Gurtenstützung (123); in Südfrankreich begeg-
net man Decken, die auf rechtwinkligen Trägern
ruhen (124). Doch auch Kreuzgewölbe (125) sind
trotz ihrer nicht einfachen Darstellung in der Ver-
kürzung immer so klar angelegt, daß sie bei der
Befestigung der räumlichen Gesamtverhältnisse
mitwirken.
Um der Anschaulichkeit das erreichbare Höchst-
maß zuzusichern, werden die Räume fast ausnahms-
los senkrecht zur Bildfläche angelegt (f&b. 5, 10, 12, 13)
(126). Selbst in den Fällen, wo die Räume mit ihrer
Abschlußfläche in einem andern - aber immer
noch bestimmten - Winkel auf die ideale Vorder-
grundsfläche des Bildes stoßen, bleibt die Tiefen-
führung innerhalb ihrer angegebenen Begrenzun-
gen eine gleichlaufend-senkrechte (127). Da nun
die Räume durchweg regelmäßig aufgebaut wer-
den, so gliedern sie, in der senkrechten Projektion
(123) Boccaccio Johanns ohne Furcht: Der Tyrann Dionys
von Syrakus. Paris, Ars. Bibi.,Ms. 5193 fo. 141 vo. Abbildung
bei Bella Martens, a. a. O., Abb. 4. - Pariser Stundenbuch:
Der hl. Hieronymus am Schreibpult. Paris, Nat. Bibi., Ms. lat.
1161 fol. 268. Abbildung bei Leroquais, a. a. O., T. XXVI.
(124) Klapp-Altärchen mit Szenen aus dem Leben Christi
und Heiligenfiguren. Südfranz., Ende 14. Jahrh. Franz.
Privatsammlung. Photo Giraudon 4723.
(125) Bedford Missei: Anna selbtritt mit der Herzogin
von Bedford im Gebet. London, Brit. Mus. ADD Ms. 18 850.
Abbildung bei Blum-Lauer: «La miniature fran§aise aux XVe
et XVIe siecles», T. II, 2.- Familienbild des Juvenal des
Ursins, Louvre. Abbildung bei Durrieu: «La peinture ä
l’Exposition des primitifs fran;ais»,
(126) Die Miniatur «Das Verbrechen des hl. Julian» im
Stundenbuch des Herzogs Peter von Bretagne (Paris, Nat.
Bibi., Ms. lat. 1159 fo- 155 vo.) ist einer der seltenen Fälle,
wo der Raumeindruck hauptsächlich durch einen tiefenhaft-
diagonal gestellten Gegenstand (das Bett, in dem die beiden
Ermordeten liegen) zustande kommt. Doch beweisen der
gleichlaufend zur Vordergrundslinie konstruierte schwarz-
weiße Fliesenboden sowie die Balkendecke, daß der Ge-
samtraum doch senkrecht zur Bildfläche steht. Abbildung
bei Leroquais, a. a. O., T. LIII.
(127) In einem Textbild des Boccaccio Johanns ohne
Furcht von Burgund (Paris, Arsenalbibi. Ms. 5193) mit der
Darstellung des Tyrannen von Syrakus (fo. 141 vo.) ist
der nach vorn durch einen Bogen abgeschlossene Raum
so zur Bildfläche gestellt, daß seine vordere Abschluß-
fläche von der idealen Vordergrundsfläche spitz abgewinkelt
ist. Die Raumkonstruktion ist bezüglich ihrer eigenen vor-
deren Begrenzung jedoch senkrecht. Abbildung bei Bella
Mattens, a. a. O., Abb. 4.
auf die Fläche, auch diese regelmäßig (128). Der
Raum wird von der Fläche aus, d. h. im Hinblick
auf die regelmäßige (verhältnismäßig-einheitliche)
Gliederung derselben angelegt. Die Grundrisse der
Räume sind alle regelmäßig.
