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Polska Akademia Umieje̜tności <Krakau> / Komisja Historii Sztuki [Hrsg.]; Polska Akademia Nauk <Warschau> / Oddział <Krakau> / Komisja Teorii i Historii Sztuki [Hrsg.]
Folia Historiae Artium — 25.1989

DOI Artikel:
Kalinowski, Lech: Załamane ręce apostoła w Ołtarzu mariackim Wita Stwosza
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https://doi.org/10.11588/diglit.20543#0080
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weinung Christi auf einer Miniatur von Jean Pucelle,
1325—1328, in dem Stundenibueh der Jeanne d’Evreux
(Abb. 6). Allerdings ist es schwer, eine direkte Verknüp-
fung dieser beiden Werke aufzuzeigen. Die Wurzel der
Stoss’schen Konzeption ist irgendwo anders zu suchen.
Für die Genesis der Apostelfigur mit gerungenen Hän-
den ist nämlich nicht nur das Gerungensedn der Hände
von Bedeutung, sondern auch und vor allem eine solche
Anordnung derselben, dass sie zusammen mit der von
einem anderen Apostel unterstützten Maria eine aufge-
türmte Gruppe bildet, die von Dossnitzer zutreffend mit
der Pyramide verglichen wird. Nun, wir finden diese
Anordnung in einigen Passionsdarstellungen, wie z. B.
in der Kreuzigung aus dem kleinen Diptychon in Bargel-
lo, 1350—1360 (Abb. 20), der Kreuzigung an der Kasel
vom Ende des 14. Jhs. in Brünn (Abb. 21), sowie bei
dem Meister des Altars von Rajhrad im Zug auf den
Kalvarienberg, vor 1420, auch in Brünn (Abb. 22). In die-
sen Werken erfolgt der Übergang von dem rein ausseren
Zusammenhang zwischen der ihre Hände ringenden Ge-
stalt und der aufgefangenen Maria, der sich aus deren
Zusammenfassung in einer Gruppe ergibt, zu einem in-
neren, durch das Aneiinander-Gewendetsein aller drei
Personen bedingten.

Ein solcher Zusammenhang ist ausdrücklich vorhan-
den in dem ersten der drei bayerischen Reliefs zum The-
ma Kalvarienberg, um 1480, aus dem 1701 abgebrochenen
Ridler Frauenkloster in München, die sich z.Z. in den
Staatlichen Museen in Berlin befinden und die Einfüsse
der niederländischen Malerei aufweisen. Oberhalb des
hl. Johannes, der die wankende Maria unterstützt, hebt
eine der höher stehenden Frauen, nach vorne gebeugt,

in die Höhe ihres Hauptes ihre vor das Gesicht gestreck-
ten Hände (heute fehlt die rechte Hand und der linke
Unterarm samt Hand; ursprünglich waren die Hände
vermutlich gerungen) (Abb. 23). Trotz der Stilunter-
schiede scheint es, dass es eben in diesem bayerischen
Relief die Wurzel für die künstlerische Absicht zu su-
chen ist, die Stoss in der aufgetürmten Gruppe, zusam-
mengesetzt aus Maria und den beider^ Aposteln, in dem
Krakauer Marienaltar verwirklicht hat.

Für die inspirierende Rolle der bayerischen Plastiken
spricht auch die Ähnlichkeit zwischen dem Apostel mit
dem Fuss eines abgebrochenen Gefässes links von der
Entschlafung-Szene im Marienaltar (Abb. 1) und der
im Profil sichtbaren Frau auf dem ersten Relief, die
mit der linken Hand den Saum ihres angehofoenen Ge-
wandes vor sich hält (Abb. 23).

Stoss hat in der Entschlafung Mariä die dem Aus-
diruicksmiittelbestand der Passionsszenen entnommene hef-
tige Geste der über dem Haupt gerungenen Hände an-
gewendet, weil sie seiner inneren Vision und seinem
schötpfenischen Temperament entsprach. Er tat das als
erster; dann wurde dieses Motiv in den Entschlafung-Sze-
nen wiederholt, allerdings immer Ln traditioneller Weise
(Abb. 26—27).

Eine besondere Stelle in der pathetischen Konzep-
tion der gerungenen Hände des Apostels nehmen die
kunstvoll, meisterhaft verflochtenen Finger ein, für die
kaum ein anderes Vorbild gefunden werden kann als
das im Geiste des Künstlers selbst.

Übersetzt von Juliusz Zychowicz
 
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