Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 30.1917

DOI Artikel:
Heicke, C.: Zur fünfundzwanzigjährigen Regierungsfeier: Sr. Kgl. Hoheit des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0032

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kunst, und seine Landeshauptstadt darf heute
neben denjenigen Städten genannt werden, die
wie München und Karlsruhe, Düsseldorf und Dres-
den bereits früher einen anerkannten Ruf im
deutschen Kunstleben besaßen.

Das Sondergebiet, auf dem Darmstadt als
Kunststadt unter dem Einfluß des Großherzogs
Bedeutung gewonnen hat, umfaßt vorzugsweise
Baukunst und Kunstgewerbe mit Einschluß alles
dessen, was dem Kulturmenschen dazu dient,
sein Heim behaglich und schön zu gestalten. Es
ist verständlich, daß hierzu auch die Gartenkunst
gehört, zumal der Großherzog gerade dem Gar-
ten eine besondere Vorliebe entgegenbringt und
diese unter Bekundung eines hochentwickelten
Geschmackes und feinsinnigen Verständnisses
betätigt. Hierbei bevorzugt er nicht eine Rich-
tung, die sich in Prachtentfaltung äußert, etwa
wie es bei den Fürsten früherer Zeiten der Fall
war, deren Ehrgeiz darin bestand, sich Gärten
im Stile eines Le Notre zu schaffen, sondern ge-
mütvolle deutsche Art findet überall da künst-
lerischen Ausdruck, wo Großherzog Ernst Ludwig
seinen anregenden Einfluß auf den Garten zur
Geltung bringt. Besonders klar kommt diese Rich-
tung zur Geltung in den Gärten, die seiner eigenen
Benutzung vorbehalten sind. In Darmstadt und
Umgebung finden sich dafür gute Beispiele, auf
die wir im folgenden noch zurückkommen.

Diese Vorliebe des Fürsten und ihre Betä-
tigung, die zeitlich und inhaltlich mit dem Um-
schwung in der Gartengestaltung zusammenfällt,
der sich in den letzten Jahrzehnten in Deutsch-
land durchsetzte, weckte bei uns den Wunsch,
ihn als Förderer unserer Bestrebungen zu ge-
winnen, und wir durften den Mitgliedern unserer
Gesellschaft im Jahre 1911 mit Genugtuung be-
richten, daß der Großherzog geneigtest der Bitte
entsprochen habe, die Deutsche Gesellschaft für
Gartenkunst unter seinen besonderen Schutz zu
nehmen. Wir haben also ein Recht, an dem Ge-
denktag, den Seine Königliche Hoheit am 13. März
dieses Jahres begehen, uns denen anzureihen, die
ihm aufrichtige und treue Wünsche für die Zukunft
darbringen. „ „

Die Bedeutung Darmstadts für die Garten-
gestaltung begann sich bereits auf der ersten
Ausstellung zu äußern, die im Jahre 1901 auf
der Mathildenhöhe veranstaltet wurde und der
von den Mitgliedern der dortigen Künstlerkolonie
verfolgten Richtung Einfluß auf die Entwicklung
des Kunstschaffens in Deutschland sicherte. Schon
diese Ausstellung verriet auch in ihren Garten-
anlagen, daß neue Wege eingeschlagen würden.
In der gleichen Richtung lag auch der vielbespro-
chene Garten des Peter Behrens auf der Düssel-
dorfer Kunst- und Gartenbau-Ausstellung des
Jahres 1904. Am offenkundigsten wurde aber die

von Darmstadt ausgegebene Losung durch die im
August 1905 im Darmstädter Orangeriegarten
vorgeführte Gartenbauausstellung. Es war nicht
eine Schaustellung von Erzeugnissen des Garten-
baues in bunter Reihenfolge, sondern deren ziel-
bewußte Verwendung zur Schaffung schöner Gär-
ten bildete den Grundzug dieser Ausstellung, die
Gartenbau-Ausstellung war zum ersten Male zu
einer Gartenkunst-Ausstellung geworden.

Wir erinnern uns lebhaft des starken Ein-
druckes, den der inzwischen leider verstorbene
Olbrich mit seinen Farbengärten machte, neben
ihm eine Reihe anderer Künstler mit eignen Gar-
tenschöpfungen; und daß auch Gartenarchitekten
schon frühzeitig den Sinn der sich durchringenden
neuen Richtung erfaßt hatten, bewiesen Henkel,
Begas u. a. Ein kleines Buch von Victor Zobel über
„Gärten und Gartengestaltung" bildete gewisser-
maßen Einführung und Geleitwort zu dieser Aus-
stellung.

Die damalige Tagung unserer Gesellschaft in
Darmstadt stand vollständig unter dem Eindruck
des Neuartigen, das die Ausstellung als Ganzes
und in ihren Teilen brachte. Diese Gärten waren
so ganz anders als die herkömmliche Form. Der
Streit der Meinungen war daher lebhaft. Fast
leidenschaftlich wurde Partei ergriffen, aber man-
cher, der sich zunächst durchaus ablehnend ver-
hielt gegen die „Professoren"-Gärten und die
Ausführungen, mit denen die Künstler ihre Schöp-
fungen dem Verständnis näher zu bringen such-
ten, hat später sein damaliges Urteil berichtigt.

In der Folgezeit nahm die Bewegung ruhigere
Formen an, gewann an Breite, aber auch an
Tiefe. Olbrich schuf in Cöln der Frauen Rosen-
hof, die Mannheimer Jubiläums-Ausstellung des
Jahres 1907 stand durchaus unter der Nachwir-
kung der vorhergegangenen Darmstädter. Sie
ließ aber sehr klar erkennen, daß die von Darm-
stadt ausgegangenen Anregungen von den Gar-
tengestaltern aufgenommen waren. Und wenn
auch heute von den Farbengärten nicht mehr viel
gesprochen wird und manches, was Olbrich, der
Zeit vorauseilend, in fesselndem Vortrag ver-
kündigte, sich erst zum Teil erfüllt hat, der Ton,
der damals in Darmstadt angeschlagen wurde,
klingt in der Gartenkunst fort und hat unser
Schaffen in vieler Beziehung geläutert.

Vor allen Dingen: Gartenkunst ist wieder
Raumkunst, ist überhaupt wieder Kunst gewor-
den, hat wieder festen Boden unter sich und An-
schluß rechts und links an die verwandten Kunst-
gebiete — und wenn nach dem schweren Sturm,
der uns heute umtobt, ruhige Zeiten wieder
einkehren und unserm Schaffen neue Aufgaben
weisen, dann dürften die Jahre des Ringens, in
denen der Name Darmstadt eine bedeutsame
Rolle gespielt hat, ihre endgiltigen Früchte
bringen. Heicke.

30
 
Annotationen