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Fraenger, Wilhelm
Hochzeit zu Kana: ein Dokument semitischer Gnosis bei Hieronymus Bosch — Berlin, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.29112#0064
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Häuptling einer ketzer AristliAen Gemeinde heiratet er in eine ketzer-
jüdisAe Familie ein. Diese ist tolerant genug, ihm eine so erfolgreiAe
Missionsarbeit in ihrem Hause zu gestatten, daß er niAt nur seine
Braut, sondern auA seine SAwägerin bekehren konnte. Er wiederum
hat niAts dagegen, daß seine HoAzeitsfeier im ZeiAen jenes ab-
göttisAen Tempeldienstes vor siA geht. JedoA trotz seines Einver-
ständnisses, das Nuptialmysterium zu zelebrieren, dient es ihm nur
zur Abkehr in die Gegenwelt, die siA in der ErsAeinung Jesu offen-
bart. Alles in allem: der verwickeltste SelbstwiderspruA, der not-
wendig aus siA heraus zu einer Klärung und Entscheidung drängte.
*
Nur Zug um Zug ist dieser gordisAe Knoten zu entwirren, den der
Hochmeister selbst auA keineswegs mit jähem Hieb zerschnitt, son-
dern fürs erste sAied- und friedliA aufzulösen wünsAte. Gewiß, er
distanziert siA von den bisherigen Kultgenossen und wendet siA vom
KelA des Teufels zu dem KelA des Herrn. Trotzdem dringt er auf
eine SaAliAkeit der Wiedergabe, die das Mysterium als eine ernste,
stille und hochgeistige Disziplin entrollt. NiAts vom Affekt gehässiger
Entlarvung und VeräAtlichmaAung! Nichts von Rancune und Res-
sentiment, den herkömmliAen Stimmungsumschlägen der Renegaten!
So ist es ein intim AarakteristisAer Zug, daß siA die einzige
satirisAe Pointe des Gemäldes als eine naAträgliAe Umformung er-
weist: UrsprüngliA hatte der Sackpfeifer einen Partner, der die
SAwegelpfeife blies. Diese Prohlfigur ist später zugestriAen worden.
Ihre Beseitigung erfolgte niAt nur aus der bildnerischen Überlegung,
den oberen Winkel niAt zu überlasten, sondern zugleiA aus einem
inhaltliAen Grund: Sitzen zwei Musikanten beieinander, so ergibt
siA eine Genreszene, ein Duett, in dem siA einer auf den anderen
bezieht. Sitzt nur ein einziger Musikant dort oben, bezieht man ihn
notwendig auf den naAbarliAen BogensAützen, zumal wenn beide
völlig gleichgeriAtet und siA durA ähnlich kindisAe GesiAter an-
gegliAen sind. Das tertium comparationis zwisAen Musikant und
Mondgott ist der DudelsaA, der — wie der Mond in seinem Wandel —
siA bald leert, bald füllt. So aufgefaßt stand uns die SaApfeife
sAon auf dem Höllenbild des »Tausendjährigen ReiAes« gegenüber,
wo sie als Vanitassymbol die SAeibe krönt, die auf dem Haupte
des zentralen Höllgespenstes kreiselt (Abb. 26).
Diese SAnurrpfeiferei als läAerliAes NaAspiel würdigt das SAau-
gepränge des Altars zu einer aufgeblasenen NiAtigkeit herab. DoA

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