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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.: Gartenverwaltung in Mittel- und Kleinstädten
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0011

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sehen, pflegt man jede verfügbare Fläche im
Stadtinnern mit einer gedrängten Übersicht der
auffallendsten Erscheinungen großstädtischen
Gartenschmucks zu besetzen, und ist besonders
stolz auf Dinge, die, an sich schon gewagt, vor
dem Hintergrund kleinstädtischer Verhältnisse
geradezu komisch wirken.

Wo man derartige Wahrnehmungen macht,
betreibt gewöhnlich ein unzulänglich beratener
Laie die städtische Verschönerung im Ehrenamt
oder die Stadtverwaltung, die mit der Zeit fort-
schreiten möchte, gibt einem ortsansässigen
Gärtner mit wenig Verständnis und Geschmack
Gelegenheit, sich seine Kunstfertigkeit gut be-
zahlen zu lassen. Gegen diese Art der Behand-
lung städtischer Gartenbaufragen und die da-
mit verbundene Vergeudung öffentlicher Gelder
kann zu keiner Zeit entschieden genug ange-
kämpft werden.

Anders liegt die Sache, wenn man nicht durch
dilettantenhafte Nachäffung großstädtischer Ein-
richtungen, sondern unter verantwortlicher Mit-
wirkung berufener Sachverständiger und in plan-
mäßigem Zusammenhang mit den sonstigen Ver-
waltungsmaßnahmen (Bauverwaltung, Stadter-
weiterung, Bodenpolitik, Gesundheitswesen usw.)
auch in Mittel- und Kleinstädten die verhältnis-
mäßig wenig kostspieligen Mittel der Garten-
kultur zum Nutzen der Bürgerschaft und zur
Hebung des Stadtbildes anzuwenden sucht.

Worauf es dabei ankommt, sei in einigen
allgemeinen Hinweisen dargelegt, vorweg aber
bemerkt, daß weitgehendste Rücksicht auf die ört-
lichen Verhältnisse und größte Einfachheit nicht
dringend genug angeraten werden können; denn
nicht in aufwendiger Verschwendung von Blumen-
schmuck, sondern in der zurückhaltenden takt-
vollen Einfügung von Grün in das Stadtbild liegt
die Hauptaufgabe.

Jede Stadt braucht einen Platz, wo die heran-
wachsende Jugend ihre Spiele treiben und bei
Märkten und anderen Veranstaltungen sich das
Volk versammeln kann. Eine geräumige Fläche
mit dauerhaftem Rasen und schattenspendenden
Baumreihen am Rande erfüllt diesen Zweck.
Jeder Blumenschmuck, jede Strauchgruppe ist im
Wege und behindert die Benutzungsfreiheit.
Wiesen in der Nähe der Stadt können mit wenig
Nachhilfe für geregelten Sportbetrieb, Flächen
mit altem Baumbestand, z.B. aufgelassene Fried-
höfe oder dergl., in einfacher Weise zum Auf-
enthalt der Großväter oder der Jüngsten unter
Aufsicht ihrer Mutter hergerichtet werden. Dazu
allenfalls noch einige Bänke unter Bäumen für
die Erwachsenen nach Feierabend an Stellen in
der Stadt, die vom Verkehr nicht beansprucht
werden. Beschränkte Verwendung von Blumen-
schmuck, allenfalls da wo ein Brunnen oder Denk-
mal dafür den Mittelpunkt abgeben könnte;
nur keine Künsteleien, wenige Beete von ein-

facher Form und Ausstattung. Die wichtigsten
Mittel müssen immer Bäume und Rasen bilden.

Der Baum, mit Verständnis angewendet,
kann eine bedeutsame Rolle in der Stadt spielen.
Man bepflanze nur nicht jeden Fußsteig damit.
Nicht die Fußsteigbreite, sondern die Erzielung
malerischer Bilder ist maßgebend. Oft genügt
schon, daß ein Baum von einem angrenzenden
Grundstück überhängend in die Straße hinein-
ragt. An Knickpunkten und Gabelungen der
Straßen, neben Brunnen und Denkmälern u.ä.O.
ergibt sich Raum für einen Baum, der den Ver-
kehr nicht stört, aber herangewachsen wirkungs-
voll ist. Durch Baumstellungen lassen sich be-
merkenswerte Bauten hervorheben, durch Baum-
reihen an Außenstraßen Beziehungen und Über-
gänge zur Umgebung schaffen. An Gewässern,
an Hängen und auf Bodenerhebungen sind oft
wenige Bäume landschaftlich von großer Wir-
kung.

Bei Kirchen, Schulen, Krankenhäusern und
ähnlichen Anstalten kann einfaches Grün sich
zu Gartenanlagen auswachsen. Der jeweilige
Zweck muß aber auch in der Gartenanlage zum
Ausdruck kommen. Eine nichtssagende Anlage
hat keinen Wert. Ein Krankenhausgarten sieht
anders aus wie die Anpflanzung in der Umge-
bung einer Kirche.

Bei der Festlegung der Straßenzüge im Be-
bauungsplan müssen derartige Maßnahmen vor-
gesehen werden. Oft lassen sich vorhandene
Bestände an einzelnen Bäumen, Baumgruppen
und Baumreihen durch geringfügige Änderungen
in der geplanten Straßenführung und Einteilung
neuer Bauviertel mit Vorteil für das künftige
Stadtbild erhalten, wenn jemand da ist, der
solche Dinge und ihre Wirkung beurteilen kann.

Die Wirksamkeit eines Gartenfachmannes
im Dienst der Verwaltung wird auch dem Fried-
hof zustatten kommen. Die meisten Gemeinde-
friedhöfe entbehren jeder Stimmung, nüchtern
ist die Grabpflege wie auch die allgemeine Ge-
staltung. Die auf Hebung der Friedhofkultur
gerichteten Bestrebungen scheinen gerade unsere
Mittel- und Kleinstädte noch wenig berührt zu
haben. Vielleicht stiftet auch hier der Krieg
Segen, indem er die Gemeinden vor dieAufgabe
stellt, Begräbnisstätten für die in den Lazaretten
verstorbenenKriegsteilnehmer herzurichten. Ihre
würdige Ausgestaltung wird man sich aus Pflicht-
gefühl angelegen sein lassen, und es steht zu er-
warten, daß die Ergebnisse hierbei auch den
Blick für die Möglichkeit der Hebung des Ge-
samteindrucks der Friedhöfe schärfen. Auch die
Frage der Kriegerdenkstätten und Kriegserin-
nerungsmale fällt unter die Aufgaben, die nicht
ohne Mitwirkung sachkundiger Gartenfachleute
gelöst werden sollten.

Eine in ihrer Wichtigkeit erst wieder wäh-
rend des Krieges erkannte Angelegenheit ist die

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