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Die Gartenkunst — 30.1917

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Möller, Alfred: Heldenhaine
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0020

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nissen mit der Überschreitung eines auf etwa
20 bis 25 ha beschränkten Flächenmaßes — und
diese Größe ist nach unserer Meinung schon sehr
reichlich bemessen — der Eindruck des geschlosse-
nen Haines, der umfriedeten Weihestätte, ver-
blassen muß, daß bei solchem Anwachsen der
Fläche der Heldenhain selbst durch seine eigene
Maßlosigkeit das Ideal zerstören würde, welches
Lange vorschwebt. Je größer ein Gemeinwesen,
um so größer müßte sein Heldenhain sein, um
so höher sind aber in der Regel auch die Preise
für den Grund und Boden in erreichbarer Nähe.
„Gesetzt den Fall", sagt von Engelhardt, „es
fände sich etwa im Weichbilde einer rheinischen
Industriestadt oder in deren nächsterUmgebung
ein geeignetes Gelände, so würden die Kosten
des Erwerbs eine so unerschwingliche Höhe er-
reichen, daß der ganze Plan daran scheitern
müßte".

Gartenbaudirektor Encke-Köln teilt mit, daß
die Stadt Köln nach dem Langeschen Vorschlag
einen Heldenhain anlegen müßte etwa in der
Größe des vor 20 Jahren geschaffenen Stadt-
waldes. Der Geländeerwerb für den Stadtwald
hat damals schon 1 l/i Millionen Mark gefordert.
„Welche Stadtvertretung würde mit dem Auf-
wände ähnlicher Summen eine Einrichtung schaf-
fen, die für viele Jahrzehnte ebensowenig eine
würdige Ehrung ihrer gefallenen Heldensöhne
darstellen würde, als sie eine Erholungsstätte
für ihre Bürger wäre?"

Man wird bei ruhiger Überlegung hier unbe-
dingt zustimmen und zugeben müssen, daß die
starre Durchführung des Grundgedankens bei
großen und größten Gemeinwesen das beabsich-
tigte Ziel durch sich selbst zerstört. Denn das
war doch Langes Meinung, daß nicht durch kost-
spielige Denkmäler den Millionen Waisen und
Invaliden Mittel entzogen werden dürften. Die
Heldenhaine sollen nahezu kostenlos entstehen,
die Arbeit des Pflanzens, der Herstellung von
Wall-Gräben sollte möglichst durch Freiwillige
unentgeltlich geleistet werden. Nun aber ent-
stehen bei den meisten größeren Städten Kosten
des Grunderwerbs, die denjenigen für Denkmäler
der Bau-und Bildhauerkunst oftmals gewiß nicht
nachstehen, vielfach sie sehrerheblichübertreffen.

Die Kostenfrage spielt in den Entgegnungen
naturgemäß eine große Rolle, und nicht mit Un-
recht wird Lange vorgeworfen, daß er sie wohl
etwas zu leicht nimmt. Daß Bodenverbesserun-
gen, wie sie vielerorts nötig sein werden, erheb-
liche Kosten verursachen, weiß jeder Fachmann;
daß einem Heldenhain ohne Einstellung erheb-
licher Unterhaltungs- und Pflegekosten keine
erfreuliche Zukunft blüht, betont besonders Feh-
ling-Lübeck in einem Aufsatz des Februarheftes
1916 der genannten Zeitschrift. Wir wollen in-
dessen auf diesen naheliegenden Einwand nicht
allzuviel Wert legen; denn kleinlich darf nicht

sein, wer einem so hohen Ziele zustrebt. Nur
wenn wir den Grunderwerb für die großen Haine
ins Auge fassen, kommen wir, wie gesagt, zu
einer im ablehnenden Sinne ausschlaggebenden
Bedeutung der Kostenfrage. Fehling können wir
freudig zustimmen, wenn er die Verzinsung der
im übrigen aufgewendeten großen Kosten, wenn
auch erst in späterer Zeit, durch die hohe geistige
Bedeutung des geschaffenen Werkes gedeckt
glaubt.

Aber allerdings nur unter der Bedingung,
daß das erreichte Ziel nun auch den nachkom-
menden Geschlechtern wirklich das bedeuten
wird, was Lange als selbstverständlich voraus-
setzt. Und diese mit Bedacht gestellte Bedin-
gung muß uns nachdenklich stimmen. Wer ver-
mag heute sich Deutschlands Bild nach 50 Jahren
mit einem Schimmer von Sicherheit richtig vor-
zustellen. Was bringt der weiter etwa nötig
werdende Ausbau unserer Verkehrswege für Än-
derungen der Landschaftsbilder, wie gestaltet
sich die Bodenbenutzung für Wohnzwecke, für
Industrien, deren Namen wir noch nicht kennen,
für Landwirtschaft und Forstwirtschaft unter den
unbekannten Bedingungen der Zukunft? Muß
es nicht fast sicher erwartet werden, daß die für
Jahrhunderte gegründeten Heldenhaine, wenn
sie so große Flächen beanspruchen, wie die ge-
naue Durchführung des Planes das erfordert,
vielfach zu Hemmnissen künftiger EntWickelung
des Wirtschaftslebens würden? Und dann würden
sie fallen müssen. Wir denken dabei an das
Schicksal so vieler Friedhöfe zumal in der Nähe
der großen Städte. Der Vergleich liegt zu nahe;
wenn auch unsere Heldenhaine mit Friedhöfen
nichts zu tun haben, so würden sie doch gleich
jenen mit der Aussicht auf vielhundertjähriges
Bestehen begründet. Und dennoch hat das Be-
dürfnis der Lebenden vor der Ruhestätte der
Toten vielfach nicht halt machen können. Es
würde auch die Heldenhaine vernichten müssen,
um so eher, je größer sie sind.

In der Tat, eine gründlichere, vorurteils-
losere Durcharbeitung und Prüfung des Planes,
wie sie in der „Gartenkunst" durch seine Fach-
genossen Lange zuteil wird, läßt sich nicht denken.
Ich habe mich bemüht, aus den vielen inhalt-
reichen Aufsätzen nur das meines Erachtens Aus-
schlaggebende für unseren Leserkreis zusam-
menzustellen. Wer den Gedanken Langes zu
Ende durchdenkt, muß, meine ich, wenn auch mit
schmerzlichem Bedauern zu einem Unmöglich
kommen für die strenge Durchführung dessen,
was in der Schrift „Deutsche Heldenhaine" ge-
fordert wird.

Nach Mitteilung des Vorsitzenden der Deut-
schen Gesellschaft für Gartenkunst hat Lange es
abgelehnt, der Hauptversammlung beizuwohnen
und seinen Plan selbst zu vertreten, u. den schrof-
fen Standpunkt eingenommen: „Entweder man

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