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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 28.1905

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Bode, Wilhelm: Rembrandts Sohn Titus, in einem Buche lesend: Ölgemälde von Rembrandt van Rijn. Radierung von William Unger
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https://doi.org/10.11588/diglit.4237#0026
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REMBRANDTS SOHN TITUS, IN EINEM

BUCHE LESEND.

Ölgemälde von Rembrandt van Rijn. Radierung von William Unger.1

Wer die Galerie des Wiener Hof-
museums aufsucht, geht nicht der
Rembrandts wegen dorthin, wenigstens
gewiß nicht in erster Reihe. Neben den
Bildern eines Titian und Rubens, eines
van Dyck und Pieter Brueghel, eines Dürer
und Velazquez stehen die sieben Gemälde
von Rembrandt in dem Hofmuseum sehr
zurück, zumal im Vergleich mit den
Werken, die andere Galerien von diesem
Meister aufzuweisen haben. Ihre Zahl ist
gering, sie sind einförmig: ausschließlich
Porträte oder Studien, und es befindet sich
darunter keines seiner gefeierten Haupt-
werke. Für die Kenntnis von Rembrandt,
als Künstler wie als Mensch, sind aber
mehrere dieser Gemälde von hervorragen-
dem Interesse; als Kunstwerke wie als
Dokumente wiegen sie Dutzende von
Bildern Rembrandts in anderen Samm-
lungen auf, und wenn sie fehlten, hätten wir
für die Kenntnis des großen holländischen
Meisters eine empfindliche Lücke zu be-
klagen. Ist der »Apostel Paulus« eine jener ersten in Lebensgröße gemalten Charakterfiguren
Rembrandts, die in der gesuchten Pose, in der Kälte der Farbe und ihrer halb derben, halb
gequälten Malerei noch den Anfänger verraten, ist die späte Studie eines »Rabbiners« schon durch
den schlechten Zustand der Erhaltung nur noch wenig genießbar, und sind die Bildnisse eines
»älteren Ehepaares« in ihrer sorgsamen Ausführung und kalten Beleuchtung noch ohne die volle
Eigenart des Künstlers: so sind die vier übrigen Bilder umso bedeutender und interessanter.

Zwei dieser Bilder sind bekannte Selbstbildnisse des Meisters. Das große Porträt in Halbfigur,
in dem Rembrandt die Arme in die Seite stemmt, zeigt ihn zur Zeit, als er vom eigenen Herd
getrieben wurde, als ihm Hab und Gut, Kunstwerke und Studienmaterial unbarmherzig versteigert
und verschleudert wurden: eckig und selbstbewußt, mit scharfem Blick in die Welt schauend, die

Rembrandts Sohn Titus. Wien, kaiserliche Gemäldegalerie.
Mit Genehmigung von Fr. Hanfstaengl.

i Prämie der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst für das Jahr 1904.

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