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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0036
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oder asiatischer Kunst. Denn wenn es auch von allen zugegeben wird, dass die Griechen sowohl ihre
Tempelbauten als auch ihre Darstellungen von Gestalten der Götter und Menschen selbständig angefangen
haben, so lässt sich auf der andern Seite doch nicht die Möglichkeit leugnen, dass viele Elemente oder
Motive in ihrer Kunst von älteren Culturvölkern herrühren können, und wenn man noch immer an der
Originalität der griechischen Kunst festhält, bleibt doch die Möglichkeit übrig, dass die griechischen
Künstler durch dasjenige, was sie, wenn auch nur flüchtig, wie im Vorbeigehen auf Reisen gesehen hatten,
durch dasjenige, was fremde Künstler für griechische Tyrannen oder griechische Städte ausgeführt habeu
mochten, endlich durch kleinere als Handelswaaren eingeführte Gegenstände, Hausgötterbildnisse, Geräthe,
"Waffen u. dgl. beeinflusst waren. "Wir müssen uns also fragen, ob diejenige Abstraction von dem natura-
listischen Bilde, die das farblose Relief wie die farblose Sculptur überhaupt in sich schliesst, vor
dem Anfange der griechischen Kunst liegt, ob die Griechen sich diese Abstraction unbewusst angeeignet,
ob sie dieselbe erfunden, oder ob sie nach und nach eine Entdeckung gemacht haben, die ältere Cultur-
völker schon früher gemacht hatten.

Eür uns, die wir heutzutage leben, steht die überaus grosse Anwendung des Reliefs in der ägyp-
tischen, asiatischen und griechischen Kunst fast räthselhaft da. "Wenn wir wahrnehmen, dass die Figuren
zugleich bemalt sind, fragen wir uns: aber warum unterzog man sich der grossen Mühe, die Bilder erst
auszuhauen und dann nachher zu bemalen — hatte man ja doch Pinsel und Farben. Es hängt dies
natürlich mit der allgemeinen, sich allmählich entwickelnden Auffassung von Form und Farbe zusammen.
Wenn der Mensch von demjenigen, was er gesehen hat, ein Bild geben will, fängt er zuerst damit an,
die Umrisse des Gesehenen aufzufassen und wiederzugeben, wie uns ja schon das alte Märchen von der
Tochter des Butades lehrt. Er kann sich mit einfachen Strichen begnügen, aber auch seinem Profilbilde
die verschiedenen Hauptfarben, die er wahrgenommen und worüber sein Farbenkasten verfügt, verleihen,
doch so, dass er zugleich eine gewisse gleichmässige Vertheilung der Farben anstrebt. Ist aber der
Umriss mit Schwarz oder mit andern dunkeln Farben wiedergegeben, wird man bemerken, entweder
dass der Umriss zu den hellen Farben hart und rauh steht, oder dass demselben eine gewisse Abrundung
fehlt. Nimmt man hingegen die Sculptur mit zu Hilfe, wird man einen weichen Umriss erhalten und
die erzielte Abrundung mehr oder weniger erreichen, ohne dass es nothwendig wird, die Lokalfarben zu
ändern oder zu mischen. Die Mischungen werden späteren Beobachtungen und Studien vorbehalten.

Hierzu kommt noch, dass man natürlich zu Anfang weder so gute Malgründe noch so dauer-
hafte Farben kannte als diejenigen, welche eine entwickeltere Technik später darstellte. "Weil nun ein
Tempel, ein Grab, eine Königswohnung nach den Vorstellungen der Alten, vielleicht mehr noch als nach
unseren, rein und sauber sein sollte, bedurften die Bilder von Zeit zu Zeit einer Erneuerung. Wie
konnten sie aber erneuert werden, ohne dass sie verdorben wurden oder zu Grunde gingen? Ganz ein-
fach dadurch, dass der Umriss entweder aus der Bildfläche hervorgehoben oder in dieselbe hinein vertieft
wurde (Basrelief und Koilanaglyphe). In Aegypten findet man, wie bekannt, beide Arten von Reliefs
angewandt. Warum man aber die eine oder die andere Art wählte, ist nicht immer aufgeklärt. Prisse
dAvennes meint, dass die Koilanaglyphe im Ganzen später zur Anwendung kam als das Flachrelief,
und doch scheint es, als ob die Koilanaglyphe leichter darzustellen wäre. Vielleicht kam diese 'ausser
in den Hieroglyphen namentlich für Darstellungen im Freien und auf weiten Entfernungen in Gebrauch;
ihre Wirkung ist in dieser Beziehung wahrhaft erstaunlich.

Es lässt sich also nicht leugnen, was übrigens Andere mit speciellerem Hinblick auf griechische
 
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