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Die Gartenkunst — 30.1917

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Kittel, Josef Balduin: Der Königl. Hofgarten Veitshöchheim: ein Juwel der Barock-Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0138

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kade an der östlichen Grenzwand offen. Die des Apollo und der Daphne. Am Ende der
Tierfabeldarstellungen setzen sich im südlichen Hauptquerachse ist vor der Abschlußmauer eine
Teil der Bahn bis zu dem achteckigen „Tanzplatz" Kaskadenanlage errichtet, künstliche Ruinenbil-
fort. Der Konzerthain am Südende (Abb. Seite dung im Vordergrund, berankt mit wildem Wein
135 unten) ist mit Linden bestanden, die sich um und besetzt mit kauernden Putten. Die Haupt-
eine achteckige Laube mit Kupferbedachung grup- gruppe an der Wand der Mauer ist in drei Ab-
pieren; früher bildeten ihre geschnittenen Kronen teilungen gegliedert, die sich zu einem pyrami-
ein dichtes Dach über dem ganzen Platz, jetzt dalen Aufbau zusammenfügen vor einem
läßt man sie frei wachsen. Der reizvolle, ziemlich Hintergrund von Architekturform aus Tuff. Das
umfangreiche Konzertplatz, dessen Bedeutung als Ganze hat eine reiche Ausstattung von Bild-
solcher auch durch die am Südende des Fichten- werken erhalten, in deren Mitte der Neptun, von
ganges u_fgestellte Orpheusgruppe unterstrichen Göttern und Halbgöttern umgeben, thront,
wird, diente in den letzten Jahren als Platz für Es folgen dann noch einige weitere Bildwerke,
die Gartenwirtschaft. darunter eine Quellnymphe, ein Dornauszieher
Mit diesen drei Bahnen der Seen, der kleinen und als Achsenabschluß am Naturtheater eine
Räume und der Spiele war eigentlich die Ein- besonders schöne Apollo-Gestalt, endlich am
richtung des großen gartenkünstlerischen Schloß- nördlichen Ende der enger werdenden Bahn eine
baues in Veitshöchheim abgeschlossen. Es ver- Ceresgruppe,
blieb aber noch der lange schmale Geländezipfel * „ 9
an der Ostgrenze. Da dieser die höchste Lage

hat und den Garten überragt, lag es nahe, ihn Man wird es begreiflich finden, daß eine
für Zier- und Aussichtspunkte zu verwenden, Schöpfung wie der Veitshöchheimer Garten mit
einmal indem man hier Schmuckgruppen als seiner Fülle von mythologischen und anderen
„Points de vue" für die den Garten durchschnei- Bildwerken nicht nur den Künstler stark anzieht,
denden Querwege aufstellte, zum andern indem sondern auch die Aufmerksamkeit von Schrift-
man die Südostecke zu einem Aussichtspunkt stellern und Gelehrten in Anspruch nimmt. Einer
(„Belvedere") ausbaute. Dieser Zweckbestim- der letzteren ist nun auf den Gedanken gekom-
mung gegenüber ist die gärtnerische Ausgestal- men, der ganzen Anlage müsse außer künstleri-
tung ziemlich nebensächlich behandelt, sie be- scher Absicht ein bestimmter Leitgedanken zu-
stehtim wesentlichenauslanggestrecktenHecken- gründe liegen, der in der Verwendung und Anord-
wänden, die gegen die Spitze der dreieckigen nung der zahlreichen Bildwerke seinen Ausdruck
Flächen sich immer näher rücken und Ausschnitte gefunden habe. Ein Veitshöchheimer Pfarrherr,
für die Aufstellung der als „Blickpunkte" dienen- Georg Karch, der schon im Jahre 1855 eine kleine
den Bildwerke haben. Hier hat J. P. Wagner, Beschreibung des Gartens herausgegeben hat,
der besonders diesen Teil des Gartens mit seinen trat später mit einem Werke hervor: „Der Kgl.
Bildwerken ausgestattet hat, die besten Kunst- Hofgarten mit dem Schlosse in Veitshöchheim
leistungen des ganzen Gartens geliefert. Die Aus- nach Piatons Schule als folgerichtige Darstellung
führung dieser Bahn erfolgte größtenteils in den der Bacchischen Weltseele und des Falles und
letzten Regierungsjahren des freigebigen Bau- der Erlösung der Einzelseelen, vollständig er-
herrnAdam Friedrich, etwa zwischen 1771 — 1779; klärt usw." worin er ein regelrechtes Auslegungs-
aberauchunterseinenNachfolgernistnocheiniges System entwickelt für die in den Bildwerken
hinzugekommen. ausgedrückte „Idee" des Gartens.

Die Hauptstücke bilden das im Volksmund Er teilte den Garten in eine Sonnenbahn

„Schneckenhäuschen" genannte „Belvedere" an (Ostseite), Mondbahn (Südseite) und Nilbahn

der Südostecke, ein zweigeschoßiger Hoch- (Westseite) ein, gliederte die gärtnerischen und

bau, dessen Untergeschoß zu einer phantastischen plastischen Darstellungen unter die Gestirne

Grotte ausgestaltet wurde. Der achteckige Innen- Mond, Merkur, Venus, Sonne, Jupiter, Saturn,

räum, geteilt durch Säulen, ist mit Muschelmosaik erläuterte endlich die Dionysische Weltordnung

verkleidet und bildet eine besondere Leistung der in der Anlage am großen See, die Darstellung

Stuckarbeiter des 18. Jahrhunderts. Ähnlich dem des Tartarus im Küchengarten und des Elysiums

„Zirkus" ist er mit Darstellungen der Erdteile mit dem angeblichen Tempel des Gestirnes in

und anderen Bildwerken ausgestattet. Zum der Terrasse und dem Schloß.
Obergeschoß führt außen eine zweiteilige Trep- Vier Auflagen hat dieses sonderbare Buch

penanlage, die wie das Äußere des Unterbaues erlebt, die letzte 1881. Und andere Schrifl-

grottenartig aus Tuffsteinen zusammengefügt ist. steller haben den Gedanken übernommen. So-

Vor dieser Freitreppe öffnet sich nördlich ein gar ein Kunstkenner wie J. B. Stamminger

Parterre mit schönen Standbildern der Venus nannte das Buch noch 1892 höchst geistreich,
und des Bacchus, weiterhin folgen noch vier kleine Heute ist die Haltlosigkeit der Karelischen

Vasen und in den Heckenöffnungen Bildwerke Theorie klar dargetan. Felix Mader hat den

des Saturn, dem Amor die Flügel schneidend, Beweis dafür geliefert und an drastischen Bei-

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