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Die Gartenkunst — 30.1917

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stand in der gemeinen Wirklichkeit mit dem übrigen
Dasein verknüpfen. Das ist in jedem Falle ein
Vereinfachen, Ausscheiden alles Unwesentlichen, das
sich in der allgemeinen Wirklichkeit findet. Zehn
Pinselstriche zu wenig sind leichter zu ertragen
als einer zu viel; denn über jenes Zuwenig wird
die Phantasie des Beschauers gerne hinweghelfen,
wenn sie nur sonst zu lebendiger Erfassung des
Bildes angeregt wird. Das Zuviel aber ist das
Kennzeichen der geistlosen Nachahmung. Bloßes
Vereinfachen ist freilich nicht das eigentliche Ge-
heimnis des Kunstschaffens. Das Vereinfachen kann
nur die Kehrseite eines Bereicherns sein. Es ist
nur solange ein künstlerisches Ausdrucksmittel, als
es durch Ausscheiden des Störenden, Trübenden,
Unwesentlichen zur Steigerung des Lebens beiträgt.
Unser Verhältnis zur Welt und zum Leben ist
nun aber kein festes. Die Künstler arbeiten daran,
es zu vertiefen. Das Leben der Wahrheit ist un-
endlich und immer neu, auch die Bäume und Berge
und das Meer, nicht zu reden von Menschen und
Städten und anderem Menschenwerk. Alle diese
Dinge wollen vom geistigen Leben und also auch
von der Kunst immer von neuem erobert werden.
Wenn die Künstler von heute also treu sein wollen
gegen die Wirklichkeit, müssen sie in anderer
Weise schaffen als die Künstler der vergangenen
Zeiten. Die Treue gegen die Wirklichkeit hat zwei
Gegensätze — noch nicht treu und nicht mehr treu;
im ersten liegt das Streben nach Treue, also künst-
lerische Wahrheit. Diese Werke offenbaren zu-
kunftsreiches Vorwärtsstreben. Hierher gehören
die Jugendarbeiten großer Meister, die Zeiten
mächtigen Aufsteigens. Dagegen reden die als „nicht
mehr treu" gegen die Wirklichkeit zu bezeichnen-
den Arbeiten eine Sprache, die allen längst vertraut
ist, die wohl bei der Masse Beifall finden wird,
aber abgelehnt werden muß von Menschen, die mit
dem Leben der Kunst Fühlung haben. Die Wirk-
lichkeit ist vorwärts weisendes Leben, und Verfall
ist da, wo mit einem überkommenen Erbe fort-
gewurstelt wird. Das Streben nach Treue führt zu
charakteristischer Kunst. Sie entwickelt sich um so
schöner, wo sie Ruhe der Form gewinnt, ein har-
monisch gerundetes Ganze entsteht. Sobald aber
die in ihr lebendigen Gesetze zu leeren Formeln
werden, führt es zum Verfall. Der Künstler muß
vielmehr stetig an der Natur schaffen und bilden,
um zur Wahrheit vorzudringen. Durch bloßes
Kopieren der Naturerscheinungen wird sie nie er-
reicht. Der Künstler vermag nur Einzelnes zu
geben, das er zu einem in sich geschlossenen leben-
erfüllten Ganzen gestalten soll. In der bloßen Natur
aber zeigt nichts Einzelnes ein in sich geschlossenes
Leben; dagegen nichts als Abhängigkeiten, die auf
allen Seiten in die Unendlichkeit weisen. Das
Kunstwerk muß, um sich in seiner Isoliertheit be-
haupten zu können, um in ihr nicht dürftig, er-
gänzungsbedürftig zu erscheinen, etwas in sich haben,
was das bloße kopierte Stück Natur nie haben
kann; es darf nicht bloß als ein Stück eines über-
greifenden Allebens dastehen, sondern es muß
durch seinen künstlerischen Gehalt ein im vollen
Sinne selbsteigenes Leben in sich tragen. Das führt
„zur künstlerischen Überwindung des Gegenstandes".
Wer künstlerisch gestalten will, muß rein mensch-
lich über das bloß gegenständliche Verhältnis zur
Welt hinausgekommen sein. Er muß ein inner-
liches Verhältnis zur Wirklichkeit gewonnen haben.
Skulpturen Michelangelos, die Madonnen Raffaels
und die Monumentalfiguren Hodlers, alle Schöpfungen

