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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0010
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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

Vögel und heben sich so in die Luft. In der Höhe
aber begegnet dem König ein Vogel von mensch-
licher Gestalt und fordert ihn drohend auf, sofort
auf die Erde zurückzukehren. Alexander blickt schau-
dernd hinab und sieht tief unter sich eine große, im
Kreis eingerollte Schlange und in ihrer Mitte eine
ganz kleine Tenne. Der Vogel, dem er begegnet,
erklärt ihm, die Schlange sei das Meer, die Tenne
aber die von ihm umschlossene Erde, und befiehlt
Alexander, seine Speere zu senken. Da stoßen die
Vögel nun schleunigst herab und Alexander gelangt
unbeschädigt zwar, aber weit von seinem Ausgangs-
punkte zur Erde. Erst nach langen Strapazen er-
reicht er wieder sein Heer.

Die Anekdote ist charakteristisch für die Ent-
stehung der Alexandersage. Sie findet sich mehrfach
von andern Helden erzählt in orientalischer Über-
lieferung und ihr speziell babylonischer Ursprung
kann kaum bezweifelt werden. Im jerusalemischen
Talmud zwar wird das Abenteuer wirklich Alexander
von Macedonien zugeschriebenK, aber sonst wissen
jüdische Überlieferungen, die bis nach Russland
gelangt sind9, Meer- und Luftfahrt auch von Salomo
zu erzählen, und die Araber berichten die gleiche
Geschichte von Nimrod. Als Abraham, so erzählt
Tabari, der berühmte Historiker in Bagdad im
10. Jahrhundert, Nimrods Götzen zerstörte, wollte
der ihn auf dem Scheiterhaufen verbrennen; Gott
aber erhielt seinen Knecht wunderbar in den Flam-
men. Da dachte Nimrod, sich an Gott zu rächen.
Er ließ einen viereckigen Kasten bauen, mit auf-
rechten Spießen an den Ecken, an die je ein Stück
Fleisch gesteckt wurde. Dann spannte er vier Geier
an den Kasten und stieg bewaffnet ein; immer nach
dem Fleische schnappend, trugen die Vögel ihn so
drei Tage und drei Nächte empor. Die Erde schwindet
seinen Blicken, Nimrod ist dem Himmel nahe. Er
schießt nun drei Pfeile gegen ihn ab, die blutig zu-
rückkehren. Da glaubt er Gott vernichtet zu haben
und wendet sich zur Erde zurück, die er unverletzt
erreicht10.

5. Relief in S. Marco zu Venedig.

6. Reliefplatte im Athoskloster Dochiariu.

Außer Juden und Arabern war die Geschichte
aber auch den Persern bekannt. Leser Firdausis
werden sich erinnern, dass sie in dem großen irani-
schen Heldenbuche des Schah Name ganz ähnlich
von Kei Ka'us erzählt wird. Der hat auch die ganze
Erde und ihre Völker, ja selbst die Dewen, die bösen
Geister, bezwungen. Ihn zu verderben, lassen diese
durch einen der ihren dem Schah den hochfahrenden
Gedanken ins Herz senken, dass er nun auch den
Himmel erforsche. Die Saat des Verführers fällt
auf fruchtbaren Boden:

Die Seele des Schahs ward gedankenvoll,

Wie er flügellos kommen zum Himmel soll.

Nicht ließ er die Weisen mit Fragen verschont:

„Wie weit ist's von hier aus dem Staube zum Mond?"

Sie sprachen und er hörte sie an,

Dann macht er einen unsinnigen Plan,

Befahl, dass Leute gingen im Forst

Zur Schlafenszeit zu dem Adlerhorst,

Und viele Jungen nähmen daraus,

Verteilten je zwei in jedes Haus.

Da ließ er sie füttern Jahr und Tag

Mit Hühnern und Lämmern nach ihrem Behag.

Als jeder nun war so stark gediegen,

Daß er ein Reh könnt' unterkriegen,

Macht er aus Aloeholz ein Gestell,

Die Planken beschlug er mit Goldblech hell,

Setzt' an die vier Seiten Stangen hoch,

Wie wohl bedacht' er alles doch!

Lammschenkel er an die Stangen hing.

Sein ganzes Sinnen darauf ging.

Dann nahm er vier Adler stark und schnell

Und band sie fest ans Throngestell.

Kei Ka'us setzt' auch auf den Thron sich hinein

Und vor ihm stand ein Becher Wein.

Als hungrig wurden die Aare darauf,

Strebten sie all nach dem Fleisch hinauf,

Hüben den Thron von der Erd' empor

Und bargen ihn hoch in der Wolken Flor.

So lang' als ihnen Kraft verblieb,

Immer empor nach dem Fleisch war ihr Trieb.

So, hört' ich, fuhr er zum Himmel empor,

Und wollt' es tun den Engeln zuvor.

Auch heißt es, er sei zum Himmel geflogen










 
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