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Die Gartenkunst — 30.1917

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Hanisch, Fritz: Kleinwohnsiedlungen der Gegenwart und Kriegerheimstätten der Zukunft
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Kleinwohnhaussiedelungen der Gegenwart und
Kriegerheimstätten der Zukunft.

Von F. Hanisch, Breslau.

Der Krieg ist ein Erzieher. Audi auf dem
Gebiet des Wohnwesens wird er vorhandene An-
sätze zu schneller Entwicklung, in langen Jahren
Angestrebtes zur Reife bringen. In seinem Ge-
folge wird das Wohnungselend noch härtere For-
men annehmen als schon vorher. Eine Steige-
rung des Mangels an Kleinwohnungen ist un-
ausbleiblich. Viele Familien werden gezwungen
sein, kleinere Wohnungen als bisher zu beziehen,
besonders solche, welche ihres Ernährers beraubt
sind oder ihn kriegsbeschädigt oder gesundheit-
lich geschwächt zurückerhalten. Viele Kriegsge-
traute haben noch keinen eigenen Hausstand
begründet. Auch ist nach jedem Kriege beobach-
tet worden, daß sich die Zahl der Eheschließungen
vermehrt. Nach Kriegsende beginnt dann für die
Beteiligten die schwere Aufgabe der Wohnungs-
suche.

Das Verlangen nach gesetzlicher Regelung
mancher Fragen auf dem Gebiete der Boden-
und Wohnungsreform erhält dadurch neuen An-
trieb : Die Eigenheim- und Gartenvorstadtbewe-
gung, die Kleingarten- und Kleinsiedelungsfrage,
Neugestaltung der Baupolizeiverordnungen, Er-
leichterung im Ansiedelungswesen auf demLande,
Erweiterung der Rentengutsgesetze, Maßnahmen
gegen Bodenwucher, Bewertung und Beleihung
städtischer Hausgrundstücke, schließlich das Erb-
baurecht. Die Stichworte sollen Fülle und Schwie-
rigkeit des Stoffes erkennen lassen. Nur einen
Abschnitt, die Kleinwohnhaussiedelung,
herauszugreifen, ist meine Absicht, und den
Nachweis zu führen, daß die Gegenwart nicht
arm ist an guten Vorbildern und daß sich bei
Lösung dieser Kulturaufgabe gesundheitliche,
wirtschaftliche und künstlerische Gesichtspunkte
künftig verschmelzen lassen.

Die Großstadt mit ihren hohen Baugrund-
preisen, dem gewerbsmäßigen Bodenhandel, den
weiten Entfernungen von den Arbeitsstätten, der
Verteuerung des Wohnens durch Bahnfahrten
kommt für die Kleinwohnhaussiedelung nicht in
Betracht. Es sei denn, daß günstige Verkehrs-
mittel und eine natürliche und planmäßig betrie-
bene Abgliederung die Hemmnisse mildern.

Günstiger für die Entwickelung von Klein-
wohnhaussiedelungen liegen die Verhältnisse in
mittleren und kleinen Städten und in Industrie-
orten. Entfernungen spielen da nur eine unter-
geordnete Rolle, und der Baugrundpreis hält sich
noch in einer angemessenen Höhe.

Als Ideal ist das Einfamilienhaus im
Eigenbesitz zu betrachten. Auf einen ange-
messen großen Nutzgarten kann nicht verzichtet
werden. Man unterscheidet Einzelhäuser und
Reihenhäuser; erstere finden häufiger Anwen-
dung, da sie durch ihre Gruppierung anmutiger
wirken. Bei Ausführung von Reihenhäusern
spart man erheblich an Baukosten. Die gleiche
Absicht hat auch dazu geführt, zwei Einzelhäuser
durch eine gemeinsame Mauer zu einem Doppel-
wohnhaus zu verbinden. Die Vorzüge des Ein-
familienhauses, Abgeschlossenheit der Wohnung,
getrennte Nebenräume und dergl., bleiben er-
halten, während die Baukosten vermindert
werden.

Eine reiche Literatur beschäftigt sich mit
dem Kleinwohnhaus und zeigt viele brauch-
bare Formen, die schlicht, gesund und an-
heimelnd sind, ohne praktische Gesichtspunkte
zu vernachlässigen. Bedingung ist: Ländliche
Bauweise, Vermeidung jeder Scheinkunst, aller
unnötigen Verzierung. Einfachheit in Aus-
druck, Form und Mitteln entspricht der Aufgabe,
denn wir wollen nicht nur anmutig, sondern
auch preiswert bauen. Man staunt, was alles bei
vernünftiger Auslegung der Baupolizeiverord-
nungen gespart werden kann. Man braucht das
Haus nicht hoch auf den Sockel zu setzen, ein bis
zwei Stufen genügen, keine Brandmauern, keine
feuerfesten Treppen, keine großen Stockwerk-
höhen.

Gerade zur Erlangung brauchbarer und reiz-
voller Arbeiterwohnhäuser hat der Architekt
große und kostspielige Umwege zurückgelegt,
ehe er zu der Zweckmäßigkeitsform kam, die
schönheitlich befriedigt, sich in verzinsbaren
Grenzen der Kosten hält, und doch alle aus jahre-
langer Erfahrung sich ergebenden Bedürfnisse
aufnimmt. Herstellung einer Wohnküche als
größten Wohnraum, getrennte Schlafräume,
Diele mit Stand zum Wäschewaschen, Keller und
Bodenräume für Kleingartenbetrieb geeignet,
schließlich ans Haus anschließende Stallung für
Vieh und Geflügel.

Hat das Haus des kleinen Mannes eine
wirklich liebevolle und eingehende Bearbeitung
im Entwurf und in der Ausführung erfahren, in
der Anordnung zusammenhängender Klein-
siedelung en, in der Ausnützung der gegebenen
Fläche im Bebauungsplan herrscht noch Einerlei
und Gedankenlosigkeit. Gar zu oft empfindet

Gartenkunst Nr. 4, 1917.

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