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Ganz, David
Barocke Bilderbauten: Erzählung, Illusion und Institution in römischen Kirchen 1580 - 1700 — Petersberg, 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.13166#0019

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Einleitung

Die fiktionale Darstellungsleistung, welche die Bilder-
bauten erbringen, wäre demnach konstitutiver Bestandteil
des institutionellen Umbaus der katholischen Kirche. Der-
artige Überlegungen zu einer „visuellen Konfessionalisie-
rung" laufen in eine Richtung, die für das Rom der frühen
Neuzeit zuletzt verstärkt von Volker Reinhardt einge-
schlagen wurde.31 Dass die römische Kirchenleitung bereits
nach der Rückkehr aus Avignon verstärkt am „imaginaire"
der Ewigen Stadt arbeitete, mit Bildern ebenso sehr wie aus
Steinen baute, hat Reinhardt in verschiedenen Arbeiten
klar und deutlich auf den Punkt gebracht. Seine Thesen
treffen da ins Schwarze, wo er den singulären Ausstoß an
Gemälden und Plastiken als ein Phänomen begreift, das
untrennbar mit dem besonderen modus vivendi der Stadt
der Päpste verknüpft ist. Roms unersättlicher Bedarf an
Werken der Bildkunst liegt Reinhardt zufolge in der Herr-
schaftsform des Kirchenstaates begründet. Die einzigarti-
ge und nicht unumstrittene Einrichtung der päpstlichen
Wahlmonarchie habe der Bilder als Medium externer wie
interner Stabilisierung von Herrschaftsansprüchen be-
durft.32

Aufbau des Buches

Die Arbeit gliedert sich in vier große Abschnitte, welche
das Phänomen der „barocken Bilderbauten" von unter-
schiedlichen Seiten her in den Blick nehmen. Im Vorder-
grund stehen ausführliche Analysen einzelner Beispiele,
die im Hinblick auf die Fragestellung der jeweiligen Ka-
pitel besonders aussagekräftig sind. Im ersten Teil wird
eine Einführung in die wichtigsten Strukturprinzipien
gegeben, welche die Erzählung der Bilderbauten organi-
sieren: das Strukturpotential der heilsgeschichtlichen Er-
zählstoffe, die Organisation des Ensembles durch Erzäh-
lung auf zwei Ebenen, die Steuerung der Kommunika-

tion mit den Betrachtern durch fingierte Sprecherposi-
tionen. Diese Einführung hat zugleich systematischen
und historischen Charakter, ihre Objekte sind so ausge-
wählt, dass sie den gesamten Zeitraum der Untersu-
chung abdecken. In Teil II möchte ich auf der Grundlage
dieser Ergebnisse meine zentrale These von der institu-
tionellen Sprechabsicht der Hauptraumausstattung ent-
wickeln. Die Beweisführung für diese These wäre wenig
stichhaltig ohne Gegenprobe. Eine vergleichende Be-
trachtung anderer römischer Bilderräume soll uns auf
die Spuren privater Sprechabsichten führen, welche sich
vom institutionellen Rahmen der Bilderbauten klar ab-
grenzen lassen. In Teil III möchte ich meine These in Be-
zug auf die Bilderbauten ausbauen: Es geht mir dort um
die Frage, inwiefern die Bilderbauten ihre visuelle Ar-
gumentation im Sinne einer „Bildrhetorik" reflektierten
und als gemalte Bilderlehre gegenüber anderen Bildgat-
tungen Position bezogen. Wichtige Referenzpunkte sind
dabei die moderne Gattung des „Tableaus" und die alte
des frühchristlich-mittelalterlichen Bildsystems. Teil IV
beleuchtet abschließend bestimmte Stoffgebiete, die un-
ter den Vorzeichen des Institutionellen vorrangig ausge-
wählt wurden: die Viten der Heiligen, das Wirken von
Symbolen, die Geschichten von Kultbildern und ihren
Protagonisten.

Hinweis zur Lektüre: Über das gesamte Buch hinweg wer-
den folgende Begriffe einheitlich als Termini narratologischer
und bildtheoretischer Analyse verwendet: „Projektion" und
Derivate, „Ereignis" und „Ergebnis", „historisch" und „über-
historisch", „Betrachter*" und „Beobachter*", „imaginärer
Augenzeuge*", „Bildkünstler*" und „Auftraggeber*, „Him-
melshelfer*", „Baumeister*" und „Bildner*", „Kunstsamm-
ler*" und „Götterliebling*".33 Mit * gekennzeichnete Termini
beziehen sich jeweils auf fiktive Positionen der Bildproduk-
tion und -rezeption innerhalb der Rahmenhandlung.

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