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Die Gartenkunst — 30.1917

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Kittel, Josef Balduin: Der Königl. Hofgarten Veitshöchheim: ein Juwel der Barock-Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0125

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Aus dem Kgl. Hofgarten Veitshöchheim: Schloß mit Schloßterrasse (Lageplan 1).

Aufnahme von Heicke.

Der Königl. Hofgarten Veitshödiheim,
ein Juwel der Barock-Gartenkunst*).

Der Kgl. Hofgarten Veitshödiheim ist wohl
das am reinsten und besten erhaltene Beispiel
des architektonischen Gartenstils, wie er im
18. Jahrhundert entstand und gepflegt wurde.
Er ist ein wahrhaft fürstlicher Rokoko-Garten.
Noch heute, wenn man in den wunderbaren
Hecken- und Laubengängen, durch die verschwie-
genen Bosketts und Gartenhäuser, an den köst-
lichen Figurenreihen und feierlichen Seen vorbei-
wandert, taucht die Zeit seiner Entstehung vor
dem Geiste auf, jene galante und graziöse Epoche
des höfischen Rokoko mit ihrer Vorliebe für das
klassische Altertum, ihrem Streben nach Auf-
klärung, ihrem geläuterten Geschmack. Man
sieht im Geiste die Gestalten jenes Zeitalters
durch die reizenden Anlagen wandeln, die Herren
in Kniehosen und modischem Aufschlagrock, die
Damen in gerafftem Spitzenkleid und hochge-
stellter Haartracht. Und wird nicht vor der Phan-
tasie des Besuchers das reizvolle Naturtheater
wieder belebt von den Gestalten des Schäfer-
spiels? Blicken nicht aus allen Winkeln und
Eckchen des Gartens kokette Gesichtchen, hört
man nicht überall das Flüstern prickelnder
Stimmchen? Liegt nicht über dem Ganzen heute
als Abglanz des damaligen Hof lebens ein Zauber,
dem sich niemand entziehen kann ?

Daß dies alles heute noch so auf uns wirkt,
beruht in der feinen künstlerischen Stimmung
des Gartens, der als getreuer Ausdruck des
Geistes und der Lebensauffassung seiner Zeit
kaum seinesgleichen hat. Wohl gibt es auch
andere Barockgärten von großer Schönheit: Ver-
sailles, Sanssouci, Schwetzingen, Nymphenburg,
Schönbrunn und andere; aber sie reden zu dem
Besucher in einem vollen, manchmal auch wohl
hohlen Pathos, nicht mit der entzückenden Anmut
wieVeitshöchheim. Nichts wäre falscher, als wollte
man Versailles und Veitshödiheim einfach neben-
einander stellen. Wohl sind die Ausdrucksfor-
men ähnlich, aber der innere Gehalt ist grund-
verschieden. Dort welsche Manier und Phrase,
hier edler geläuterter Geschmack. Zwar ist auch
hier der Garten durch Menschenhand in strenge
Form gebracht, nie aber der Natur Gewalt an-
getan. Die Gestaltungsweise Lenotres
ist mit deutschem Empfinden und
deutscher Naturliebe zu einer Schöp-
fung von Anmut und Geistesadel an-
gewandt.

Die Erkenntnis dieser Vorzüge Veitshöch-
heims war lange Zeit nur bei kunstgeschicht-
lichen Kennern zu finden. Erst die Wiederauf-
nahme der künstlerischen Überlieferung in der

*) Nach dem Vortrag von Hofrat Dr. Kittel, Würzburg, gehalten auf der Hauptversammlung
der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst am 28. Juli 1917.

Gartenkunst Nr. 9, 1917.

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