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Die Gartenkunst — 30.1917

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Hanisch, Fritz: Schiedsvertrag und Schiedsgericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0078

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Schiedsvertrag und Schiedsgericht.

Von F. Hanisch, Breslau-Carlowitz.

Das Bestreben, eine Vereinfachung und eine Ver-
billigung aller Staatsverwaltungen herbeizuführen,
spricht sich, infolge der Not der Kriegszeit besonders
empfunden, auch auf einem Gebiete aus, das bisher
noch am meisten vom toten Buchstaben beherrscht
war, der Rechtsprechung an den ordentlichen Ge-
richten. Der jüngste preußische Erlaß kann zur Ver-
wirklichung dieser Ziele nur führen durch Einschrän-
kung der Zahl der Zivilprozesse und Privatklagen
und durch Vereinfachung des Verfahrens.

Der Schiedsspruch mit Vermeidung des Rechts-
weges bietet seit langer Zeit ein einfaches gang-
bares Verfahren, aber er findet nicht den erwünschten
Eingang in die Kreise der Handel- und Gewerbe-
treibenden. Der umständliche, langwierige und teuere
Zivilprozeß vor Gericht bleibt fast das einzig übliche
Mittel, Streitigkeiten auszutragen. Im Handel- und
Privatrecht bietet aber gerade das Schiedsgerichts-
verfahren die erwünschte Vereinfachung, Verbilli-
gung und Beschleunigung.

Zwei Schriften sind daher von besonderem In-
teresse, die sich mit dem Schiedsvertrag und dem
Schiedsgericht befassen:

1. „Das Schiedsverfahren nach deutschem Recht"
von H. Tessmer Verlag von Veit & Comp.
Leipzig.

2. „Das Schiedsgericht in Industrie, Gewerbe und
Handel" von Dr. Jul. Kollmann Verlag von
R. Oldenbourg München und Berlin.

Die Gegenüberstellung der beiden Werke ist be-
deutsam wegen der grundsätzlichen Ansichten der
Verfasser über das Schiedsgericht. Tessmer be-
handelt das schiedsrichterliche Verfahren nach dem
geltenden Reichsrecht und bespricht Lehren und
Rechtssätze des Privatrechts in ihrer Anwendung
auf das Schiedsverfahren. Er vertritt den zumeist
von den Juristen eingenommenen Standpunkt, daß
der Ausbau des Schiedsgerichts zu unerwünschten
Sondergerichten führen könnte, welche der ordent-
lichen Rechtsprechung ein weiteres Tätigkeitsfeld
auf den verschiedenen Wirtschaftsgebieten des Han-
dels und der Industrie mehr und mehr entziehen
wie bei den schon bestehenden Kaufmanns- und
Gewerbegerichten.

In seinem Vorwort kommt Tessmer „auf die
machtvolle Bewegung zu sprechen, welche von dem
Verbände Deutscher Architekten- und Ingenieurver-
eine (E. V.) eingeleitet und von einer großen Zahl
technischer und wirtschaftlicher Vereine und Ver-
bände aufgenommen wurde und im Jahre 1913
eingesetzt hat, um eine möglichst gleichmäßige und
zweckmäßige Regelung des Schiedsgerichtswesens
in Deutschland herbeizuführen." Seine Ansicht:
„daß damit denjenigen Kreisen und Personen, welche
jetzt bemüht sind, planmäßig die Rechtsprechung
der ordentlichen Gerichte auszuschalten und sie durch
die Tätigkeit von Schiedsgerichten zu ersetzen, die
rechtliche Grundlage dafür entzogen wird," läßt er-
kennen, daß Tessmer keinen Anteil an dieser moder-
nen Rechtsentwicklung zur Förderung des Schiedsge-
richtsverfahrens nimmt, daß er in einer weiteren Aus-
gestaltung des Schiedsverfahrens auch auf dem Wege
privater Vereinbarung oder mit Hilfe der Gesetzge-
bung gewisse Gefahren für die Rechtspflege erblickt.