echter Kunst haben ein dermaßen gesteigertes Leben,
daß es in der Natur vergeblich gesucht würde.
Der Künstler kopiert nicht bloß die Sinnendinge,
sondern an der individuellen sinnlichen Erscheinung
stellt er das nicht mehr Sinnliche, das übersinnliche
Allgemeine dar. An jedem Einzelwesen der Natur
ist vieles belanglos, — stumpfe, öde Masse. Im
Kunstwerk sind diese Mängel der Einzeldinge über-
wunden; daist alles bedeutungsvolles Leben. Dieses
Leben ist heute von anderen Inhalten bewegt als
vor 400 Jahren, ja noch vor 40 oder vor 20 Jahren,
so muß es zu neuem Ausdruck führen. Gewiß,
wenn sich j emand anstrengt, modern und nur modern
zu sein, so ist das auch in der Kunst schlimm; in
allem Gigerltum karikiert die Modernität sich
selbst; in ihm wird sie zur bloßen Gegenwart,
zum wesenlosen Augenblickstreiben. Alles Echte
wächst organisch und wahrt den Zusammenhang
mit dem Alten.

Diese wenigen, aus dem reichen Inhalte des
Buches herausgegriffenen Betrachtungen vermögen
wohl klar zu legen, daß auch der Gartenkünstler
die Schrift mit Nutzen lesen wird und daraus Kraft
schöpfen kann zu dem Ringen um lebensvollen
Ausdruck im Gartenschaffen unserer Tage.

Dr. ing. Hugo Koch, z. Zt. im Felde.

Das deutsche Dorf. Süddeutschland. Von
Heinrich Rebensburg.

Den bekannten Veröffentlichungen über „Die
schöne deutsche Stadt" hat der rührige Verlag von
R. Piper, München, „Das deutsche Dorf" folgen lassen.
Der erste Band, Süddeutschland umfassend, ist
bereits erschienen, ein weiterer über Norddeutsch-
land soll folgen. Die Bücher kommen zu dem ge-
ringen Preis von Mk. 1.80 zum Verkauf, damit sie
in weiteste Volksschichten Eingang finden. Auch
dieses Buch vom alten Dorf hat nach der Ansicht
seines Verfassers seinen wahren Zweck erst erfüllt,
wenn es ins Dorf selbst dringt, bis ins Haus des
Bauern und ihm zeigt, wie reich an bescheidener, doch
wertvoller Schönheit das Haus seiner Ahnen war,
und ihn warnt vor Mißachtung oder gar Zerstörung
ererbter Baudenkmäler und ihm auf dem ehrwür-
digen Fundament seiner Heimat- und Standes-
geschichte wieder nach stolzer Selbstschätzung
streben lehrt. 194 Abbildungen unterstützen die
allgemein verständlichen Ausführungen des Ver-
fassers. Ein kurzer geschichtlicher Überblick unter-
richtet über den Bauern und das Dorf in alter und
neuer Zeit. Die verschiedenen Siedelungsarten —
Einzelhof, Weiler, Haufen-, Rund-, Reihen- und
Straßendorf usw. — werden in ihren charakteristi-
schen Merkmalen klarzulegen versucht und im An-
schluß daran die Hauptbestandteile — die Dorf kirche
mit Friedhof, das Bauernhaus, Gemeindebauten
und Wirtshaus sowie technische und gewerbliche
Bauten —■ wie die malerischen Brunnen und Pum-
pen, die Brücken, die vielbesungene Mühle — be-
handelt. Von besonderem Interesse für den Garten-
künster sind die Abschnitte über „Der Baum im
Dorfbild", „Dorfstraße und Dorfkern" und „Dorf
und Landschaft". Unterstützt von trefflichen Ab-
bildungen werden sie auch dem Fachmann wert-
volle Anhaltspunkte bieten können für unser neu-
zeitliches Streben nach Wiedergewinnung des
Zusammenklanges von Architektur und Natur, denn
die Eigenart des deutschen Dorfes beruht, wie der
Verfasser mit Recht darlegt, in dem schönen Zwei-
klang von Natur und Architektur, und zwar von
alters her, schon die beiden beigegebenen Dürer-
bilder bezeugen es. H. K.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Gartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg.
 
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