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Ganz, David
Barocke Bilderbauten: Erzählung, Illusion und Institution in römischen Kirchen 1580 - 1700 — Petersberg, 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.13166#0382

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Anmerkungen

vergleichbare Machtbegründung und Herrschaftsbasis des Papst-
tums als janusköpfige, politisch-spirituelle Größe sui generis aus-
gerichtet: für ein System, dessen weltumspannender doppelter, po-
litischer wie religiöser Primat keine, wie im übrigen Europa üblich,
dynastische, konstitutionelle [...] oder sonstwie innerweltlich ge-
wachsene Legitimierung, sondern an deren Stelle eine im Kern
übernatürliche, metahistorische [..] Begründung, also eine durch
konträre Interpretation anfechtbare Basis aufwies, war die Umset-
zung dieses komplexen Fundaments in klare, eingängige, über-
zeugende Symbole Überlebensnotwendigkeit." (V. Reinhardt
1997, S. 546-47).

33 Zur Einführung der Termini vgl. in Kapitel 1.1 die Abschnitte Re-
lais-Funktionen („Projektion"), Das Ensemble als Erzählung („Ereig-
nis"/"Ergebnis", „historisch"/"überhistorisch") und Differenzen
der Präsentation („Betrachter"/"Beobachter"), in Kapitel 2.1 die
Abschnitte Rahmenhandlung 1 („Auftraggeber*"/"Bildkünstler*")
und Rahmenhandlung II („Himmelshelfer*"), in Kapitel 2.3 den
Abschnitt Rahmenhandlung VI („Baumeister*"/"Bildner*"), in Ka-
pitel 4.1 den Abschnitt Die Sammlung eines Götterlieblings („Kunst-
sammmler*"/"Götterliebling*"), in Kapitel 5.1 den Abschnitt Die
Absorption des Betrachterblicks („imaginärer Augenzeuge*").

34 Die Dokumente im Archivio di Stato sowie im römischen Theatin-
erarchiv wurden von Howard Hibbard, Richard Spear und Anna
Coliva gründlich ausgewertet. Erhalten sind nur Zahlungsver-
merke, Verträge wurden bisher nicht gefunden. Über den Hergang
der Auftragsvergabe geben die Dokumente also nur indirekt Aus-
schluss. Zahlungen an Domenichino sind von Ende 1622 bis An-
fang 1628, Zahlungen an Lanfranco von August 1625 bis Anfang
1628 belegt, vgl. Hibbard 1961; Hibbard 1971, S. 146-48; Spear 1982,
S. 243-45. Anhand der Resultate der letzten, 1996 abgeschlossenen
Restaurierung schlägt Coliva 1996 die folgende Binnendatierung
der Arbeiten Domenichinos vor: 1623 Berufungsfresko in der Ap-
sis, 1624/25 Pendentifs (gleichzeitig Ausführung der Stuckarbeiten
im Chor), 1626/27 restliche Apsisfresken.

35 Nach Bellori 1672 (1976), S. 322 und 328, hatte zunächst Domeni-
chino den Auftrag zu Dekoration der ganzen Kirche erhalten.
Nach dem Tode Kardinal Alessandro Montaltos im Sommer 1623
habe dessen Neffe Francesco zusammen mit den Theatinervätern
die malerische Ausstattung der Kirche zwischen Domenichino
und Lanfranco aufgeteilt. F. Baldinucci 1681-1728 (1974/75),
S. 136-37 folgt dieser Version. Nach Passeri 1674 (1934), S. 148-49
waren nicht nur die anfänglichen Präferenzen der Auftraggeber
genau umgekehrt gelagert, sondern die Abläufe insgesamt eine
Stufe komplizierter: Der ältere Montalto habe die Ausmalung
schon lange vor Abschluss des Kirchenbaus Domenichino ver-
sprochen und sei später dann mit dem Kardinalnepoten Ludovico
Ludovisi übereingekommen, das Projekt Lanfranco anzuvertrau-
en. Erst auf Beschwerde Domenichinos habe sich Montalto an
sein erstes Versprechen erinnert und die zu freskierenden Partien
„salomonisch" zwischen beiden Malern halbiert. Die archivali-
schen Quellen scheinen eher Bellori und Passeri recht zu geben,
vgl. Anm. 34.

36 Die Preti-Kampagne ist nach Auffindung der archivalischen Unter-
lagen inzwischen hervorragend dokumentiert, vgl. Spike 1999 mit
einer Rekonstruktion des Hergangs. Einige Ungenauigkeiten ent-
hält der Beitrag Coliva 1999: Die von Preti ausgemalten Apsis-
wände der Kirche seien von Maderno ursprünglich zur Durchfen-
sterung bestimmt gewesen, das Langhausgewölbe sei bereits 1650
und nicht erst nach 1902 ausstuckiert worden. Das bekannte Ar-
chivmaterial widerspricht diesen Annahmen.

37 Obwohl sie durchaus auf narrativen Anschluss an das Gewölbe
hinarbeiten und auch in den Zeitrahmen meiner Arbeit fallen,
möchte ich Pretis Bilder, um die folgenden Betrachtungen nicht
über Gebühr zu verkomplizieren, aus meiner Analyse vollständig
ausklammern.

38 Stellvertretend für viele sei Morel 1984, S. 25 zitiert, der allein aus
der geteilten Urheberschaft der Fresken auf eine „clamorosa man-
canza di unitä e di integrazione dell'insieme" schließt.

39 Zur Opposition barock vs. klassizistisch vgl. Posner 1965. Zur Op-
position visionär vs. narrativ vgl. Kessler 1992, S. 330-58.