Zwischen den einzelnen Raumangaben bestehen gegen-
seitige Bezüglichkeiten. Jeder Raumteil hat von An-
fang an seine feste, raumbezeichnende Aufgabe
und steht zu den anderen Raumteilen in einer be-
stimmten räumlichen Beziehung. Der dargestellte
Raum ist zwar zu Beginn der Raumdarstellung
noch nicht bezüglich der wirklichen Verhältnisse,
aber doch im logischen Sinne folgerichtig gestal-
tet. Er ist immer möglich, konstruktiv überlegt
und einheitlich bezüglich aufgebaut. Die Entwick-
lung geht bewußt vom einfachen zum schwierige-
ren Raum, und zwar so weit, als derselbe noch als
genügend klar empfunden wird.
Der in begrifflicher Regelung auf anschauliche
Weise senkrecht zur Bildfläche aufgebaute Raum
mit einfachem und regelmäßigem Grundriß und
allseitiger Übereinstimmung der einzelnen Teile
erfüllt alle Forderungen nach Einheitlichkeit. Wie
zu erwarten, spielt sich das einheitliche Geschehen
auch im einheitlichen Raume ab.
Wichtig für die einheitliche Wirkung ist vor allem
auch die klare Begrenzung des Raumes, der deshalb
die größte Bedeutung zugemessen wird. Nach
allen Seiten hin werden Abschlüsse angebracht,
die auch dann darstellerisch zur Geltung kom-
men, wenn sie nicht in Form wirklicher Schranken
gestaltet werden. Mit der Einheitlichkeit des Ge-
schehens und der strengen Begrenzung der Inhalte
auf die Bildfläche geht die Vorstellung eines all-
seitig abgeschlossenen Raumes Hand in Hand.
Der Bildraum wird ebensowenig wie die Bild-
fläche verlassen. Selbst die Landschaft wird so
angelegt, daß sie seitlich, an den Bildrändern, in
erfüllten Linien endet; Bergzüge oder Bäume wer-
den vom Rande in der Art überschnitten, daß sie
als abgeschlossen und abschließend erscheinen.
Die Vorgänger des Hintergrundsabschlusses sind
die regelmäßigen Ornamente der flächenhaften
Darstellung. Beliebt sind die geeckten oder gerau-
teten Muster, die die szenische Aufteilung erleich-
tern und für das Dargestellte als flächige Bezugsord-
nung zu verwenden sind. Das pflanzliche Schmuck-
werk und die Ranken, die in verschiedenen Stili-
("128) Vgl. S. 24.
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net man Decken, die auf rechtwinkligen Trägern
ruhen (124). Doch auch Kreuzgewölbe (125) sind
trotz ihrer nicht einfachen Darstellung in der Ver-
kürzung immer so klar angelegt, daß sie bei der
Befestigung der räumlichen Gesamtverhältnisse
mitwirken.
Um der Anschaulichkeit das erreichbare Höchst-
maß zuzusichern, werden die Räume fast ausnahms-
los senkrecht zur Bildfläche angelegt (f&b. 5, 10, 12, 13)
(126). Selbst in den Fällen, wo die Räume mit ihrer
Abschlußfläche in einem andern - aber immer
noch bestimmten - Winkel auf die ideale Vorder-
grundsfläche des Bildes stoßen, bleibt die Tiefen-
führung innerhalb ihrer angegebenen Begrenzun-
gen eine gleichlaufend-senkrechte (127). Da nun
die Räume durchweg regelmäßig aufgebaut wer-
den, so gliedern sie, in der senkrechten Projektion
(123) Boccaccio Johanns ohne Furcht: Der Tyrann Dionys
von Syrakus. Paris, Ars. Bibi.,Ms. 5193 fo. 141 vo. Abbildung
bei Bella Martens, a. a. O., Abb. 4. - Pariser Stundenbuch:
Der hl. Hieronymus am Schreibpult. Paris, Nat. Bibi., Ms. lat.
1161 fol. 268. Abbildung bei Leroquais, a. a. O., T. XXVI.
(124) Klapp-Altärchen mit Szenen aus dem Leben Christi
und Heiligenfiguren. Südfranz., Ende 14. Jahrh. Franz.
Privatsammlung. Photo Giraudon 4723.
(125) Bedford Missei: Anna selbtritt mit der Herzogin
von Bedford im Gebet. London, Brit. Mus. ADD Ms. 18 850.
Abbildung bei Blum-Lauer: «La miniature fran§aise aux XVe
et XVIe siecles», T. II, 2.- Familienbild des Juvenal des
Ursins, Louvre. Abbildung bei Durrieu: «La peinture ä
l’Exposition des primitifs fran;ais»,
(126) Die Miniatur «Das Verbrechen des hl. Julian» im
Stundenbuch des Herzogs Peter von Bretagne (Paris, Nat.
