Dante Alighieri
43
B. Das Dreigestirn Dante, Petrarca, Boccaccio
Dante Alighieri
Mannigfaltig ist, allgemein betrachtet, Dantes Verhältnis zur
bildenden Kunst. Bald spricht er von eigener Kunstbetätigung:
am Jahrestage von Beatrices Tod hat er sich an einen erinnerungs-
reichen Ort begeben, um sich dort ins Zeichnen von Engelsfiguren
zu vertiefen *). Bald erwähnt er eine mit Fresken bemalte Wand,
gegen die er sich in seiner Herzensnot anlehnt2), wobei wahrschein-
lich an ein sehr primitives Wandornament zu denken ist3). Eine
Szene wie den Katzen- und Mäusekrieg im Decamerone, den Bruno
und Buffalmaco im Hause ihres Opfers, des dummen Arztes Mae-
stro Simone4), anfertigten, wird man sich dabei nicht vorstellen
dürfen. In der „Divina Commedia" ließ sich Dante bekanntlich
für seine Höllendarstellung in manchem von den byzantinisierenden
Mosaiken im Baptisterium seiner Vaterstadt inspirieren5). Als
Kolossalstatue steht anderseits im Innern des Berges Ida der „Alte
von Kreta" als unerhört plastisch gedachtes Sinnbild der Menschheit
und ihrer Degeneration, die in fortschreitender Verschlechterung des
Materials vom Haupte aus Gold bis zum tönernen Fuß gekenn-
zeichnet ist (Inf, XIV, 103 ff.)6), Im Purgatorium wird der Kunst von
Oderesid'Agobbio, Franco Bolognese, Cimabue7) und Giotto
ein rühmendes Denkmal gesetzt (XI, 79, 83, 94, 95), und viele
Details bezeugen, wie wir späterhin sehen werden, des Dichters
außergewöhnliche Beobachtungsgabe für künstlerische Dinge und
sein tiefes Einfühlen in das Schaffen des bildenden Künstlers, Ob
Alighieri auf Farbeindrücke stark reagierte, bleibt ungewiß. In der
göttlichen Komödie dient die Farbe bald lediglich der großen An-
schaulichkeit und Lebhaftigkeit der Darstellung, z.B.bei der Schilde-
rung der Eisenfarbe des Gesteins, in das die büßenden simonistischen
Päpste kopfüber eingeschlossen sind, oder der gelblichen Gesteins*
färbe des Pfades, auf dem der Neid abgebüßt wird8),- bald hat sie
rein symbolischen Wert wie bei den drei Stufen vor der Fege-
feuerpforte, die Dante im Dreiklang weiß, schwarz (resp, violett,
perso)9) und rot gibt, im Effekt noch gehoben durch die darüber
liegende diamantene Schwelle (Purg.IX, 94f,), oder bei den Engeln
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B. Das Dreigestirn Dante, Petrarca, Boccaccio
Dante Alighieri
Mannigfaltig ist, allgemein betrachtet, Dantes Verhältnis zur
bildenden Kunst. Bald spricht er von eigener Kunstbetätigung:
am Jahrestage von Beatrices Tod hat er sich an einen erinnerungs-
reichen Ort begeben, um sich dort ins Zeichnen von Engelsfiguren
zu vertiefen *). Bald erwähnt er eine mit Fresken bemalte Wand,
gegen die er sich in seiner Herzensnot anlehnt2), wobei wahrschein-
lich an ein sehr primitives Wandornament zu denken ist3). Eine
Szene wie den Katzen- und Mäusekrieg im Decamerone, den Bruno
und Buffalmaco im Hause ihres Opfers, des dummen Arztes Mae-
stro Simone4), anfertigten, wird man sich dabei nicht vorstellen
dürfen. In der „Divina Commedia" ließ sich Dante bekanntlich
für seine Höllendarstellung in manchem von den byzantinisierenden
Mosaiken im Baptisterium seiner Vaterstadt inspirieren5). Als
Kolossalstatue steht anderseits im Innern des Berges Ida der „Alte
von Kreta" als unerhört plastisch gedachtes Sinnbild der Menschheit
und ihrer Degeneration, die in fortschreitender Verschlechterung des
Materials vom Haupte aus Gold bis zum tönernen Fuß gekenn-
zeichnet ist (Inf, XIV, 103 ff.)6), Im Purgatorium wird der Kunst von
Oderesid'Agobbio, Franco Bolognese, Cimabue7) und Giotto
ein rühmendes Denkmal gesetzt (XI, 79, 83, 94, 95), und viele
Details bezeugen, wie wir späterhin sehen werden, des Dichters
außergewöhnliche Beobachtungsgabe für künstlerische Dinge und
sein tiefes Einfühlen in das Schaffen des bildenden Künstlers, Ob
Alighieri auf Farbeindrücke stark reagierte, bleibt ungewiß. In der
göttlichen Komödie dient die Farbe bald lediglich der großen An-
schaulichkeit und Lebhaftigkeit der Darstellung, z.B.bei der Schilde-
rung der Eisenfarbe des Gesteins, in das die büßenden simonistischen
Päpste kopfüber eingeschlossen sind, oder der gelblichen Gesteins*
färbe des Pfades, auf dem der Neid abgebüßt wird8),- bald hat sie
rein symbolischen Wert wie bei den drei Stufen vor der Fege-
feuerpforte, die Dante im Dreiklang weiß, schwarz (resp, violett,
perso)9) und rot gibt, im Effekt noch gehoben durch die darüber
liegende diamantene Schwelle (Purg.IX, 94f,), oder bei den Engeln