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EINE NEUE GRÜNEWALD-ZEICHNUNG.

Durch das Ablösen der in der Albertina befindlichen und ehemals voll auf dem Untersatzkarton
aufgeklebten Grünewald-Zeichnung: Heiliger mit Knotenstock (Schm. Taf. 50, Albertina-Publikation
Nr. 62), der von den Kunsthistorikern bald als St. Joseph, bald als Hieronymus gedeutet wurde, weil
bis heute noch keine Verwendung nachweisbar, ergab sich das erfreuliche Resultat eines neuen
Originals: einer zwar nur skizzenhaft gehaltenen Teilstudie zu einem Heiligen, die aber in jedem Strich,
in proportionaler Gestaltung und im Ausdruck die eigenwillige Hand des Meisters bestimmt ausspricht
und überdies zu dem Isenheimer Altarwerk in unverkennbarer Beziehung steht. Sie entbehrt noch
der sonst weiteren Modellierung und Gegensätzlichkeit in den Licht- und Schattenmassen,
besonders in der Drapierung, weil sie nur eine Vorstufe zu der sich durchringenden Form bildete
und vom Künstler wieder fallen gelassen wurde, um zu einer neuen, leider nicht erhaltenen
Konzeption zu schreiten. Wir finden darin auch nicht ein modellmäßiges Erfassen, sondern einzig
den Ausdruck des momentanen, psychisch gespannten Phantasiegebildes.

Eine mächtige Mantelgestalt eines Heiligen, der die Augen sinnend niederschlägt, die Rechte
bis zur Brust erhebt, um den Mantel anzudrücken, und mit der Linken in gleicher Höhe das Griff-
stück des Kreuzstabes umfaßt. Den Kopf bedeckt ein in die Stirn gerücktes Käppchen, um die
Schultern hängt ein langer, an den Oberarmen geteilter Mantel, der sich in reichem Faltengedränge
um die Füße schlägt. Die photographische Aufnahme der Figur, etwas verkleinert, gibt nur
einen Ausschnitt der sonst unbezeichneten Rückseite, die ein Ausmaß von 36-8: 29'Qcm hat.

Die Verwandtschaft mit der Gestalt des heiligen Antonius Eremita auf dem feststehenden
linken Außenflügel des geschlossenen Isenheimer Altars erscheint ohne weiteres ersichtlich. Die
statuengleiche Ruhe und Haltung nach rechts hin, der versonnene Blick des Greisenkopfes mit dem
Käppchen, die Hand am Manubrium, der langwallende, sich um die Füße und den Sockel legende
Mantel kehren auch im Bilde wieder.

Man merkt den Fortschritt von einem zum andern. Der Bart ist verlängert worden, um die
greisenhafte Würde zu steigern und einen Ausgleich zwischen Kopf und Leibesgestalt zu schaffen.
Die sich in der Zeichnung rechts und links unangenehm wiederholende Armbewegung wurde im
Bilde beseitigt, die Führung des Mantels vereinfacht und geklärt; er ruht nur mehr auf der linken
Schulter und dem Rücken und fällt in breiten großen Flächen abwärts, um dem nun sichtbar
gewordenen Körper eine dominierende Vertikale zu geben.

Mit der Einreihung dieser Skizze in die Gruppe der zu dem Hauptwerke Grünewalds gehörigen
Zeichnungen haben wir den geringen Bestand um eine vierte bereichert. Zwei gewaltsam auseinander-
geschnittene Teile zu dem nackten Oberkörper des heiligen Sebastian im festen Flügel rechts,

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