse
weggefegt, und wir wiederholen die erste Lehre,
die er den Menschen gegeben, aufs neue mit
unerwartetem Pathos.

Diese Lehre heißt Kameradschaft üben.

Zu den ersten großen und edlen Dingen,
die der Mensch lernte, als er aus der Urwelt
aufgetaucht, gehört, daß sich Genossen zu-
sammentun, um den Gefahren zu trotzen.
Die Poesie der Waffenbrüderschaft ist viel
älter als die Poesie der Liebe. Treue zwischen
Kampfgenossen ist das früheste Motiv ernster
Dichtung und ihr erhabenstes geblieben. Die
schönsten Heldensagen haben den Opfermut,
die unbesiegbare Treue des Kameraden mit
großartigen Zügen geschildert, aber auch das
schlichteste Lied wird groß und feierlich, wenn
es das wunderbare Gefühl enger Kriegs-
kameradschaft preist. Ein Fluch der allzu
Hochstehenden ist die Vereinsamung, ist die
eisige Ferne auch freundschaftlich Gesinnter.
Ein Segen bescheidener Lebensstellung liegt in
der leichteren Möglichkeit, iw der Selbstver-
ständlichkeit freier Kameradschaft. Sie ver-
klärt die Arbeit mit ewiger Poesie, sie hebt
den Kampf zum Heldischen.

Es gibt keinen Helden, der nicht ein treuer
Kamerad gewesen wäre.

Aufopferung des Knappen für den Ritter,
des Ritters für den Knappen, des Offiziers
für den Mann, des Mannes für den Offizier
macht sie zu Kameraden. Einer macht dem
andern das Schwere leicht, das Unmögliche
möglich, das Lebcn stolz und dcn Tod verklärt.

Die Gefahr, die allen gleich die Tat auf-
zwingt, räumt Vorurteile, Verlegenheiten,
Gehässigkeiten hinweg, und plötzlich erfährt
der unerwartet von ihnen Bcfreite ein fast
knabenhaftes Triumphgefühl. Er entdeckt
Menschen, von denen er keine Ahnung hatte;
er selbst wird entdeckt und erweist sich als
reicher und größer, als er es je geahnt.

Das kommt von dem unbegrenzten Der-
trauen des neu gewonnenen Kameraden, das
Schritt an Schritt, Schulter an Schulter mit
ihm vereinigt sein. Jn diesem neuen Ver-
hältnis fehlt jedes eitle Jmponierenwollen,
Unterdrücken, Verachten, Ausnützen, es wächst
eine Liebe auf, die schönsten Ehrgeiz in sich
trägt. Wir trachten, der Kameraden wert zu
sein, wir wollen, daß sie auf uns stolz sein
können, und wir wollen stolz auf sie sein.

Nach vielem kleinlichem Ehrgeiz, den das
bisherige Leben groß gezogen hat, bildet dieser

*) Ein Urenkel Schillers.

edle Ehrgeiz eine echte Verjüngung. Er ist
von Abertausenden erlebt worden, er ist das
denkwürdige seelische Erlebnis des Krieges und
sein Trost. Daran müssen wir uns halten, um
nicht an der Menschheit zu verzweifeln, um das
Verlorene zurückzugewinnen und Neues dazu.

Endgültig müffen wir diese Bereicherung,
die der Krieg uns gewährt, in den Frieden
hinüberbringen; für jeden einzelnen und für
das ganze Volk ein stolzer Erfolg. .

Sich in Gefahr zusammenrotten und in den
Zeiten eines Kampfes den kleinen Streit und
den Neid des Eigenlebens zu vergessen, das
nenne ich noch lange keine Kameradschaft, das
ift nur höchst primitive Abwehr, auf die keiner
das Recht hat, stolz zu sein. Wahre Kamerad-
schaft muß fürs Leben gewonnen werden und
dem Tod zu trotzen wissen. Wenn sich weiße
Hand und braune Hand innig verbrüdern,
wenn Standes- und Vermögensunterschiede
ihre Geltung verlieren dem einen allmächtigen
Gefühl der Zusammengehörigkeit gegenüber,
wenn wir die Pflicht und das Recht, Treue
zu geben und zu nehmen einer vom andern,
als ureigenstes Eigentum empfinden, dann ist
die große Lektion gelernt: „Wir wolleu sein
ein einzig Volk von Brüdern."

Es sollte ein großes Wehe ausgerufen
werden über alle, die nicht mitzulernen ver-
mögen in dieser großen Zeit und dem Jdeal
der Kameradschaft nicht folgen. Kaum zu
glauben ist es, daß es schlechte, so zurückge-
bliebene Lebensschüler gibt, die noch immer
i>as Herz haben, übervorteilen, lyrannisieren,
quälen zu wollen. Vielfach hört man Sol-
daten rühmen, wie der Vorgesetzte, der Mann
von Stand und Bildung, jeden Rangunter-
schied vergaß, mit seinen Soldaten alles teilte,
für ihre Not, für ihre Wunden, für ihre
Müdigkeit heißes Mitgefühl fand, ein Kamerad
sondergleichen. Selten dagegen hört man
klagen, daß der kaum aus der Reihe hervor-
getretene, zum Ausbilden des Nachschubs ver-
wendete Mann plötzlich jede Kameradschaft
vergaß und seine Stellung zum Unterdrücken
benutzte. Solche Charaktere sind gefährlich
im Krieg und Frieden. Solche der Kamcrad-
schaft Unfähige halten den inneren Fortschritt
auf, der durch so viel Leiden gewonnen wurde.
Sie sind wie der verstockte Schächer nicht
erlösungsfähig,unddiehöher entwickelteMensch-
heit sollte sie ausstoßen.

