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20 Pfennig monatlich. für Offiziere 50 Pfg.
Durch die Post 50 Pfg. ohne Zustellgebühr

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Erscheiut wöchentlich » Man bestellt bei der
8. Landwehr-Division. Armee-Abt. s Lss
Herausgegeben von der 8. Landw.-Division

Nr.

Sonntag, den 5. November


»

^evbstabend <ruf unseeenr Soldatenfviedhos in Moos. !

Der Dienst ist aus. Zeit ist's zum Heimwärtsreiten.

Jch laß mein Tier mit langen Zügeln schreiten.

Sacht geht die Sonne hinter mir zur Rüste
Und küsset warm des Hügellandes Brüste.

Die ganze weite Landschaft, still und mild,

Sehnsücht'gen Herbst- und Abendfriedens Bild.

Da schiebt sich in die friedevolle Flur
Dcs finstren Krieges ungeheure Spur.

Ein Dorf, von seincm heim'schen Volk verlassen.

Nur Schützengräben wühlen durch die Gassen.

Geborstne Wände, klaffende Gemücher,

Verkohltes Sparrenwerk, zerschoffne Dächer.

Die Kirchenmauer selber zeigt, geschrägt,

Wie Schrapnel-Sturm an ihr emporgefegt.

Hier äber, gleichsam wie an fester Schwelle,

Brach sich am Gotteshaus die wilde Welle.

Von ihm beschirmt, in feierlicher Ruh,

Ziehn breite Treppen heil'gem Haine zu.

Breitäst'ge Buchen stehn im ernsten Chor.

Jch steige ab und schreite still empor.

Erschauernd halt ich an und seh sich breiten
Die Stätte Derer, die da ruhn vom Streiten.

Und schlichte Kreuze, schlichte Worte melden
Die Namen dieser namenlosen Helden.

Hier deckt der Grund ein blütefrohes Strebeu
Und dort ein reifes, ernteschweres Leben.

Gereiht die Einen, einzeln, wie sie starben,
Gehauft die Andern, eines Schnittes Garben.

Und mit den deutschen Männern hegt vereint
Die Gottes-Freistatt auch den tapfren Feind.

So lagern sie in friedlich stiller Bucht,
Geborgen aus des Weltensturmes Wucht.

So lagern sie, ein Teil der großen Mahd,
Erseh'n zu unsrer Zukunft heil'ger Saat.

Und von den Bäumen seh' ich Herbstlaub fallen
Und flatternd auf die Gräber niederwallen.

Das s pricht: Jch war, meinStamm, von DeinemSaft,

Und im Vergehn schenk' ich Dir neue Kraft.

Und durch den Hain seh ich in letztem Blinken
Den Sonnenball im fernen West versinken.

Der spricht: Jch schwinde hier, doch leucht' ich dort.

Jch daure über Rauin und Zeiten fort.

Drum, Schläfer, hört: Wohl seid Jhr heute Staub;

Doch sprießt Jhr neu in Eures Stammes Laub.

So ward auch Eurer Mannheit Sonnenfunken
Jn's große Lichtmeer nur emporgetrunken.

So wird aus Eurem Opfer unverloren
Des neuen Reiches Herrlichkeit geboren. —

Dann reit' ich durch die Nacht, die sternbesät
Still kreisend predigt, daß nichts untergeht.

Oberltnt. k.


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unreter Vivüisn"

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Melüereitetr.

Geh. Hofrat Kluge, der ehrwürdige Frei-
burger Hochschullehrer schreibt uns soeben
folgendes:

Lieber Meldereiter l

Dieser Tage ist mir auf der Straße ein
junger Urlauber begegnet. Nach der Be-
grüßung befanden wir uns gleich mitten im
Kriege und dazu in der Schlacht am Skager-
rak. Freude und Stolz begeisterten seine
Worte und mich selbst, der nun alles mit-
erlebte. Aber als wir uns dann bald trennen
mußten, ergriff mich wie schon oft die Frage:

wer hat es jetzt besser, wir Alten daheim
oder die Jungen im Aelde?

Jch habe einen Altersgenossen, der nun
auch schon seine 60 Jahre auf dem Buckel
hat. Vor dem Kriege lehrte er Latein an
der Tübinger Hochschule. Jetzt steht er an
den Vogesen als Hauptmann. Hat er es jetzt
schöner? oder früher? Und vor allem: sind
nicht die Atten im Felde zu beneiden? Oder
wir Alten daheim?

Wir sind stolz, was die Alten und die
Jungen im Felde alles leisten. Aber unser
Stolz mischt sich doch auch oft mit Neid und
Eifersucht. — Jeder Brief, der uns an den
großen Ereignissen draußen teilnehmen läßt.
und jeder Heeresbericht in seiner wuchtigen
Kürze, kann uns Alten daheim auch mit
Wehmut erfüllen. Unser Lebenlang begeisterte
uns die Liebe zum Vaterlande. Und nun,
wo Taten auf unsere Worte folgen sollten.

sind wir alt und im höchsten Sinne unbrauch-
bar. Es hat etwas Tragisches in sich. wenn
wir uns nun zur Uutätigkeit verurteilt sehen
und uns ofl nichl emmal an den Werken des
Roten Kreuzes und der Fürsorge beteiligen
können. Da ist der eine blind oder taub, der
andere altersschwach oder nervenschwach usw.

Für viele von uns Alten sind die Träume
von Heldentum, die uvsere besseren Jahre
belebten und mit denen wir auch die heran-
wachsende Jugend za erfüllen trachteten, zu
nichte geworden. Wir dürfen nur in Wort
und Schrift nacherleben, was andere wirklich
erleben. Das große Schauspiel der Weltbühne
ist für uns Alten daheim — ach! — ein
Schauspiel nur. Wir sühlen uns oft gleich
den größten Helden der Vorzeit gefesselt und
festangeschmiedet, um tatenlos von Weitem
zuzuschauen, was andere leisten und wenn
es sein muß — mit dem Tode besiegeln.
 
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