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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0015
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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

11

Schemel unterstützt die Füße des Königs." In dieser
mit der Würzburger Fahne augenscheinlich nahe ver-
wandten Komposition scheint also die Absicht, Ale-
xander darzustellen, durch die Beischrift gesichert39.

Wie aber kam denn, so fragen wir uns, diese
Greifenfahrt so häufig in die Kirchen, wie durfte man
ein so weltlich trotziges Abenteuer wie dies frevent-
liche Aufsteigen in den Himmel hier anbringen?

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Häufig genug also finden wir unsere Szene auf Wollte man etwa das Publikum mit beliebten Spässen
Stoffen dargestellt und die streng symmetrische An- anziehen und festhalten?

Ordnung, die wir auf den Skulpturen wie in den deut- Nun gewiss nicht. Um der Moral willen stand

sehen Miniaturen vorgefunden haben, scheint wohl die Geschichte da. Die offizielle Kirche betrachtete
darauf hinzuweisen, dass das
Schema überhaupt zuerst für
textile Darstellung erfunden
wurde. Einen tatsächlichen
Beleg hierfür scheint ein ur-
altes Leinwandgewebe zu ge-
ben, das als Umhüllung einer
Reliquie in der Stiftskirche
von St. Martin in Montpezat
(Tarn-et-Garonne) verwendet,
jüngst von Pottier im Bulletin
archeologique du Comite des
travaux historiques et scien-
tifiques 1902 abgebildet und
besprochen worden ist. Unter
einer ganzen Reihe von Dar-
stellungen aus der Alexander-
sage, deren Zeichnung ägyp-
tischen Ursprungs und nicht
ohne Beziehung zu den kop-
tischen Geweben sein soll,
findet sich hier auch unsere
Greifenfahrt40. Es muss aber
jedenfalls darauf hingewiesen
werden, dass die Komposition
unserer Auffahrtsszene mit
ihrer symmetrischen Anord-
nung überhaupt keine selb-
ständige Erfindung ist, die etwa
erst für unseren Gegenstand
gemacht wäre. Sie hat sich
vielmehr unzweifelhaft einen
antiken Typus zu Nutze ge-
macht, der auch sonst mehr-
fach in die mittelalterliche
Kunst hineinragt. Ganz so
findet man den Wagenlenker

in der Quadriga auf altchristlichen Goldgläsern dar-
gestellt41 oder den Imperator auf dem Triumphwagen
etwa noch in der vatikanischen Handschrift des Chro-
nicon ecclesiae s. Sophiae aus Benevent (Fig. 18)42
oder Helios und Luna in illustrierten Psalterien by-
zantinischen Ursprungs43. Und das gleiche Schema
ward auch sonst für christliche Vorwürfe verwendet,
z. B. wenn es galt, Joseph auf dem Triumphwagen44
oder die Himmelfahrt des Elias46 (Fig. 19) darzustellen.

15. Aus der Regensburger Handschrift von
Enikels Weltchronik (Bl. 110 a).

das Tun Alexanders über-
haupt keineswegs als vorbild-
lich, wenigstens nicht als vor-
bildlich in positivem Sinne.
Vielmehr schien ihr gerade
sein glanzvolles Leben das
Memento mori am eindring-
lichsten zu predigen: dieser
gewaltige Eroberer zeigte sich
doch demselben Lose unter-
worfen wie der Niedrigste und
Schwächste neben ihm und
war ihm frühzeitig genug zum
Opfer gefallen; gerne betonte
man, dass auch der sich
schließlich mit sieben Fuß
Erde begnügen musste, dem
vorher die Welt zu klein ge-
wesen war46. Besonders übel
aber ward ihm genommen,
dass er über irdische Grenzen
unmäßig hinausstrebte. Jü-
dische Phantasie schon hatte
in der Geschichte vom Para-
diesstein solche Ungemessen-
heit gebührend gerügt, not-
wendig musste das christliche
Mittelalter den Gedanken be-
gierig aufgreifen und hat diese
Geschichte denn auch zu all-
gemeinem Nutz und From-
men oft genug erzählt. Eine
ähnliche Auffassung und Deu-
tung lag aber auch für die
Greifenfahrt sehr nahe. War
doch schon nach des Pseudo-
Kallisthenes Erzählung der
unbändige Sinn des großen Königs gerade bei dieser
Gelegenheit durch jene himmlischen Vögel ernsthaft
genug in seine Schranken gewiesen worden; kein
Wunder denn, dass das Mittelalter diese Anekdote mit
Vorliebe wählte, um dem Gläubigen zu zeigen, dass
solches „streben wider die gotheit", wie Enikel Ale-
xanders Beginnen nennt, zu keinem gedeihlichen Ende
führen könne. So hat der große Prediger Bertold
von Regensburg seinen Hörern den gewaltigen König
 
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