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Zur Geschichte des Präsenzstatuts

vom 4. August 1400.

Von

Archivrat Dr. Peter P. Albert.

I

er einschneidenden Wirkung der im ersten
Jahrgang der „Münsterblätter" (S.74—83)

I mitgeteilten Satzungen für die Kapläne
^■-^Qyv) am Münster suchten diese sich anschei-
nend von Anfang an auf alle Weise zu
entziehen. Abgesehen von andern, das kirchliche
Leben jener Zeit verhängnisvoll treffenden Bestim-
mungen des Statuts wurde es hauptsächlich als große
Härte empfunden, dass der einzelne Kaplan nach
einem einwöchigen Altardienst drei Wochen lang
außer dem chorweisen Breviergebet ohne eigentliche
priesterliche Beschäftigung war. Das musste manchen
zu einem seinem Stande nicht geziemenden Lebens-
wandel verführen und manch andern, dem der Ertrag
seinerPfründeunddie durch die immer höher steigende
Zahl der Pfründnießer bedingte Verringerung der sog.
Distributionen den Lebensunterhalt kaum genügend
bieten konnte, sich nach weiterer, einträglicher Ar-
beit umzutun veranlassen, obwohl er dadurch in be-
wussten Gegensatz zu dem Statut sich setzte, das da
jeden Pfründbesitz und Seelsorgsaushilfe außerhalb
der Mauern Freiburgs ausdrücklich verbot. Die Folge
war nicht bloß eine Beeinträchtigung und Schädigung
des Gottesdienstes in U. L. Frauen Münster selbst,
sondern auch eine Lockerung des kirchlichen Lebens
in der Stadt Freiburg überhaupt. Bei der Indolenz des
mittelalterlichen Menschen währte es indes nahezu 100
Jahre, bis die von den genannten Bestimmungen Ge-
troffenen endlich solidarisch zur Abhilfe sich aufrafften.
Die Außerachtlassung des Statuts in den vorbezeich-
neten Punkten scheint sehr frühe eingesetzt zu haben,
denn schon am 16. Juni 1411 erteilte Bischof Otto
von Konstanz von seiner väterlichen Burg Rötteln aus
auf die Anzeige hin, dass etliche Kapläne der Münster-
kirche die von seinem Vorgänger Bischof Heinrich
für diese Kirche und die St. Nikolauskapelle in der
VorstadtNeuburgerlassene Gottesdienstordnung miss-
achteten und überträten, dem Freiburger Kapitels-
dekan Konrad von Munzingen und dem Kammerer
Heinrich von Capell sowie dem Stadtschreiber Johannes

Farnower volle Gewalt, gegen jeden fernerhin Zuwider-
handelnden mit kirchlichen Strafen und gegebenenfalls
mit Entziehung der Pfründnießung einzuschreiten1.

Genau lässt sich indes die Entwicklung der
Bewegung nicht übersehen, da wir längst nicht
über alle in der Sache gegangenen Schritte unter-
richtet sind. Erst mit der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts mehrt sich das Schriftenmaterial.
Vornehmlich ist es eine Urkunde vom 11. März
14722, wodurch Bischof Hermann III. von Konstanz
die von seinem Vorgänger, Bischof Burkhard, gut-
geheißenen, nun aber von dem Pfarrrektor Magister
Kilian Wolff3 und den Kaplänen in einigen Punkten
abgeänderten und gemilderten Statuten auf deren
bittliches Ansuchen bestätigt. Es drehte sich haupt-
sächlich um zwei Bestimmungen: einmal um die auch
durch das Statut vom 4. August 1400 (Münsterbll.
1, 81) getroffene Verordnung, dass die durchschnitt-
lichen Einkünfte einer jeden unbesetzten Pfründe
im ersten Jahr der Vakanz der Kirche selbst zugute-
kommen sollen, sodann um die Feier der Messe und
die auf deren Vernachlässigung gesetzten Strafen. In
beiden Fällen scheint das von Bischof Burkhard ge-
billigte Statut allzu Unbilliges geboten zu haben, das
nach einer Milderung verlangte.

Bezüglich der Pfründnießung ward nun be-
schlossen, dass jeder Priester, der zu einer Pfründe
im Münster nominiert ist oder sie mit einer andern
vertauscht, vor deren realen und korporalen Besitz-
nahme zu schwören habe, erstlich die gegenwärtigen
und künftigen Ordnungen des Chors und der Kirche

1 Originalurkunde im Münsterarchiv.

- Im Münsterarchiv.

'■' Er war der erste Dekan der Artistenfakultät an der neu
gegründeten Universität, seit 20. Februar 1465 Münsterpfarrer
als unmittelbarer Nachfolger des Mag. Siegfried Kugler, seit 1466
auch Dekan des Kapitels Freiburg, gest. 1474. Näheres über
ihn bei H. Schreiber, Gesch. d. Albert-Ludwigs-Universität 1
(1857), S. 49 und 52; H. Leo, Beiträge z. Gesch. d. Münster-
pfarrei (Kath. Kirchenkalender f. d. Stadt Freiburg 1889, S. 110
bis 156) S. 127 f.
 
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