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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0029
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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

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41. Etruskische Henkel-
attache im Antiquarium
in München.

läufig ist112. Vielleicht hat der Fisch weiter gar keine
Bedeutung, als dass er die Sirene als ein (wie ja der
Fischschwanz beweist) im Wasser lebend gedachtes
Wesen charakterisieren soll, eine Andeutung, die um
so notwendiger erscheinen mochte, als wenigstens
die Skulptur sich unfähig erwies, dies Lebenselement
der Figur darzustellen113. So ist denn auch auf dem

unserem Freiburger Relief
besonders durch die Neben-
figuren so nahe verwandten
Sirenenkapitäl am Portal von
St. Ursanne (Fig. 28) der
Fisch der Meerfrau nicht in
die Hand gegeben, sondern
schwimmt einfach hinter
ihrem Kopfe. Dieser Auffas-
sung möchte noch zur Stütze
gereichen, dass der Sirene in
andern Darstellungen (wie
z. B. an einem Relief des in
Fig. 9 abgebildeten Tores in Remagen) ein Ruder bei-
gegeben ist, das nun doch nicht anders denn als Hin-
weis auf ihre Lebenssphäre begriffen werden kann.
Sind nun Sirenen mit Fischen in den Händen
nichts Seltenes, so steht unser Relief, das sein junges
Sirenlein einen Vogel halten lässt, mit diesem Zuge
völlig allein in aller monumentalen Überlieferung.
Man hat freilich auch hier den Vogel als Bild der
von den Lockungen dieser Welt gefangenen Seele
auffassen wollen114. Wenn nun auch nicht zu leugnen
ist, dass die mittelalterliche Kunst Vögel in ähnlicher
Bedeutung verwendet hat, so geschieht dies doch
immer in ganz andern Situationen und es wird sich
zu einer Komposition wie die vorliegende kaum
irgendwo eine Parallele beibringen lassen. Dazu
kommt nun noch, dass die Auffassung keine Erklä-
rung gibt für die zweite von links kommende Figur,
die mit ihrer eigenartigen Gebärde doch darauf hin-
zuweisen scheint, dass sie als an einer ganz bestimmten
epischen Situation oder Handlung teilnehmend ge-
dacht sei. Hier liegt also eine noch ungelöste
Schwierigkeit. Sie lässt sich vielleicht überwinden.
Doch muss ich mir versagen, hier auszuführen, wie
ich mir die Sache denke, da dies eine zu weite Ab-
schweifung bedingen würde. Es wird sich dazu aber
vielleicht sonst einmal in diesen Blättern in anderm
Zusammenhange Gelegenheit finden115.

Die vorstehenden Ausführungen wie das reich-
liche Abbildungsmaterial, das wir zur Vergleichung
vorführen konnten, werden zur Genüge dargetan
haben, dass die besprochenen Skulpturen unsers
Münsters ebensosehr in große, weitverbreitete Zu-
sammenhänge sich eingliedern, als sie innerhalb

Freiburger Münsterblätter II, 1.

42. Westgriechische Terrakotte in Berlin.

dieser Gruppen wieder eine in vieler Hinsicht ganz
eigenartige und darum höchst interessante Stellung
einnehmen. Ich habe mich, wie das dem Philologen
anstehen mag, in meinen Erörterungen ganz auf das
Ikonographische eingeschränkt, die Skulpturen nur
nach ihrem In-
halte behandelt.
Zwei Feststel-
lungen formaler
Art aber, die
sich gerade von
diesem Ge-
sichtspunkte
aus aufdrängen,

mögen doch
noch ein paar
Worte verdie-
nen, da sie für

die Bauge-
schichte unsers

Münsters nicht ganz gleichgültig, ja zum Teil viel-
leicht geeignet scheinen, auf deren ältesten, noch so
dunklen Abschnitt einiges Licht zu werfen.

Unter den Kunsthistorikern ist über das Ver-
hältnis, das zwischen den Munstern von Freiburg
und Basel besteht, und die zeitliche Priorität des
einen oder andern hin und her verhandelt worden116;
notwendig mussten hier auch unsere Skulpturen eine
Rolle spielen. Gerade von ihnen aber wird nun auch
in ernsten Schriften gern etwas obenhin behauptet,
dass sie nur eine vergröbernde Nachahmung der ent-
sprechenden Basler Vorbilder seien. Wer nun unsern
Ausführungen mit einiger Aufmerksamkeit gefolgt ist,
hat schon selbst feststellen können, dass davon gar
keine Rede sein kann. Das wird allein schon durch
die Alexanderfahrt als unmöglich erwiesen. Der ge-
naue Einklang zwischen der Freiburger Darstellung
und der entsprechenden byzantinischen in S. Marco
hat uns deutlich gezeigt, dass erstere (ebenso wie

43. Aus einem altfranzösischen Bestiaire.

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