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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0032
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— 30 —

Ränder hervorgebracht sein. Die angewandten Farben waren Blau, Roth, Grün von derselben Stärke.
Doch während wir an den perikleischen Bauten durchgängig nur einen einzelnen Rand (eine Schale)
um das Ei finden, treffen wir an den olympischen Fragmenten doppelte Ränder, Schale und Zwischen-
räume und die Schale von derselben Farbe wie das Ei. Wir dürfen daher nicht eine allzu stereotype
Farbenanwendung oder Zeichnung voraussetzen. Dass Ausnahmen von der Regel selbst an den peri-
kleischen Bauten vorkamen, sehen wir aus der Sima der Propyläen und aus dem lesbischen Kymation
unter dem schrägen Geison an dem westlichen Giebel des Parthenon.

Aber der Sinn dieser Eierstäbe? Ja, der wird manchen speculativen Köpfen vielleicht gering er-
scheinen: was man will, Blätter, Früchte, Muscheln, Eier — eine einfache Augenlust, deren ursprüngliche
Bedeutung wahrscheinlich bald vergessen wurde; nur die conventioneile Form wurde wieder und wieder
bearbeitet, um neue und lebendige Wirkungen hervorzubringen. Doch die Anwendbarkeit der Form
für den angestrebten Zweck, ihre wundervolle Schönheit, ihre Biegsamkeit haben sich bis auf den
heutigen Tag glänzend bewährt.

Wir sind ja darüber einig, dass diese stark gefärbten Glieder sich von einem, wenn nicht weissen,
so doch hellen und neutralen Grunde abhoben. Sobald man nun auf den Gedanken kam, mehr Farbe
auf die Wände zu verwenden, wie es wohl zuerst bei ionischen und korinthischen Bauten geschah, konnte
man die stark gefärbten Glieder auf dem stark gefärbten Grunde nicht beibehalten, und man verfiel also
darauf, die Farbe auf die Zwischenräume und die Ornamente der Glieder zu beschränken. Dass man aber,
nachdem man erst die Eier und andere Ornamente farbig gesehen hatte, dieselben auf einmal weiss auf
weissem Grunde lassen sollte, das kommt mir doch zu unwahrscheinlich vor.

Newton fand in Halikarnass Reste von Herzblättern mit gefärbten Zwischenräumen, Rayet hat
ähnliche Farbenspuren an dem Tempel des didymäischen Apollo zu Milet gefunden. Vielleicht lässt sich
hier der Uebergang verfolgen, doch dies gehört schon mehr unter eine Erörterung über die ionische
Polychromie. Gemalte ionische Capitäle sind auf der Akropolis zu Athen gefunden; die besten Wieder-
gaben von diesen, doch wahrscheinlich ziemlich stark restaurirt, finden sich bei Lebas.

Am Ende, nachdem der Werth des sculpirten Stabes als Rahmen hinlänglich erkannt worden
ist, wird die Farbe ganz weggeworfen; wir sind dann bei den Römern angelangt. Von den Herzblatt-
stäben, die ja nur eine Varietät von Eierstäben sind, und die ja auch an dorischen Monumenten vor-
kommen (z. B. an den Anten des Nemesistempels in Rhamnus und des Tempels von Sunion), von den
Perlenstäben, die ja selten als selbständiges architektonisches Glied auftreten, und von der Verwendung
der Farben bei diesen gilt im Ganzen dasselbe, was von der Verwendung bei diesen Eierstäben gesagt
worden ist.

Welche Rolle die einfachen und doppelten Toren in der Decoration des ältesten dorischen Tempels
wenigstens auf Sicilien gespielt haben, davon sind wir durch die Untersuchungen der deutschen Archi-
tekten in dem 41. Winckelmannsprogramm unterrichtet. Diese Toren werden besonders an dem Geison
und Dache, mitunter auch an der Tänia angetroffen. Der Heraklestempel zu Selinunt hatte wohl einen
Torus an dem mittleren Streifen seiner Tänia angemalt. Das eigenthümliche Ornament von dem Gesimse
im Peristyl des Aeginatempels, welches Andere irrig an dem Geison angebracht haben, giebt Cockerell
am besten wieder; Stackeiberg*) hat ein Gleiches. Die Formen erinnern an Mykenä und Orchomenos.
Den viereckigen Mäander treffen wir über den Metopen des Heraklestempels von Selinunt, dagegen, so
viel ich weiss, weder an den Tänien noch an den Riemen über den Triglyphen der sicilischen Tempel.

*) Gräber der Hellenen, Tafel V.
 
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