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Die Gartenkunst — 30.1917

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Mahn, H.: Kleingärten und Kriegersiedlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0060

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damit der heimkehrende Krieger durch seinen
eigenen Garten die großen wirtschaftlichen
Schwierigkeiten nach dem Kriege sofort über-
winden kann. Es muß vorbereitet, dem Verkehr
aufgeschlossen sein, seine Bewirtschafter werden
zuerst und zum Teil noch in den Mietskasernen
wohnen, bis sie sich ganz frei machen und hinaus-
ziehen. Alle Bebauungspläne werden am besten
von diesen Kleingartensiedlungen ausgehen, man
wird daher alle Planungen auf eine gartenkünst-
lerische Grundlage stellen und dann erst sie
wohnungstechnisch bearbeiten. Und wie beim
Wohnungsbau schönheitliche und Gesundheits-
Forderungen heute — Gott sei Dank! — eine
wichtige Rolle spielen, so auch bei der Gestaltung
der Kleingärtenanlagen. Der Möglichkeiten gibt
es hier natürlich viele. Keine Aufgabe gleicht
der anderen, nichts wäre verfehlter als etwa
schematisch hierbei vorgehen zu wollen. Zur
Siedelung gehören Grünflächen und Parkanlagen.
Wo sie vorhanden sind, sind sie in gut abge-
stimmte Beziehungen zur Bebauung zu bringen,
beim Nichtvorhandensein mit dem Wachsen der
Anlage vorzusehen und herzurichten. Sport- und
Spielplätze für die Jugend dürfen nicht fehlen,
und es ist von allergrößter Wichtigkeit, daß mit
zunehmendem Wachstum der Siedelungen und
der Städte die Zwecke beider Gemeinschaften
nicht in Widerstreit geraten, sondern sich ergän-
zen und gegenseitig befruchten.

Die beigegebenen sechs Linoleum-Schnitte
nach Entwürfen von Harry Maasz (Seite 51 — 55)
sollen einige unter den vielen Möglichkeiten
räumlichen Ausdrucks solcher Verbindungs- und
Entstehungsformen von Kriegersiedelungen und
Kleingärten im Bilde zeigen. Bald liegt die
Wohnanlage hofartig als Mittelpunkt in den
von grünbestandenen Zufahrtswegen umschlos-
senen Gärten, wie das Ringdorf inmitten seines
Ackerlandes (Abb. S. 51). Bald liegen die Klein-
gärten hinter den Reihen der den Weg säumen-
den Häuser wie das Langdorf oder die Moor-
kolonie mit ihrem Hinterland (Abb. S. 54 unten).
Oder die Siedelung liegt für sich mit einem inneren
Kinderspielplatz daneben, die sorgfältig geteilte
Fläche des Kleingartenlandes, die Grünanlagen
in strenger architektonischer Behandlung (Abb.
S. 53 u. 55 oben). Mit vorhandenem alten Wald-
bestand (Abb. S. 54 unten) lassen sich an anderer
Stelle durch Hineinschmiegen in Buchten oder bei
starker Geländebewegung durch Ausstrahlen in
Täler vortreffliche Landschaftswirkungen er-
zielen.

Gerade in der Ausnutzung der Eigenart
des Geländes wird sich die „Kunst" des Garten-
künstlers am ehesten zeigen, d. h. alle in Be-
tracht kommenden Umstände, wirtschaftliche,
schönheitliche, gesundheitliche, müssen in seinem
Bebauungsplan — mathematisch gesprochen —
die günstigste Kombination aller ihrer Aus-

nützungsmöglichkeiten gefunden haben. So darf
z. B. auch das etwa vorhandene Wasser nicht
außer acht gelassen werden; Seeufer, Flußläufe
zwingen zur Anlage von Badeanstalten und
Bootsstegen (Abb. S. 54 oben). Welch ein fröhliches
Treiben glücklicher Menschen kann sich hier
entwickeln, wenn die Tagesarbeit im Sommer-
sonnenbrand geschehen: oben auf der Höhe die
Alten in der lauen Wärme vor ihren schmucken
Häuschen mit den Blumenbeeten, die Kinder in
großen Scharen jauchzend und tollend auf den
Spielplätzen zwischen den in sattem Grün und
leuchtenden Farben prangenden, wohlgepflegten
Gärten und unten im Wasser das Geplantsche
und der Lärm des badefrohen Jungvolks! Bilder,
die das von den Kriegslasten bedrückte Gemüt
kaum auszumalen wagt, und doch so trostreich
und hoffnungsvoll, daß sie unsere Herzen in
Bann schlagen und nicht wieder los lassen.

Ja, so muß es werden! Aus dem Kleingarten,
aus der Gartenkunst heraus muß nach einem
festen Plan die Heimstättensiedelung heraus-
wachsen. So kann jeder Gartenpächter, den der
Krieg uns wiedergab, seine Befähigung für die
Siedlereigenschaft nachweisen. Dennreine Wohn-
stätten, ohne einen Zusammenhang mit der nach
der Menschenhand verlangenden Scholle sollen
doch diese Siedelungen nicht sein. Das wären
ja nur in die Breite anstatt in die Höhe gebaute
Mietskasernen. Die Bebauung des Gartens
darf auch kein nebensächlich Ding, keine ungern
in Kauf genommene Verpflichtung sein, sondern
sie muß erst den sich ihr mit voller Hingabe
widmenden Siedler wirtschaftlich auf die Beine
stellen. Daraus ergibt sich für die Geldbeschaf-
fung und die künftigen Eigentumsverhältnisse
die Richtlinie, daß nur der wirtschaftlich Fleißige
sich auf seinem Boden halten kann und soll.

Wer genauer hinsieht, kann aus den Ent-
würfen von Harry Maasz mehr lernen, als es
zuerst den Anschein hat. Die Kriegersiede-
lungsfrage ist ebenso eine Frage des Geschmacks
wie der Wirtschaftlichkeit. Beides ist nicht von-
einander zu trennen. Organisch muß die Siede-
lung aus dem Boden und seiner Bebauungsmög-
lichkeit herauswachsen. Erst der Acker, dann das
Haus!

Man plane also nicht etwa eine Anzahl
Häuser und lege nur so nebenbei noch Garten-
Grundstücke daneben. Die Gartenkunst muß
diese Forderung, die geradezu zu einer
Forderung des Tages wird, lauter und
immer lauter erheben. Lange genug ist
sie Aschenbrödel gewesen. Das muß anders
werden.

Man denke sich doch nur einmal folgendes
Beispiel. Wird man an irgend einer Stelle,
wo Neuland urbar zu machen ist, meinetwegen in
unseren Kolonien, erst einen großen Hausplan
aufstellen und dann noch etwas Land zur Urbar-

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