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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0041
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— 39 —

malte Verzierungen bestimmt, und neben diesen plastischen Porträts standen andere Grabmäler, auf
welchen die Familienbilder nicht nur in Machmalerei vorgestellt, sondern von den berühmtesten
Meistern der damaligen Zeit, wie z. B. Nikias, in Enkaustik vollständig ausschattirt waren. Ganz
farblose Reliefs würden sich ja neben diesen gar nicht behaupten können, und weisse Figuren auf
einem farbigen Grund wenig lebendig erscheinen. Fellows hat aus Lykien einige Zeichnungen von
einem Grabe bei Myra mitgebracht, das sich übrigens auch bei Texier*), doch ohne Farben, befindet.
Die Darstellungen, ein Mann beim Todtenmahl und eine Abschiedsscene, sind den athenischen Grabreliefs
völlig gleich; wir begegnen demselben Stil wie auf dem Grabplatze am Dipylon. Die Figuren standen
in kräftigen, neutralen Farben, Violett, Gelb und Fleischfarbe, auf einem rothen Grund.

Auch von etruskischen Gräbern lassen sich etliche gemalte Sculpturen heranziehen, welche die
Farbenanwendung bei den griechischen erläutern, nicht nur der hinlänglich bekannte Sarkophag von ge-
brannter Erde im Louvre, der sich früher im Museo Campana befand und zwei liegende Figuren zeigt,
sondern auch die weniger besprochene liegende weibliche Figur von dem Sarkophage Casuccini in
Florenz, die sich in den Mon. ined. abgebildet findet.

Es giebt auch etruskische Sarkophage mit farbigen Reliefs an den Seiten, z. B. Inghirami I v. 2;
aber ein so buntes, bäuerisches Colorit wird doch kaum griechisch sein.

Die tanagräischen Figuren haben über ihrem weissen Kreidegrund eine fast vollständige
enkaustische Bemalung, das Nackte ist meistens weiss gelassen. Warum trägt man so viel Bedenken,
eine gleiche Bemalung der Marmorstatuen vorauszusetzen?

Die Augustusstatue aus Prima Porta, deren gefundene Farbenspuren verzeichnet sind, und die
pompejanische Venus in grünem Gewände, die sich auf eine Nike stützt, hätten uns über diese Be-
denken hinweghelfen sollen.

Auch an den fabrikmässig vervielfältigten Terracottafriesen, die wir bis in die Zeit der römischen
Kaiser ja vielleicht noch unter den Antoninen treffen, finden sich Farbenspuren.

Auf der anderen Seite dürfen wir uns nicht verhehlen, dass wir viele Marmorstatuen, besonders
von den letzten Zeiten der griechischen Kunst haben, an denen zwar deutliche Farbenspuren gefunden
sind, welche aber in decorativer Beziehung keine grössere Bedeutung gehabt haben, als die toreutischen
Verzierungen an den Erzfiguren. Unter diese sind zu zählen die eben wegen ihrer Farbenspuren be-
rühmte Diana aus Herculaneum, die mediceische Venus, die Gruppe des Künstlers Menelaos in der Villa
Ludovisi, die alle theils goldenes Haar, theils goldene oder gefärbte Säume an den Kleidern gehabt
haben, während sich sonst nicht die geringste Spur von Farbe gezeigt hat.

Auch an den pergamenischen Reliefs sind keine Farbenspuren vorgefunden**), während solche von
Newton an den Reliefs des Mausoleums wahrgenommen waren. Die Entwickelung der Sculptur
führte in späterer Zeit von der reichen Verwendung von Farben immer mehr ab, und wenn man zur
Zeit der Antonine wieder zur Farbe zurückkehrte oder die Gewänder aus buntem Marmor ausführte,
während das Nackte aus weissem oder schwarzem Marmor gemacht wurde, können wir hierin nur
eine jener Pendelschwingungen erblicken, in denen sich der menschliche Geist bewegt.

So haben wir denn für unsere Wanderung vom ältesten bis zum jüngsten dorischen Tempel eine
reiche Auswahl von Farbenverwendungen zum Vergleichen. Es scheint uns Nichts zu hindern, uns eine
Entwickelung von einem schweren alterthümlichen Tempel mit oligochromen Figuren in weissen Metopen

*) Asie Mineure, III. Tafel 228—30.

*) Nur gemalte Augensterne. Archaol. Zeit f. 1884, S. 147.
 
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