40 Malvasia 1678 (1841), S. 232-33 kolportiert eine ihm zugetragene

Geschichte, wonach „il Menichino in certo lavoro a fresco di sotto
in su, e se mal non mi racordo, in quello di S. Andrea della Valle,
aver fatto di notte segare i traversi che sostentavano l'asse, perche
giungendovi il Lanfranchi [...] mancandogli il ponte sotto i piedi,
venisse a rompersi il collo."

41 Zur Darstellung der Vitenliteratur vgl. Bellori 1672 (1976), S. 321-28
(Domenichino) u. 370-73 (Lanfranco); Passeri 1674 (1934), S. 45-48
(Domenichino) u. 148-51 (Lanfranco); Malvasia 1678 (1841), Bd. 2,
S. 232-33 (Domenichino); F. Baldinucci 1681-1728 (1974/75), Bd. 5,
S. 67-69 (Domenichino) u. S. 450 (Lanfranco). Ferrante Carlos un-
publizierte Descrittione von Lanfrancos Kuppelfresko ist ediert in
Turner 1971, S. 315-24.

42 Vgl. Kessler 1992, S. 223.

43 Zur Unterscheidung zwischen Rezeptionsgeschichte und Rezep-
tionsvorgaben als Gegenstand der Rezeptionsästhetik vgl. W. Kemp
1985, S. 20-24.

44 Etwas von diesem Zusammenhang klingt auch in der Vitenliteratur
an, wenn dort angemerkt wird, dass Domenichinos Pendentifbil-
der (gegen den Willen ihres Urhebers) die Wirkung von Lanfran-
cos Kuppelbild steigerten: „Benche Domenico coneepisse un gran
odio per l'emulazione verso il Lanfranco: gli fece, non volendo, un
gran servigio, il quäle ridondö di benefitio al proprio utile" (Pas-
seri 1674 (1934), S. 48). Nach Bellori 1672 (1976), S. 324 habe die
plastische Malweise Domenichinos der atmosphärischen Darstel-
lung Lanfrancos noch überzeugendere Fernwirkung verliehen.

45 Zur ungewöhnlichen Ikonographie der Figur vgl. Spear 1982, S. 282.

46 Vgl Bogen 1999b und Bogen 2001, S. 379-81.

47 Dieser Modus entspricht einer ikonographischen Lektüre von Bil-
dern im Anschluss an Panfosky.

48 Dieser Modus kommt dem nahe, was Thürlemann 1990, S. 35-37
„semi-symbolisch" nennt.

49 Hierfür sind Ansätze einer dynamischen Wahrnehmungstheorie
zentral, wie sie Gibson 1979 vorlegt.

50 Zu Vergegenwärtigung dynamischer Gestalten und zur Erfah-
rung einer semiotischen Differenz als Momenten der Projektion
vgl. Bogen 1999b, S. 196. Die Erzähltheorie der französischen Grei-
mas-Schule fasst den unhintergehbaren Zusammenhang zwischen
Vergegenwärtigung und Distanzierung beim Verstehen von Äu-
ßerungen mit den Begriffen „debrayage" und „embrayage". De-
brayage (Entkupplung) meint die Negation des Ich-Hier-Jetzt der
Rezipienten als Ziehen eines Fiktionsrahmens beim Verständnis
einer Äußerung. Embrayage (Ankupplung) meint die Reintegra-
tion der Rezipienten durch Einbeziehung bestimmter Aspekte sei-
nes Ich-Hier-Jetzt. Vgl. Greimas/Courtes 1979-86.

51 Vgl. Greimas/Courtes 1979/86 s.v. „narratif (parcours-)"; Karpf
1994, S. 43-50; FlGGE 2000, S. 25-26.

52 Für die mittelalterliche Erzählkunst ist die fundamentale Geltung
dieses Zusammenhangs inzwischen in mehreren Arbeiten aus-
führlich belegt; vgl. W. Kemp 1994, S. 79-84 mit theologischen Re-
ferenzen; Figge 2000; Mohnhaupt 2000; Bogen 2001.

53 Nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kreuzigung von den
Auftraggebern für das Altarbild reserviert war, doch gibt es vor
der Einschaltung Pretis keinerlei Hinweise auf eine derartige Pla-
nung.

54 Die Begriffe „Ereignis" und „Ergebnis" hat der Literaturwissen-
schaftler Clemens Lugowski ursprünglich als strukturelle Oppo-
sition für die Analyse frühneuzeitlicher Romane eingeführt, vgl.
Lugowski 1975 (1932), S. 24. Nach der Wiederentdeckung Lu-
gowskis wurde ihre Anwendung auf heilsgeschichtliche Erzähl-
strukturen diskutiert, vgl. u.a. Detering 1996. Zur Anwendung auf
Bilderzählungen der Spätantike und des Mittelalters vgl. W. Kemp
1994, S. 122-23 und ausführlich Bogen 2001, S. 124-31.

55 Vgl. Kapitel 7.1.

56 Grundlegend für diesen Aspekt Puttfarken 1971. Bereits beim
Vergleich verwandter Kompositionen, die in unterschiedlichen
Maßstäben realisiert wurden, gelangt Puttfarken zu ähnlichen Er-
gebnissen: „Im Großen [...] konstituiert sich das 'Bildgesetz', die
Komposition, jede überindividuelle Ordnung der Wirkung nach
aus den Einzelfiguren, während im Kleinen die Einzelfiguren ih-
ren Sinn und ihre Bedeutung aus ihrer Einordnung in einen um-
fassenden Kompositionskontext gewinnen." (S. 32).

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