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Kreuzer, Der Altar im Dettinger Chörlein

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dreimal auf die Erde, indem er das erste Mal sprach:
„Bruder Prediger, Maria ist Jungfrau vor der Geburt",
das zweite Mal: „Bruder Prediger, Maria ist Jungfrau
in der Geburt" und das dritte Mal: „Bruder Prediger,
Maria ist Jungfrau nach der Geburt." Und bei jedem
Aufstoßen des Sta-
bes entsprosste der
Erde eine Lilie. Ob
diese Legendenicht
unserem Künstler
vorschwebte, wie
sie wohl auch An-
drea della Robbia
veranlasste, dem
Erzengel drei Li-
lienstengel in die
Hand zu geben?

Wir stehen am
Schlüsse der Er-
klärung unseres Al-
tars. Und nun wen-
den wir uns wieder
zu dem Epitaph
Renward Göldlins

von Tieffenau.
Auch dieses ist eine
Vereinigung maria-

nischer Typen.
Aber was 15 Jahre
später der Künst-
ler des Altars in
geistreicher, von

der Renaissance
beeinflusster Weise

ineinander zu
einemeinheitlichen
Bilde verwebt, das
stellt der Künstler
des Epitaphs noch
in mehr mittel-
alterlicher Art zu-
sammen in einem

Kranz einzelner
Bildchen rings um
die Gottesmutter
herum. Zu oberst
erscheinen auch bei

ihm Sonne und Mond als marianische Typen. Ihnen
schließt sich aber auf diesem Bilde ein hellleuchten-
der Stern an. Derselbe weist auf verschiedene Ideen
hin. Zunächst ist der Meeresstern in der ganzen
Kirche seit ältesten Zeiten ein beliebtes Bild der
heiligen Jungfrau. Der Meeresstern ist der Polar-
stern, weil er der feste Orientierungspunkt am

Epitaph des Renward Göldlin

Himmel ist und als solcher vor Einführung des
Kompasses für die Seefahrer von größter Bedeu-
tung, seine Verhüllung durch Nebel oder Gewölk
von größtem Übel war. Unter diesem Bilde feiert
die Kirche die Gottesmutter in dem herrlichen Hym-
nus „Ave maris
Stella — Dei mater
alma —Atque sem-
per virgo -- Felix
coeli porta".

Aber derStern,
der auf unserem
Bilde auf der Seite
des göttlichen Kin-
des erscheint, hat
auch Beziehungen
zu diesem. II Mos.
24i7 prophezeit Ba-
laam: „Aufgehen
wird ein Stern aus
Jakob"; bei der
Geburt des gött-
lichen Kindes er-
scheint „sein Stern"

den Magiern
(Matth. 2 2) und
Offb. 22 16 spricht
Jesus: „Ich bin . . .

der leuchtende
Morgenstern."

Auf dem Epi-
taph findet sich fer-
ner statt der „Porta
clausa", der ge-
schlossenen Pforte,
die „Porta coeli",
die schimmernde,
glückselige Pforte
des Himmels, die
wir im Hymnus
„Ave maris Stella"

erwähnt fanden.
I Mos. 28 12 ff. ist
der Traum Jakobs
erzählt: „Und er
sah im Traum eine
Leiter aufgestellt
auf der Erde, aber deren Spitze hinanreichend an
den Himmel; und die Engel Gottes stiegen auf und
nieder an derselben; und der Herr stand über der
Leiter und sprach zu ihm . . . Und Jakob erwachte
von seinem Schlummer und sprach: Wahrhaft, der
Herr ist an diesem Ort und ich hatte es nicht ge-
wusst. Und er fürchtete sich und sprach: Wie furcht-



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