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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0011
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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

Um dort zu streiten mit Pfeil und Bogen.

Vielfältig geht davon die Sag',

Und Gott allein es wissen mag.

Sie flogen lang' und wurden dann matt,

So geht's, wer Lust an Hohem hat.

Als ihnen ausging die Kraft der Glieder,

Setzten sie traurig in Schweiß ihr Gefieder,

Senkten sich aus der Welt, der hoh'n,

Nachziehend Stangen und Schahes Thron.

Sie kamen herah in den Wald von Tschin,

Bei Amul brachten zur Erde sie ihn".

Wie man sieht, stimmt Firdausis Erzählung, die
ähnlich in andern persischen Quellen wiederkehrt,
sehr genau zu dem, was wir schon von Nimrod und
Alexander gehört ha-
ben. Das Interessan-
teste aber ist, dass die-
selbe Geschichte vor
kurzem auch in uralten

babylonischen Auf-
zeichnungen gefunden
wurde. Aus Fragmen-
ten von Täfelchen, die
im britischen Museum

in London bewahrt
werden, wurde unlängst
die sogenannte „Etana-
legende" ent-
ziffert, in der
dem babylo-
nischen He-
ros Etana, der

schon aus
dem Gilga-
mesepos be-
kannt war,
dieselbe Luft-
fahrt ange-
dichtet wird
wie Alexan-
der12.

Die Übereinstimmung mit unserer Erzählung
von Alexander, der bei seiner Greifenfahrt die Erde
wie eine Tenne und das Meer wie eine Schlange
unter sich sieht, geht hier so weit, dass wir in dieser
babylonischen Legende wohl die Quelle aller der
angeführten Überlieferungen von diesen wunderbaren
Luftfahrten erblicken dürfen.

Das abendländische Mittelalter nun übernahm
die Anekdote aus Pseudo-Kallisthenes durch latei-
nische Vermittlung. Julius Valerius zwar hat sie
nicht, aber schon ein lateinisches Alexanderlied aus
dem 9. Jahrhundert, das eine Veroneser Handschrift
überliefert, berichtet davon in Kürze 13. Ebenso kennt
die Historia de proeliis die Geschichte14. Und auch
der deutschen Dichtung war sie geläufig. Sie fehlt

7. 8. Elfenbeintafeln im Museum zu Darmstadt.

wohl bei Lamprecht, aber schon Annolied und Kaiser-
chronik wissen zu sagen, dass Alexander mit zwei
Greifen in die Lüfte fuhr15. Ausführlich erzählt davon
Ulrich von Eschenbach in seinem Alexandergedichte 16
und die Weltchronik des Österreichers Jans Enikel17,
aus welcher Quelle die Erzählung sowohl in die
Basler Bearbeitung von Lamprechts Alexander 18, als,
in Prosa aufgelöst, in die Historienbibeln überge-
gangen ist 19. Später wissen das Alexandergedicht
des Österreichers Seifrid, sowie dasjenige in der
Handschrift von Wernigerode, aber auch jüngere
Prosabearbeitungen, wie die des bairischen Arztes

Johann Hartlieb, die
Geschichte zu melden.
Dazu beweisen mannig-
fache Anspielungen in
verschiedenen Dich-
tungen20 bis herab auf

Fischarts Gargantua
ihre jahrhundertelange
Beliebtheit.

Frühzeitig hat denn
auch die bildende Kunst
sich des Gegenstandes
bemächtigt. Schon die.
Babylonier
haben Etanas
Flug mit dem
Adler aufSie-
gelcylindern
dargestellt21.
Alexanders
Greifenfahrt
aber finden
wir in der

mittelalter-
lichen Kunst
häufig genug,
so dass unser
Freiburger Kapital sich nur als ein Glied innerhalb
einer weitverzweigten Gruppe verwandter Darstel-
lungen erweist.

Hier aber ist es nun von besonderem Interesse,
die genaue Parallele zwischen der literarischen und
der monumentalen Überlieferung zu beobachten. Wie
jene mit Pseudo-Kallisthenes ihren Ausgangspunkt
im Osten gefunden hat, um dann über Italien dem
Abendlande vermittelt zu werden, so zeigt sich uns
genau derselbe Weg für die inhaltlich gleichen Denk-
mäler der bildenden Kunst.

In San Marco zu Venedig befindet sich ein Re-
lief von unbezweifelt byzantinischer Herkunft22, das
Alexanders Luftfahrt darstellt (Fig. 5). Der König
im vollen Ornate eines byzantinischen Herrschers,

!
 
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