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- 54' —

Die Kleinheit ist aber auch eingreifenderen Umbildungen, wie die
hervorgehobene Umformung.des Säugetier-Kiefers aus einem älteren,
aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Kiefer günstig,
während massigere Skelettteile für solche Umwandlungen bereits
verdorben sind. So liegt in den kleinen und mittelkleinen, un-
bedeutend erscheinenden paläontologischen Formen die eigentliche
phylogenetische Aufklärung, nicht aber in den großen, welche,
wie auffallend und dominierend sie auch auftreten mögen, meist
schon eingeschlagene Seitenwege bedeuten und für die wahre
Erkenntnis der Vorfahren der jetzt noch übrig gebliebenen Tiere
kein reines und reiches Licht geben.

So nehme ich an, daß jene Umbildungen zum Säugetier-
Kiefer, die uns Gegenbaue (1898, p. 398) in so lichtvoller und
überzeugender Weise dargestellt und mit vorausgegangenen ähnlichen
Umbildungen bei Fischen und Amphibien belegt hat, in sehr früher
paläontologischer Zeit bei kleinen, versteckt lebenden amphibien-
artigen Vorfahren der Säugetiere statthatten *), und ich befinde mich
mit dieser Annahme auch mit Maesh (1898) und Kingsley (1900)
in erfreulicher Ueberein Stimmung. Ob dies erst im Karbon oder
schon im Devon stattfand, wage ich nicht zu sagen; Maesh ist
der Annahme des frühesten Zeitraumes für die Entstehung der
Säugetiere zugeneigt2). Für die direkte Abstammung aller Mam-
malia von amphibienartigen Vorfahren3) sprechen die oben an-
geführten, leicht zu vermehrenden Dokumente, welche der ana-
tomische Bau der Säugetiere uns erhalten hat; die Abstammung
von Reptilien würde einen phylogenetischen Umweg bedeuten, der
durch kein morphologisches Merkmal angezeigt oder unterstützt wird.

Welcher Gruppe diese amphibienartigen Voreltern der Säuge-
tiere angehörten, ist bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis
schwer zu sagen. Sicherlich — die vergleichende Anatomie und
Ontogenese der Amphibien geben uns hierfür bemerkenswerte An-

1) Voraussichtlich begann die Umbildung des Unterkiefers mit
einer Lockerung des Dentale und des von ihm umschlossenen Ab-
schnittes des MECKEL'schen Knorpels gegenüber den anderen Unter-
kieferteilen, wofür in der Tierreihe gleichfalls Analogien existieren.

2) Bekanntlich sind von ihm auch deutlich ausgebildete Fuß-
spuren von Amphibien im Devon gefunden worden.

3) Der oben (p. 642, Anm. 1) erwähnten Ansicht Mivart's von
einem diphyletischen Ursprünge der Mammalia, der Monotremen
von Sauropsiden, der Marsupialia und Placentalia von amphibien-
artigen Vorfahren, kann ich nicht zustimmen. Für mich steht der
monophyletische Anfang der Säugetiere nicht in Frage.

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