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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.; Nußbaum, Theo; Wentzler, Josef: Von Friedhofsgestaltern und Friedhofsgestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0172

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streift hatte, entließ er midi mit den Worten:
„Wenn Sie einen Friedhof zu gestalten haben,
dann verwenden Sie soviel Grün wie nur irgend
möglich, damit Gräber- und Grabsteinelend da-
hinter verschwindet und den Eindruck ihrer
Schöpfung nicht verdirbt." Also er erblickte in
den Pflanzungen und ihrer reichen Verwendung
die Möglichkeit, den Friedhof zu einem gefäl-
ligen, freundlichen Garten zu machen, in welchem
man möglichst wenig von der nach seiner Auf-
fassung unvermeidlichen Häßlichkeit der großen
Gräberfelder, der Machwerke der Steinmetzen
u. dergl. wahrnehmen solle.

Cordes war mit andern Worten Opportunist.
Er bekämpfte das Häßliche nicht, indem er sei-
nen Wurzeln nachging und diese abgrub, sondern
er begnügte sich damit, ihm einen schönen Mantel
umzuhängen. Ob er dieser Opportunist aus Uber-
zeugung war, ob er unter dem Zwang von Ver-
hältnissen handelte, die er nicht ändern zu können
glaubte, vermag ich nicht zu entscheiden. Genug,
er schuf das in Deutschland weit und breit sich
durchsetzende Vorbild des Parkfriedhofs und
überzeugte damitnichtnur die Allgemeinheit, son-
dern auch oder vielmehr erst recht die Garten-
gestalter, denen er j a durch sein Beispiel zu schätz-
baren Betätigungsmöglichkeiten verhalf. Wenn
wir ehrlich sein wollen, müssen wir dies Einge-
ständnis machen. Viel weniger gelang es ihm, in
den eigenen Berufskreisen, in der Architekten-
schaft, damit durchzudringen.

In dem gleichen Hamburger Vortrag sagte
ich weiter: Unsere künftige Aufgabe wird es
sein, nicht bei der lange genug betriebenen
Nachahmung des Cordes'schen Vorbildes stehen
zu bleiben, sondern die weitere Entwickelung
von innen heraus anzustreben, das heißt das
einzelne Grab schön zu gestalten und also nicht
länger das Häßliche zu verhüllen, sondern es zu
beseitigen und die Hülle entbehrlich zu machen.
Ich konnte dabei schon auf dem Umstand
fußen, daß ein anderer Architekt, diesmal in
Süddeutschland, Hans Grässel, mit Erfolg
diesen Weg beschritten hatte, freilich erst nach
anfänglichen Versuchen, durch aufwendige Ge-
staltung der Friedhofsbauten den Blick von der
Dürftigkeit der Gräberfelder abzulenken. Die
Gegenüberstellung der Namen Cordes und
Grässel überhebt mich aller weitern Beweis-
führung, daß diejenigen recht haben, die in Cor-
des' Wirken nur eine zeitweilige Einschläferung,
nicht aber ein Mittel zur grundsätzlichen Ge-
sundung des Friedhofjammers erblicken wollen.
Grässel ist nicht Opportunist, er ist schöpferischer
Neugestalter von innerster Überzeugung und
Entschlossenheit. Freilich wollen die Anhänger
von Cordes die Erfolge Grässeis auf eine teilweise
Anwendung Cordes'scher Lehren zurückführen.
Das ist aber eine Verkennung der Tatsachen.
Richtig ist nur, daß Grässel mit glücklichem

Scharfblick die Gelegenheit benutzte, seine Fried-
hofsreform der Menge auf dem Weg über den
Waldfriedhof anschaulich und überzeugend zu
machen. So konnte er das, was er wollte, gleich
in einer fertigen schönen Umgebung darstellen
und dadurch zweifellos leichter die zu erwarten-
den Widerstände brechen, als wenn er genötigt
gewesen wäre, seine Gedanken auf einem frisch
angelegten neuen Friedhof in dieTat umzusetzen,
dem der wirkungsvolle grüne Rahmen noch fehlte.
Er benutzte also das gleiche Mittel des Pflanzen-
wuchses auf dem Friedhofe, um von der Richtig-
keit seiner Erkenntnis zu überzeugen, das es
Cordes ermöglichte, der notwendigen Radikalkur
aus dem Wege zu gehen.

Aber auch Grässel ist, wie jeder andere
Kunst- und Kulturförderer nur Wegbereiter für
neuen Fortschritt, und die Entwickelung wird auch
bei ihm nicht stehen bleiben. Der Tod als Gleich-
macher hat sich noch nie so überzeugend gezeigt
wie gegenwärtig. Aber trotz der Wucht mit der
die Überzeugung von der Gleichheit im Tode auf
uns eindringt, setzen sich die Folgerungen daraus
nur langsam durch.

Draußen liegen viele, die das gleiche große
Opfer des Lebens für das Vaterland gebracht
haben, schlicht und unterschiedslos in der allge-
meinen Reihe, und hier in der Heimat wird mit
den Einzelnen, deren Überreste heimzuholen die
Mittel der Familie erlaubten, der Heldenkult ge-
trieben, der seinen Ausdruck in pomphaft aufwen-
digen Grabstätten findet. Wo bleibt da die Gleich-
heit im Tode? Mir scheint, sie beginnt zwar mit
dem Tode selbst, um dann alsbald wieder aufzu-
hören. Und nun erst die vielen, die eines ruhigen
bürgerlichen Todes gestorben sind, können doch
gar kein Verdienst für sich geltend machen, um
das reiche Sondergrab zu rechtfertigen, was ihnen
das Geld der Familie ermöglicht hat, gegenüber
vielen hundert, durch den Tod ihnen Gleichge-
wordenen, die in der allgemeinen Reihe schlafen.
Wozu werden auf bestehenden und entstehenden
Friedhöfen immer wieder die Kauf- und Wahl-
gräber für die Wohlhabenden bereit gestellt ?
Wollen oder müssen wir trotz der ernsten Lehre
des Kriegs uns auf diesem Gebiet in alten Gleisen
für alle Zeit weiter bewegen, oder dürfen wir
hoffen, daß wie auf dem Gebiete der Politik, so
auch auf dem Gebiete der Kultur (wahre echte
Kunst ist der Ausdruck der Kultur) der Fortschritt
sich einstellt?

Was hat das aber mit Cordes und seinem
Wirken zu tun? Ihm dienten die gleichen Mittel
der ausgedehnten Pflanzungen, mit denen er die
Öde der Massengräber den empfindsamen Blicken
verbarg, dazu, nun erst recht die Ruhestätten der
Begünstigten in ihrer Haltung zu heben und von
der unwillkommenen Nachbarschaft abzusondern.
Audihierin sind wir ihm jahrzehntelang gefolgt,
und nur wenigen ist das Unwürdige dieses Ver-

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