Bibi., Ms. lat. 1159 fo- 155 vo.) ist einer der seltenen Fälle,
wo der Raumeindruck hauptsächlich durch einen tiefenhaft-
diagonal gestellten Gegenstand (das Bett, in dem die beiden
Ermordeten liegen) zustande kommt. Doch beweisen der
gleichlaufend zur Vordergrundslinie konstruierte schwarz-
weiße Fliesenboden sowie die Balkendecke, daß der Ge-
samtraum doch senkrecht zur Bildfläche steht. Abbildung
bei Leroquais, a. a. O., T. LIII.
(127) In einem Textbild des Boccaccio Johanns ohne
Furcht von Burgund (Paris, Arsenalbibi. Ms. 5193) mit der
Darstellung des Tyrannen von Syrakus (fo. 141 vo.) ist
der nach vorn durch einen Bogen abgeschlossene Raum
so zur Bildfläche gestellt, daß seine vordere Abschluß-
fläche von der idealen Vordergrundsfläche spitz abgewinkelt
ist. Die Raumkonstruktion ist bezüglich ihrer eigenen vor-
deren Begrenzung jedoch senkrecht. Abbildung bei Bella
Mattens, a. a. O., Abb. 4.
auf die Fläche, auch diese regelmäßig (128). Der
Raum wird von der Fläche aus, d. h. im Hinblick
auf die regelmäßige (verhältnismäßig-einheitliche)
Gliederung derselben angelegt. Die Grundrisse der
Räume sind alle regelmäßig.
Zwischen den einzelnen Raumangaben bestehen gegen-
seitige Bezüglichkeiten. Jeder Raumteil hat von An-
fang an seine feste, raumbezeichnende Aufgabe
und steht zu den anderen Raumteilen in einer be-
stimmten räumlichen Beziehung. Der dargestellte
Raum ist zwar zu Beginn der Raumdarstellung
noch nicht bezüglich der wirklichen Verhältnisse,
aber doch im logischen Sinne folgerichtig gestal-
tet. Er ist immer möglich, konstruktiv überlegt
und einheitlich bezüglich aufgebaut. Die Entwick-
lung geht bewußt vom einfachen zum schwierige-
ren Raum, und zwar so weit, als derselbe noch als
genügend klar empfunden wird.
Der in begrifflicher Regelung auf anschauliche
Weise senkrecht zur Bildfläche aufgebaute Raum
mit einfachem und regelmäßigem Grundriß und
allseitiger Übereinstimmung der einzelnen Teile
erfüllt alle Forderungen nach Einheitlichkeit. Wie
zu erwarten, spielt sich das einheitliche Geschehen
auch im einheitlichen Raume ab.
Wichtig für die einheitliche Wirkung ist vor allem
auch die klare Begrenzung des Raumes, der deshalb
die größte Bedeutung zugemessen wird. Nach
allen Seiten hin werden Abschlüsse angebracht,
die auch dann darstellerisch zur Geltung kom-
men, wenn sie nicht in Form wirklicher Schranken
gestaltet werden. Mit der Einheitlichkeit des Ge-
schehens und der strengen Begrenzung der Inhalte
auf die Bildfläche geht die Vorstellung eines all-
seitig abgeschlossenen Raumes Hand in Hand.
Der Bildraum wird ebensowenig wie die Bild-
fläche verlassen. Selbst die Landschaft wird so
angelegt, daß sie seitlich, an den Bildrändern, in
erfüllten Linien endet; Bergzüge oder Bäume wer-
den vom Rande in der Art überschnitten, daß sie
als abgeschlossen und abschließend erscheinen.
Die Vorgänger des Hintergrundsabschlusses sind
die regelmäßigen Ornamente der flächenhaften
Darstellung. Beliebt sind die geeckten oder gerau-
teten Muster, die die szenische Aufteilung erleich-
tern und für das Dargestellte als flächige Bezugsord-
nung zu verwenden sind. Das pflanzliche Schmuck-
werk und die Ranken, die in verschiedenen Stili-
("128) Vgl. S. 24.
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