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Plattner, Georg A.; Quatember, Ursula; Hanslmayr, Regina; Aurenhammer, Maria; Universität Wien [Hrsg.]
Die Skulpturen von Ephesos: Bildwerke aus Stein (Band 10,2): Die Skulpturen von Ephesos: Die Hermen — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48538#0097
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B.5 Kolossaler Pfeiler mit der Körperherme eines geflügelten Eros (Kat. B9) 97
des Tierfells findet sich in verwandter Weise auch bei einer Statue des Pan in Kopenhagen613 und
des Dionysos aus der Villa Hadriana614. P. Zänker bezeichnete dieses Motiv als Steigerung des
Reizes, der im Unterschied zwischen der stofflichen Qualität des Tierfells und des >menschlichen<
Inkarnats begründet liegt. Da es sich dabei um ein typisches Stilmittel hadrianisch-antoninischer
Zeit handelt615, wird man davon ausgehen können, dass es sich um eine dem Zeitgeschmack
folgende >Verbesserung< des Vorbildes handelt. Auch bei dem Hermeroten in Kopenhagen endet
das Fell knapp oberhalb der kindlichen Scham. Gleiches galt auch für den Hermeroten in Newby,
bevor das Fell in der Weise ergänzt wurde, dass es das Geschlecht verdeckt616.
Der Hermerotenpfeiler in Ephesos trägt - wie bereits erwähnt - als einzige Wiederholung kein
Tierfell, sondern einen Mantel, der auf der gesenkten Schulter befestigt und in lang gezogenen
Bögen über die Brust geführt ist. Diese Art der Manteldrapierung, bei welcher der Kopf büs-
tenartig vom Körper getrennt wird, ist ein beliebtes Versatzstück bei der römischen männlichen
Idealplastik und wurde zuletzt von C. Landwehr eingehend untersucht617. Sie stellte fest, dass
dieses Mantelmotiv bei griechischen Denkmälern nicht vorkommt, sondern erstmals bei der Dar-
stellung von Orientalen im 1. Jahrhundert v. Chr. auftritt618. Da die Schaffenszeit des Tauriskos in
das 2. Jahrhundert v. Chr. fällt619, können wir davon ausgehen, dass der römische Bildhauer des
ephesischen Hermeroten das hellenistische Vorbild umgebildet hat, indem er das Tierfell durch
einen Mantel ersetzte620.
Datierung
Eine zeitliche Einordnung der Erosherme von Ephesos kann nur über stilistische Kriterien ver-
sucht werden, da wir den originalen architektonischen Kontext des Pfeilers B9 nicht kennen621.
Die teigige Modellierung des Körpers mit seinen weichen, schwellenden Formen besonders im
Bereich der Brust und des Bauches findet sich auch bei der wesentlich kleineren und qualitätsvol-
leren Herme aus der Villa Hadriana. Diese weiche Gestaltung des Inkarnats, das vom Knochen-
gerüst losgelöst scheint, ist generell typisch für die Idealplastik hadrianisch-antoninischer Zeit622.
Die weiche, nicht ins Detail gehende Gestaltung der Haare lässt sich gut mit den Locken des Marc
Aurel auf dem sog. Parthermonument von Ephesos vergleichen623. Hier wie dort wurde auf eine
ausgiebige Anwendung des Bohrers verzichtet. Eine Datierung des Hermeroten in hadrianisch-
antoninische Zeit wird auch durch die Tatsache gestützt, dass die Mehrzahl der Pfeilerfiguren aus
dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt624.

613 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Inv. 158. Zänker 1974, 11 Kat. 10 Taf. 6, 6 (späthadrianisch-antoninisch).
614 Rom, Nationalmuseum Inv. 622: Zänker 1974, 103 Kat. 5 Taf. 77, 2; Raeder 1983, 68 f. Kat. I 51; 206-210
Taf. 2-4.
615 Zänker 1974, 103 und 118. Vgl. zu diesem Phänomen auch den Satyr mit dem Schweinsfell: Zimmermann 1994,
76. 78. Zu einem Beispiel aus Ephesos s. Aurenhammer 1990, 63 Kat. 42 Taf. 29 c. d.
616 Zur Ergänzung s. Raeder 1983, 57 f. Nr. I 39; H. v. Hesberg in: Böschung - v. Hesberg 2007, 49 f. Kat. N9. Bei
der Zeichnung von Reinach I, 351 Taf. 639 Abb. 144 B ist das Geschlecht noch unbedeckt.
617 Landwehr 1998, 158-160. - Beispiele für Eroshermen, die mit einem Mantel bekleidet sind: geflügelte Erosherme
auf einer Gemme in München, Daremberg - Saglio III (1899) 132 Abb. 3816 s. v. Hennae, Elermulae (P. Paris);
LIMC III (1986) 924 s. v. Eros (A. Hennary) 855 Nr. 4. Weibliche Terrakottafigur mit Erosherme: Lullies 1931,
74 Kat. 31; 77.
618 Landwehr 1998, 159 mit Amn. 98. 99.
619 Vgl. o. mit Amn. 608.
620 Der Begriff »Umbildung« wird hier nach der Definition von T. Hölscher gebraucht. Danach handelt es sich dann
um eine Umbildung, wenn am Vorbild motivische Veränderungen vorgenommen werden (Hölscher 2002, 179).
621 Zu der Fundsituation s. u.
622 Zänker 1974, 118. Vgl. beispielsweise auch den Dionysos aus der Villa Hadriana.
623 Wien, Kunsthistorisches Museum Inv. I 864. Inan - Rosenbaum 1966, 76 Kat. 43 Taf. 27, 1. Zu der Kontroverse
rund um die Datierung und Deutung des Monuments vgl. die Beiträge in: Seipel 2006; Oberleitner 2009, Taf. 44.
41 Abb. 66 (Marc Aurel).
624 Schmidt 1982, 128. - Auch die Amazonen- und Satyrpfeiler aus dem Theater von Ephesos (Wien, Kunsthisto-
risches Museum Inv. I 834. I 1615-1 1617) stammen aus antoninischer Zeit. Literaturauswahl: F. Eichler, Eine
 
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