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Die Gartenkunst — 30.1917

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Hanisch, Fritz: Kleinwohnsiedlungen der Gegenwart und Kriegerheimstätten der Zukunft
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man den Mangel an Verständnis für die pflanz-
lichen Mittel, die durch ihr belebendes Grün
den ländlichen Charakter betonen und Stimmung
und Freudigkeit in das Bild bringen. In der An-
ordnung der Häuser, in der Abwechslung ver-
schiedener Häuserformen, in der Gestaltung der
nächsten Umgebung durch. Aufstellung ländlicher
Brunnen, Verwendung von Holzzäunen und le-
benden Hecken statt der üblichen unschönen
Drahtgeflechtzäune, pflanzenumrankter Garten-
eingänge, Obstspalieren an den Häusern finden
wir einfache und schöne Mittel zur Belebung.
Besonders aber in der Aufteilung des Ge-
samt g eländ es durch geeignete Straßenführung
und durch Verwertung der für Bauzwecke unge-
eigneten Abschnitte im Lageplan zu Spiel- und
Rasenplätzen kommt Abwechselung und Man-
nigfaltigkeit in das Straßenbild, ohne der Ruhe
und guten Linienführung Abbruch zu tun.

Der großen Nachfrage nach Kleinwohnhäu-
sern kann die Privatunternehmung nicht ge-
nügen, weil die praktische Ausführung auf un-
geahnte Widerstände stößt, die das Unterneh-
men unrentabel machen. Der ursprünglich billige
Bodenpreis wird durch unnötig hohe Kosten der
Geländeerschließung verteuert, übertriebene An-
sprüche an Straßenbreiten, Straßenbefestigun-
gen, Spiel- und Schmuckplätze verkleinern die
verfügbare Baunutzungsfläche ohne Not. Schwer-
fälliger Geschäftsgang und buchstäbliche Ge-
setzesauslegung verzögern die Genehmigung der
Bebauungspläne, sodaß oft mit einem Zinsver-
lust für 2 —3 Jahre zurechnen ist, ehe das erste
Grundstück bebaut werden kann. Dazu kommen
Stempel, Steuern und sonstige Gebühren. Da-
durch wird das Baugelände für Kleinwohnhaus-
siedlungen zu teuer und statt kleiner Einfami-
lienhäuser baut man wieder Miets-Kasernen.

Daher sahen sich große Industrieunterneh-
mungen gezwungen, selbst Arbeiterwohnungen
auf eigenem Grundbesitz auszubauen. Es ist kein
Geheimnis, daß sie dafür oft nur eine Verzin-
sung von IV2 —2°/o der Anlagekosten erzielen,
aber sie sichern sich durch Gewährung einer be-
haglichen Wohnung mit kleiner Stallung und
Garten- und Ackerland einen verläßlichen Stamm
angelernter Meister und Vorarbeiter. Im übri-
gen regelte sich die Unterbringung der stetig
steigenden Arbeiterbelegschaft wenigstens zum
Teil noch durch private Bautätigkeit. Als aber
neue Werke ohne Rücksicht auf Anlehnung an
vorhandene Ortschaften, ja in vielen Fällen weit
entfernt vom nächsten bewohnten Haus mitten
im Walde oder auf freiem Felde entstanden,
wurden umfangreiche plötzliche Wohnungsneu-
gründungen nötig, in wenigen Baujahren ent-
standen Arbeitersiedelungen, ja ganze
Ort schaffen, losgelöst von bereits bestehenden.

So hat die Industrie Kleinwohnhaussiede-
lungen in zum Teil vorbildlicher Weise und mit

reichen Mitteln ins Leben gerufen; in der Land-
wirtschaft ist dagegen in der Fürsorge für den
Landarbeiter ein gleicher Fortschritt nicht zu
verzeichnen. Der Großgrundbesitz hat mit we-
nigen Ausnahmen die Vorteile der planmäßigen
Ansiedelung von Landarbeitern noch nicht er-
kannt. Hier gilt es noch, alte Vorurteile wegen
Armen-, Schul- und Kirchenlasten, Weidefrevel
und Felddiebstählen u. dgl. zu überwinden.

Nach dem Kriege wird die Leutenot durch
Abwanderung nach der Stadt für die Landwirt-
schaft sehr ernste Zustände bringen, die Kriegs-
gefangenen werden in ihre Heimat zurückkehren,
Rußland und Österreich ihre Arbeitskräfte bei-
derlei Geschlechts im eigenen Lande benötigen.
Nichts vermag den Landarbeiter sicherer an
seine Arbeitsstelle zu fesseln, als eine gesunde
Wohnung und ein Acker, wo er schalten und wal-
ten und sich eine bleibende Stätte bereiten kann.

Ansätze in dieser Richtung lassen sich be-
reits feststellen. Rittergutsbesitzer von Klitzing
in Kolzig, Kreis Grünberg, behandelt in seiner
Schrift: „Der Arbeitermangel auf dem Lande
und seine Abhilfe" die Förderung des Baues
von Landarbeiterwohnungen. Der Besitzer der
Herrschaft Schedlau, Kreis Falkenberg (O./S.),
Graf Eduard von Pückler, baut Arbeiterheim-
stätten auf seinen Gütern; noch einige andere
Besitzer können genannt werden, die sich in der
Arbeiterwohnungsfürsorge betätigt haben. Audi
verdient die Tätigkeit von Kleinsiedelungsge-
nossenschaften hervorgehoben zu werden. In
der Provinz Posen hat die Ansiedelungskommis-
sion durch den Architekten Fischer Musterdörfer
geschaffen; ich denke an Golenhofen bei Posen mit
Kirche, Krug, Dorfplatz, Schule, Spielplatz usw.
Aber die Ansiedler werden da bei allen Schön-
heitswerten, die sie umgeben, ihres Besitzes
nicht recht froh, sie haben zuviel Lasten zu tra-
gen. Besser steht es um die Tätigkeit der Land-
gesellschaft „Eigene Scholle" Frankfurt a. 0.
und einiger Kreisverwaltungen in Posen und
Westpreußen.

Alle diese Bestrebungen werden nun durch
den Krieg eine nachhaltige Förderung erfahren:
Ärzte, Volkswirte und Menschenfreunde emp-
fehlen, Kriegsteilnehmer, die an ihrer Gesund-
heit und Erwerbsfähigkeit Einbuße erlitten
haben, auf dem Land in gesundheitlich gün-
stigen Verhältnissen anzusiedeln. Der Bund
deutscher Bodenreformer hat eine umfangreiche
Werbetätigkeit für die Schaffung von Krieger-
heimstätten entfaltet, ein Hauptausschuß für
Kriegerheimstätten hat sich gebildet, sein Ziel
ist die Schaffung eines Gesetzes für die plan-
mäßige Ansiedelung der heimkehrenden Kriegs-
teilnehmer. Und es ist nicht zu bezweifeln, daß
für die Fürsorge für Kriegsverletzte, Krieger-
witwen und Kriegerwaisen die Ansiedelung sehr
bedeutungsvoll ist.

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