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Die antike Bildbeschreibung
auf Seite 11 jetzt zurück. Weniger ihr Eigenwert als ihr über-
mäßiger Einfluß reiht sie entschieden in die Literaturgeschichte ein,-
denn, ursprünglich auf die Prosa beschränkt, ist sie auch in die
Dichtung eingedrungen, und nachdem auf römischer Seite Ovid
den Anfang gemacht hat, sind alle späteren Dichter durch ihre
Schule gegangen.
Der „großen Rhetorik" eines Aristoteles oder Cicero ging seit
dem späteren Hellenismus im Schulunterricht die Elementarrhetorik
der Progymnasmata voran. Eine der schwierigsten Gattungen,
in denen sich der Schüler anhand von Musterstücken zu üben hatte,
viel schwerer als das „Erzählen", war dabei das „Beschreiben".
Nachdem bei Dionys von Halikarnaß J) zum erstenmal die Benen-
nung „Ekphrasis" auftaucht, sehen wir sie bei Theon und andern
zur selbständigen Übung werden,- doch speziell von Kunstwerken
haben wir die Schilderung erst gegen das 5. Jahrh. Die ersten
kommen in den Musterstücken des Libanios vor — zwei genre-
hafte Rathausgemälde. Nikolaos wendet das von Aphthonios2)
für die Beschreibung von Menschen aufgestellte und noch im heu-
tigen Sprachgebrauch weiterlebende Schema „vom Kopf zum Fuß"
für uns zum erstenmal auch auf Statuen an.
Eine Sonderstellung nimmt die ekphrastische Allegorie ein.
Auf den Spuren einiger Vorgänger, des Kleanthes und Chrysipp,
insbesondere aber des Kebes mit seinem allegorischen „Gemäl-
de"3) in einem Kronosheiligtum weiß dann der feinsinnige Kunsts
kenner Lukian4) diese Art Ekphrasis künstlerisch zu gestalten.
In einer Reihe von Vorträgen kleidet er einen Bildgedanken philo-
sophisch-allegorisch ein, und vermag zu überzeugen, daß er keine
Fiktionen, sondern mit eigenen Augen gesehene Gemälde schil-
dere. Dadurch begründete er das enge Verhältnis zwischen Ek-
phrasis und bildender Kunst, dem sein einzigartiger Einfluß auf
Kunst und Literatur der Renaissance zuzuschreiben ist,- wurden
doch seine eindrücklichsten Bildbeschreibungen unzählige Male
wortgetreu oder, wie es die späteren Künstler liebten, mit persön-
lichen Zutaten in die darstellende Kunst übersetzt.
Wenn je ein künstlerischer Vorwurf die Maler und Stecher
Jahrhunderte hindurch immer wieder beschäftigt hat, so ist es die
von L. B. Alberti in seinem „Liber de pictura" (S, 144 ff.) den
Die antike Bildbeschreibung
auf Seite 11 jetzt zurück. Weniger ihr Eigenwert als ihr über-
mäßiger Einfluß reiht sie entschieden in die Literaturgeschichte ein,-
denn, ursprünglich auf die Prosa beschränkt, ist sie auch in die
Dichtung eingedrungen, und nachdem auf römischer Seite Ovid
den Anfang gemacht hat, sind alle späteren Dichter durch ihre
Schule gegangen.
Der „großen Rhetorik" eines Aristoteles oder Cicero ging seit
dem späteren Hellenismus im Schulunterricht die Elementarrhetorik
der Progymnasmata voran. Eine der schwierigsten Gattungen,
in denen sich der Schüler anhand von Musterstücken zu üben hatte,
viel schwerer als das „Erzählen", war dabei das „Beschreiben".
Nachdem bei Dionys von Halikarnaß J) zum erstenmal die Benen-
nung „Ekphrasis" auftaucht, sehen wir sie bei Theon und andern
zur selbständigen Übung werden,- doch speziell von Kunstwerken
haben wir die Schilderung erst gegen das 5. Jahrh. Die ersten
kommen in den Musterstücken des Libanios vor — zwei genre-
hafte Rathausgemälde. Nikolaos wendet das von Aphthonios2)
für die Beschreibung von Menschen aufgestellte und noch im heu-
tigen Sprachgebrauch weiterlebende Schema „vom Kopf zum Fuß"
für uns zum erstenmal auch auf Statuen an.
Eine Sonderstellung nimmt die ekphrastische Allegorie ein.
Auf den Spuren einiger Vorgänger, des Kleanthes und Chrysipp,
insbesondere aber des Kebes mit seinem allegorischen „Gemäl-
de"3) in einem Kronosheiligtum weiß dann der feinsinnige Kunsts
kenner Lukian4) diese Art Ekphrasis künstlerisch zu gestalten.
In einer Reihe von Vorträgen kleidet er einen Bildgedanken philo-
sophisch-allegorisch ein, und vermag zu überzeugen, daß er keine
Fiktionen, sondern mit eigenen Augen gesehene Gemälde schil-
dere. Dadurch begründete er das enge Verhältnis zwischen Ek-
phrasis und bildender Kunst, dem sein einzigartiger Einfluß auf
Kunst und Literatur der Renaissance zuzuschreiben ist,- wurden
doch seine eindrücklichsten Bildbeschreibungen unzählige Male
wortgetreu oder, wie es die späteren Künstler liebten, mit persön-
lichen Zutaten in die darstellende Kunst übersetzt.
Wenn je ein künstlerischer Vorwurf die Maler und Stecher
Jahrhunderte hindurch immer wieder beschäftigt hat, so ist es die
von L. B. Alberti in seinem „Liber de pictura" (S, 144 ff.) den