Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
58

Kreuzer, Der Altar im Dettinger Chörlein

Links vom Beschauer erscheint zuvorderst Moses und Mond(-Sichel) Gesichter zeigen. Bei genauem

mit der Stelle Deut. 18 15: „Prophetam de gente tua
et de fratribus tuis sicut me suscitabit tibi Dominus
Deus tuus (ipsum audies): einen Propheten aus deinem
Volke und aus deinen Brüdern, gleich mir, wird dir
erwecken der Herr, dein Gott: diesen höre."

Zusehen erweist sich denn auch bald, dass wir es
hier mit je einer Zusammenstellung von alttestament-
lichen Vorbildern der Gottesmutter zu tun haben.

Die meisten dieser Vorbilder sind dem Hohen-
lied entnommen, dessen geheimnisvoller Inhalt nach

Hinter Moses sehen wir den König David mit der einstimmigen Lehre der Gottesgelehrten sich

Krone und Harfe und mit den Worten des 131. Psal- auf die liebreiche Vereinigung Gottes mit der Kirche,

mes: „De fructu ventristuiponam super sedem meam", aber auch mit jeder treu ihm anhängenden Seele be-

von deiner Leibesfrucht will setzen Ich auf deinen zieht. Die Braut des Hohenliedes ist in ganz be-

Thron.

Noch weiter im Hin-
tergrund zeigt sich eine
turbangeschmückte Ge-
stalt, hindeutend auf die
Verkündigungsgruppe,
Isaias mit seiner Pro-
phezeiung (7 14): „Ecce
virgo concipiet et pariet
filium (et vocabitur no-
men eius Emmanuel)",
siehe die Jungfrau wird
empfangen und einen
Sohn gebären (und sein
Name wird genannt wer-
den Emmanuel).

Auf der rechten
Seite vom Beschauer
aus erblicken wir ganz
vorn Aggaeus mit der
Stelle (2 s): „Et veniet
desideratus cunctis gen-
tibus", Kommen wird
der allen Völkern Er-
sehnte; dahinter König
Salomon mit Krone und
Zepter und den Worten
seines Hohenliedes (5 1):
„Veniat dilectus meus in
hortum suum", Kommen

Ausschnitt aus dem Altarblatt (linke Seite).

sonderer Weise ein Vor-
bild Marias als der Braut
des Heiligen Geistes,
und so werden die Bil-
der, welche sich für jene
gebraucht finden, als
Sinnbilder der Gottes-
mutter erkannt.

Schon die Sonne und
der Mond sind solche
Bilder.

„Wer ist die, welche
hervortritt aufglänzend
im Morgenrot, schön wie
der Mond, rein wie die
Sonne" (Hohel. 69)?
„Der Liebe Sonne bist
du uns hier oben, wie
du der Welt der Born
der Hoffnung bist", lässt
Dante (Parad. XXXIII)
den hl. Bernard die Him-
melskönigin besingen.
Ein anderes Bild: „Schön
bist du, meine Freundin,
lieblich und schmuck
wie Jerusalem" (Hohel.
6 3). So zeigt sich auf
unserem Gemälde links
vom Beschauer Jeru-

möge mein Geliebter in seinen Garten; endlich ganz salem, die „Civitas Dei", die „Gottesstadt" (Matth.

hinten im Dunkel Jeremias (31 22): „Creavit Dominus
novum super terram: femina circumdabit virum", Der
Herr schuf Neues auf der Erde: eine Frau wird einen
Mann umschließen.

Über den beiden Prophetengruppen öffnet sich
je ein landschaftlicher Ausblick. Dass es sich hier
nicht um die Landschaft handelt, innerhalb deren
die geschichtliche Tatsache der Verkündigung sich
abspielt, zeigt sofort der befremdende Umstand, dass
der Teil links vom Beschauer im hellen Licht der

5 u, 16, is), die „Königsburg" (Offenb. 3 12), die „Stadt
des Hohenpriesters" (I Mos. 14 is Hebr. 7 1), die
„Stadt des Friedens" (Jes. 54 10), in allen diesen
Eigenschaften Vorbild Marias, der Spenderin des
Friedens, der mächtigen Fürsprecherin der Christen,
der gewaltigen Schützerin gegen die Feinde des Rei-
ches Gottes, der Wohnung des Allerhöchsten. Links
und unterhalb von Jerusalem sehen wir eine Palme
und einen Rosenhag: „Erhöhet ward ich gleich einer
Palme in Cades und gleich einem Rosenhage in

hoch am Himmel stehenden Sonne, der andere rechts Jericho -- „Plantatio rosae" (Sir. 24 is). Die „Rose
dagegen im sanften Schein des ebenfalls hoch am von Jericho", d. h. die wirkliche Rose jener einst so
Himmel glänzenden Mondes liegt und dass Sonne blütenreichen Gegend, nicht die heute sogenannte
 
Annotationen