So heilig ist die Kameradschaft, daß sie,
obwohl sie ursprünglich festen Anschluß gegen
den Feind bezweckt, zu der ethischcn Höhe
empor zu steigen vermag, in einem gerechten,
ja in einem nur unglücklichen, geschlagenen
Feind auch einen Kameraden in weitestem
Sinne zu erblicken. So reichte der Ritter dem
Ueberwundenen, der seiner wert gewesen, die
Rechte nach dem Kampf. So begrüßen ein-
ander Verwundete, nachdem sie gegeneinander
ehrlich gekämpft, mit dem Ehrentitel „Kame-
rad*. Es gibt keinen ewigen Groll und Haß.
Viele Völker, die sich blutig bekriegten, fochten
später als treue Waffenbrüder. Auch der
schönste Friede will Waffenbrüder und muß
sie haben, alles Leid, aller Rückschritt wurzelt
irgendwie in mangelhafter Kameradschaft.

(Aus der Zeitschrift „Wieland".)

! - - Äur >in;erer vivirlon « »!

L.....»

Sairitäts-Unterstand

„waldruhe Iiza".

Am Rande eines Waldes, dessen kräftige
Eichen, Buchen und Birken und hochgewachsenes
Unterholz einen Berghang bedecken, befindet
sich ein Häuschen, fünf Meter tief in den
Kies-Lehmboden eingebaut, über dessen Eingang
ein Holzschild die Aufschrift trägt: Sanitäts-
Unterstand „Waldruhe Ziza". Mit Baum-
stämmen, Zementlage und Erde nahezu bomben-
sicher abgedeckt, gewährt die „Waldruhe Ziza"'
neun Schwerverwundeten die erste Hilfe und
Lagerstätten und fünfundzwanzig Leichtver-
wundeten einen Unterschlupf in dem nur mit
Brettern überdachten Vorraum, bis die Dunkel-
heit der Nacht gestattet, das nächste Feld-
lazarett aufzusuchen. So friedlich der Name
Waldruhe auch klingt, für dieses Häuschen
ist er doch recht euphemistisch gewählt, denn
von Ruhe im vollsten Sinne des Wortes kann
hier nicht gesprochen werden. Nur 250 Meter
entfernt wachen die feindlichen Posten in
ihren Schützengräben, einige hocken auch in
den Baumkronen des feindlichen Waldes.
Ringsherum pfeifen die Kugeln der feindlichen
Maschinengewehre und die beiderseitige Ar-
tillerie führt täglich eine recht eindringlich
vernehmbare Unterhaltung hinweg über die
„Waldruhe*, ja zuweilen in bedenklicher Nähe
sich zu Gaste ladend.

Durch die violett schimmernden Buchen-
kronen und grünen Birken rauscht der West-
wind und warme Sonnenstrahlen vergolden
den mit Laub bedeckten Boden. Neues Leben,
junges, frisches Werden ist im Hain erwacht,
und von Frühlingsluft erzählen die Amseln,
Finken und Stare. Der Frühling braust
durch den Wald und die ersten Waldblumen
strecken ihre Köpfchen heraus über die schützende
Laübdecke. Primeln, Anemonen, Veilchen,
Dotterblumen und Waldvergißmeinnicht, auch
Wiesenschaumkraut schauender alles belebenden
Sonne entgegen; an die duftende Frühjahrs-
bowle mahnt der jung-grüne Waldmeister
und begehrt sich mit dem schäumenden Naß
der unter Krachen entkorkten Sektflasche zu
vereinigen.

Draußen am Waldrande, welch ein herr-
licher Ausblick! Ueber eine sanft abfallende
Berglehne mit grünen Feldern und einigen
gelben Rapsstreifen fchweift das Auge hinüber
nach den am Abend mit bläulichem Dust
überzogenen Vogesen. Jn einem tiefeinge-
schnittenen Tal erscheint das schöngelegene
Städtchen Thann, es ragen empor die beiden
Belchen, der kahl geschossene Gipfel des Hart-
mannsweilerkopfes, der Molkenrain und Hirz-
stein, alles Namen heiß umstrittener, blutge-
tränkter Berge. Nach Süden begrenzt das
Gesichtsfeld die zackige Linie des Jura, über
den einige Schweizer Berge ihre Häupter er-
heben. An das Ohr schlägt das Kling, Kling
eines Baches. Sein Ursprung ist eine gefaßte
Quelle der Berglehne, deren klares Waffer
den Feldgrauen in den Unterständen zum
 
Annotationen