Im Gegensatz hierzu befindet sich Prof. Koll-
mann. Als Dozent der technischen Hochschule in
Darmstadt redet er aus seiner reichen Praxis als
technischer Berater dem Schiedsspruch und dem
Schiedsverträge, insbesondere in vorwiegend tech-
nischen Fragen, das Wort. Er wendet sich im Gegen-

satz zu Tessmer in allgemein verständlicher Form
über System und Praxis des schiedsgerichtlichen Ver-
fahrens an jene Berufszweige, die mit Vorliebe von
der Einrichtung des Schiedsgerichtsverfahrens Ge-
brauch machen, nämlich an Kaufleute, Industrielle
und Ingenieure. Aber auch die Studierenden der
Technischen- und Handelshochschulen will Kollmann
in Theorie und Praxis des schiedsrichterlichen Ver-
fahrens einführen, um diese für die spätere Tätig-
keit als Schiedsrichter vorzubereiten. Kollmann zeigt
an Hand zahlreicher Beispiele aus der Praxis die An-
wendbarkeit von Schiedsgerichtsverträgen und gibt
Muster für Entwürfe zu Schiedsgerichtsordnungen
nebst Gebührenordnung bekannt. Damit erleichtert
der Autor den Beteiligten Anleitung und Zustande-
kommen von Schiedsgerichtsverträgen. Aber auch
sein Hinweis auf den Unterschied zwischen Schieds-
vertrag und Schiedsgutachtenvertrag ist beachtens-
wert. Während der Schiedsvertrag die Feststellung
eines streitigen Rechtsverhältnisses, also die Ent-
scheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen Schieds-
spruch bezweckt, befaßt sich ein Gutachtenvertrag
nur mit der sachverständigen Feststellung streitiger
Tatsachen.

Eine allgemeine Belehrung über die wichtigsten
Rechtsbegriffe geht der speziellen Behandlung des
Schiedsgerichtswesens voraus, als Anhang fügt Koll-
mann aus der Zivilprozeßordnung die §§ 1025—1048
im Wortlaut an, welche das schiedsrichterliche Ver-
fahren betreffen. Auch diese Bekanntgabe ist für
Sachverständige und Parteien gleich wertvoll und
trägt zur Klärung des Gegenstandes bei. Beide
Werke sind unentbehrlich jedem, der sich mit dem
Wesen des Schiedsverfahrens vertraut machen will.

Zum Wesen der Schiedsgerichte sei noch gesagt,
daß Schiedsgerichte keine feststehenden Einrichtungen
an bestimmten Orten sind, sondern nach Bedürfnis
durch den freiwilligen Zusammentritt von Parteien
und Schiedsrichtern (Sachverständigen) kann ein
Schiedsgericht an jedem Ort und zu jeder Zeit zur
Entscheidung eines bestimmten Rechtsstreites ge-
bildetwerden. Die Entscheidung eines Schiedsspruchs
vertritt die Stelle des zuständigen Gerichts, hat
also unter den Parteien die Wirkung eines rechts-
kräftigen gerichtlichen Urteils. Da die Beilegung
eines Rechtsstreites im Schiedsverfahren zumeist
durch Vergleich erfolgt, so kommt zwischen den
Parteien im Wege des Vergleichs ein neuer Ver-
trag zustande, durch den der Streit oder die Un-
gewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis
im Wege gegenseitigenNachgebens beseitigt werden.
Die Parteien betrachten daher die selbstgewählten
Schiedsrichter als die gütlichen Vermittler ihres Strei-
tes. DieVorzügedes Schiedsgerichtsverfahrens gegen-
über der Prozeßführung vor ordentlichen Gerichten
bestehen also in: schneller Entscheidung, geringen
Kosten, sachverständiger Behandlung, Austrag zu-
meist als Vergleich der Parteien, daher nicht Feind-
schaft, sondern Erhaltung der Kundschaft.

Schwierigkeit bietet nur der Umstand für jeden
Einzelfall den richtigen Mann als Schiedsrichter (Gut-
achter) zu finden. Mit Hilfe der Interessenverbände
für die einzelnen Sachgebiete (Gartenkunst, Obst-
bau, Baumschulwesen usw.) sollten geeignete ver-
trauenswürdige Fachmänner als Spezialsachverstän-
dige gewählt und ihre Namen nebst den Spezial-
fächern in einem Verzeichnis geführt werden, das
sowohl an Gerichtsstelle, wie in der Öffentlichkeit,
besonders aber in den Fachzeitschriften immer wieder
bekannt gegeben wird.

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